Neu im Kino Wim Wenders "Grenzenlos" überzeugt nur bedingt

Bonn · Wim Wenders gelingt es in „Grenzenlos“ nicht, die Filmebenen zu verknüpfen. Was sich im Roman über feine narrative Verästelungen miteinander verbindet, bleibt im Film als unproduktiver Kontrast nebeneinander stehen

 Sinnsuche unter Wasser: Alicia Vikander als Danielle Flinders in Wim Wenders'„Grenzenlos“.

Sinnsuche unter Wasser: Alicia Vikander als Danielle Flinders in Wim Wenders'„Grenzenlos“.

Foto: dpa

Mit fast 73 Jahren scheint Wim Wenders noch längst nicht an seinen Ruhestand als Filmemacher zu denken. Gerade erst hat er mit „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ dem katholischen Oberhirten ein dokumentarisches Denkmal gesetzt und ganz nebenher die drängendsten Fragen zur Zukunft der Menschheit erörtert. Nun begibt sich Wenders wieder auf das Terrain der Fiktion, wo er sich in den vergangenen zehn Jahren auf zunehmend ungelenke Weise bewegt hat. Das Trauer- und Verlustdrama „Every Thing Will Be Fine“ (2015) und die Peter-Handke-Verfilmung „Die schönen Tage von Aranjuez“ (2016) blieben weit hinter den Erwartungen an einen Regisseur zurück, der der Filmgeschichte prägende Meisterwerke wie „Paris, Texas“ (1984) und „Der Himmel über Berlin“ (1987) geschenkt hat.

In seinem neuen Film „Grenzenlos“ adaptiert Wenders nun zusammen mit dem Drehbuchautor Erin Dignam den gleichnamigen Roman von J.L. Ledgard für die Leinwand. Die alles andere als dialogisch angelegte Buchvorlage verknüpft die Lebensläufe eines Geheimagenten, der in Somalia in Gefangenschaft von Dschihadisten gerät, und einer Biomathematikerin, die vor Grönland auf dem Meeresgrund nach dem Ursprung des Lebens forscht, in einer Liebesgeschichte miteinander. Die Welten, in denen sich Danielle (Alicia Vikander) und James (James McAvoy) zu Beginn des Filmes wiederfinden, könnten kaum kontrastreicher sein. Nur durch ein kleines Loch in der Mauer kann James aus dem Verließ heraus seinen Arm nach draußen strecken, wo ein afrikanischer Junge ihm eine am Strand aufgelesene Garnele in die bettelnde Hand gibt.

Immer wieder wird der Gefangene zum Verhör heraus gezerrt und beteuert, dass er als Wasserbauingenieur und nicht als Spion ins Land gekommen sei. Derweil bereitet sich Danielle auf einem Forschungsschiff im Nordatlantik für eine Unterwassermission vor, auf die sie ihr ganzes Forscherinnenleben hin gearbeitet hat. Aber es fällt ihr schwer sich auf das Projekt zu konzentrieren, weil sie von James seit Wochen kein Lebenszeichen gehört hat. Von den beiden Gegenwartsebenen spult der Film immer wieder ein paar Wochen zurück zu einem Hotel in die Normandie, wo sich Danielle und James kennengelernt haben. In den Rückblenden liegen der emotionale Kern und die eigentliche Stärke des Filmes. Wenders inszeniert den Prozess der Annäherung nicht im stereotypen Turteltäubchenmodus, sondern als Zusammentreffen zweier erwachsener Menschen, die sich auf Augenhöhe begegnen und gerade in ihrer gegenseitigen Unabhängigkeit attraktiv finden.

Gespräch als intellektuelle Herausforderung

Danielle ist ein Frau, die beseelt von ihrer Arbeit ist und daraus ihre Ausstrahlungskraft entwickelt. James, der seine regierungsamtliche Profession geheim hält und sich glaubwürdig als Wasserbauingenieur ausgibt, erweist sich als interessierter Fragensteller, der im Gespräch immer wieder die intellektuelle Herausforderung sucht. Zweifellos agieren hier mit Vikander und McAvoy zwei besonders gut aussehende Menschen auf der Leinwand. Umso erstaunlicher, dass es Wenders gelingt, die beiden Liebenden vor allem in ihrer Intelligenz miteinander zu verbinden. Das sieht man so im Kino nur sehr selten. Diese enge geistige Verbindung soll den Film durch zwei gegenwärtige Erzählebenen tragen, in denen sich die beiden voneinander getrennt in konträren Lebenswelten befinden.

Aber genau das will nicht gelingen. Was sich im Roman über feine narrative Verästelungen miteinander verbindet, bleibt im Film als unproduktiver Kontrast nebeneinander stehen. Der Kontroll- und Selbstwertverlust der Geisel und die durchaus differenzierte Sicht auf die Glaubens- und Gedankenwelt der Dschihadisten hätten ebenso eine Vertiefung verdient, wie der nordpolare Erzählstrang. Aber zusammen genommen ergeben die drei Narrationsebenen auf frustrierende Weise kein funktionierendes Ganzes.

Gerade auch aufgrund der hohen schauspielerischen Präsenz von Vikander und McAvoy sowie der enormen visuellen Qualitäten möchte man den Film mögen, wird aber – wie oft bei Wenders – durch ein zunehmend manieriert wirkendes Konzept davon abgehalten.

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