Mythos Marilyn Monroe Wie war Marilyn wirklich?

Bonn · Bildband „Silver Marilyn“ neu aufgelegt. Quasi eine Antwort auf den Film „Blond“

 Der Fotograf Weegee trifft Marilyn Monroe 1955 auf dem Flughafen vor den Dreharbeiten zu „Das verflixte 7. Jahr“. 

Der Fotograf Weegee trifft Marilyn Monroe 1955 auf dem Flughafen vor den Dreharbeiten zu „Das verflixte 7. Jahr“. 

Foto: Courtesy Schibmer/Mosel

Großer Aufschrei in der Presse und ein Shitstorm in den sozialen Medien. Bei den Filmfestspielen in Venedig waren Andrew Dominiks Film „Blond“, entstanden nach dem gleichnamigen Roman von Joyce Carol Oates über Marilyn Monroe, und die Hauptdarstellerin Ana de Armas noch überschwänglich bejubelt worden – 14 Minuten Standing Ovations. Als der Film aber Ende September beim Streamingdienst Netflix anlief, drehte sich das Kritikerblatt. Vulgär und ausbeuterisch sei der Film, degradiere die Monroe zum Stück Fleisch, zum Objekt, war zu lesen.

Während „The New Yorker“ die Regie als „directorial sadism“ kritisierte und deren Einseitigkeit geißelte – dass die Monroe auch eine Aktivistin war, eine eigene Produktionsfirma hatte, eine enorme Freude am Filmen fand, werde einfach ausgeblendet –, war in der Filmkritik der „Los Angeles Times“ zu lesen: „In Blond geht es nicht wirklich um Marilyn Monroe. Es geht darum, sie leiden zu lassen.“

Der „General Anzeiger“ räumte in seiner im Grundtenor recht positiven Filmrezension ein: „Bilder von einer Abtreibung, die Chayse Irvins Kamera gleichsam aus der Perspektive von Monroes Vagina aufnimmt, sind schwer zu ertragen.“

Shitstorm in den sozialen Medien

Auf Twitter war zu lesen: „#Blond ist ein ausbeuterischer, frauenfeindlicher, an Folter grenzender Film, der eine ohnehin tragische Figur beschimpft. De Armas ist gut, aber die Grausamkeit hinter der fiktiven Geschichte und die unfokussierte Regie rauben ihr das Rampenlicht. Das war eine furchtbare Erfahrung. Schmerzhaft anzuschauen.“

Marilyn Monroe im Interview

Wie war Marilyn wirklich? Vielleicht liest man einmal in das lange Interview hinein, das Georges Belmont, Chefredakteur der französischen Zeitschrift „Marie Claire“ im Jahr 1960 führte. Ein hinreißendes Dokument. „Ich ließ sie einfach reden“, erinnert sich Belmont, „den einzigen Druck, den ich ausübte, war das Schweigen. Wenn sie schwieg, sagte ich auch nichts, wenn sie es nicht mehr aushielt und weitersprach, sagte sie meist etwas sehr Wesentliches und Bewegendes.“ Bewegend, natürlich, sehr reflektiert und sinnlich: So erlebt man sie im Gespräch, in dem Sätze fallen wie „Und wenn ich liebe, werde ich so ausschließlich, dass ich nur noch einen einzigen Gedanken im Kopf habe“ oder „Vor allem will ich menschlich behandelt werden“. Sie spricht über Rainer Maria Rilke und ihre Filmkarriere, über ihre Amouren und Ehemänner, über Vorurteile, Enttäuschungen, Niederlagen und schöne Momente. „Und da ich erst vierunddreißig bin und noch einige Jahre vor mir habe, hoffe ich noch Zeit zu haben, besser und glücklicher sowohl in meinem Beruf als in meinem Privatleben zu werden.“

Viel Zeit hatte sie nicht: Am 18. August 1962 starb sie an einer Überdosis von Barbituraten. 

Die besten Fotografen der Welt

Wie Marilyn Monroe war, verraten vielleicht auch Fotos. Sie gehörte zu den meistfotografierten Frauen des Jahrhunderts. Von Eve Arnold und Richard Avedon bis Bert Stern und Weegee buchstabiert sich die Fotografenprominenz, die die Monroe vor der Linse hatte. Cecil Beaton und Elliot Erwitt, Philippe Halsman und Frank Maestro. Es fehlt eigentlich kein Name des Who’s’Who der Fotografie.

Der Verlag Schirmer/Mosel brachte die 152 Fotos von 1945 bis 1962 und das Interview von Georges Belmont erstmals 1989 in dem wunderbaren Band „Silver Marilyn“ heraus – mit einem Vorwort der Kollegin Jane Russell. Auch sie eine Ikone. In diesem Jahr hat der Verlag „Silver Marilyn“ noch einmal aufgelegt. „Ich glaube, was Marilyn so entscheidend von anderen Sexidolen unterschied, war ihre Verletzlichkeit“, schreibt die fünf Jahre ältere Diva. „Marilyn hatte einen kaum zu stillenden Drang nach Wissen und Bildung“, schreibt sie, „und wenn die Kamera lief, strahlte sie“. Als „ganz reizend und humorvoll“ empfand die Russell Marilyn. In Howard Hawks‘ Film „Blondinen bevorzugt“ (1953) waren sie Rivalinnen: Während Monroe als Lorelei Lee 15 000 Dollar Gage bekam, ging Russell mit dem Zehnfachen nach Hause. Marilyn fand das unfair: „ich bin doch die Blondine!“, sagt sie im Film „Blonde“ empört.

Die letzte Foto-Serie

Man sieht die junge Marilyn 1945 am Strand, die ersten Modeaufnahmen und Pin-ups, Fotos, die am Set oder bei offiziellen Anlässen entstanden, Pressefotos, Schnappschüsse, Glamourfotos und unglaublich intensive, private Aufnahmen. Man lernt sie gut kennen. 

Das Buch endet mit einigen wenigen fesselnden Bildern von insgesamt 2700, die Bert Stern Ende Juni 1962 in einer dreitägigen Session für die „Vogue“ von der Monroe machte. Das letzte Bild des Bandes, eine Nachtaufnahme, zeigt das Gebäude der „New York Times“ am 5. August 1962 am Times Square und eine Leuchtschrift, die den Tod Marilyn Monroes vermeldet.

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