Ausstellung im Folkwang-Museum Wo das Lachen schmerzhaft wird

Essen · Das Essener Folkwang-Museum zeigt unter dem Titel „Roland Topor. Panoptikum“ die grotesk verdrehten Bilderwelten des Zeichners Roland Topor

 Porträt des Künstlers von 1990.

Porträt des Künstlers von 1990.

Foto: Museum Folkwang

Nein, Loriots Schmunzelhumor ist nicht Roland Topors Sache. „Das Lachen“ heißt seine Farblithographie, auf der die Zähne eines Mannes reißverschlussartig das Gesicht aufschlitzen. Bis hinauf zum schreckhaft in die Stirn fliehenden Auge. So ähnlich sahen die Kriegskrüppel aus, die Otto Dix schonungslos porträtiert hat.

Harmlosen Titeln darf man bei den mehr als 200 Exponaten der Schau „Roland Topor. Panoptikum“ im Essener Folkwang-Museum ohnehin nicht trauen. „Die Hausdame ist im Treppenhaus“: schön und gut, wenn bloß ihr Kopf nicht höchst unkomfortabel zwischen den Stufen eingeklemmt wäre. Überhaupt wird der menschliche Körper hier vielfach malträtiert, verformt oder mit tierischen Anhängseln ins Reich des Finster-Fabulösen versetzt. Auf Topors französischem Plakat für Volker Schlöndorffs „Le Tambour“ traktiert der kleine Oskar Matzerath sein eigenes Gesicht auf der Blechtrommel.

Nun ist jemand wohl auch fürs Idyllische verloren, wenn er 1938 als Kind polnisch-jüdischer Einwanderer in Paris zur Welt kommt, dann von 1941 bis 1944 bei einer Pflegefamilie in Savoyen versteckt wird und die Eltern verleugnen muss. Schon durch seine kindliche Fantasie zogen offenbar jene Schatten, die man dann in feinster Schraffur auf seinen ersten Zeichnungen (ab 1958) sieht.

Der Spaß am Makabren

Das Faible fürs Absurd-Makabre durfte er schon zwischen 1961 und 1966 ausleben, als ihm das Satiremagazin „Hara-Kiri“ in jeder Ausgabe eine Doppelseite widmete. Da steht die Welt vielfach Kopf: für den an den Stoßzähnen in den Boden gerammten Elefanten oder für die Athleten, die auf ihren Zungen um die Wette laufen.

Klar, wenn Topor „Pinocchio“ illustriert, gibt es keine Märchenniedlichkeit, sondern die Nase des Lügenbolds durchbohrt gleich dessen Gegenüber. Seine Schaffenswut tobte dieses Multigenie auf etlichen Gebieten aus: als Autor – er schrieb die Romanvorlage für Roman Polanskis Horrorfilm „Der Mieter“ –, Set Designer, Buchillustrator, Schauspieler (in Werner Herzogs „Nosferatu“) oder Zeichentrickfilmer. „La Planète Sauvage“, im Kurzausschnitt zu sehen, wirkt etwa so, als ob sich Hieronymus Bosch, Salvador Dalíund Max Ernst die Regie geteilt hätten.

Im deutschsprachigen Raum hat der Diogenes Verlag Topors Ruhm am stärksten befördert, und aus der umfangreichen Sammlung des Verlegers Daniel Keel (1930 - 2011) stammen auch die meisten Leihgaben, die nun von seinen Söhnen zur Verfügung gestellt wurden.

Aber auch Kölns Theaterwissenschaftliche Sammlung auf Schloss Wahn kommt als Leihgeber ins Spiel, denn hier lagern die Entwürfe für Topors fantastischen Bühnenbilder und Kostüme, die er 1990 für die „Zauberflöten“-Inszenierung am Aalto-Theater schuf. Dieser Bezug zu Essen sowie die Tatsache, dass Topor in diesem Jahr 80. Geburtstag gefeiert hätte, gaben den Doppelimpuls zur üppigen Ausstellung.

Dass Topor sich Mozarts Papagena barbusig vorstellte und den Palast der Königin der Nacht als Sex-Tempel entwarf, zeigt eine seiner Obsessionen. So ganz jugendfrei ist die Ausstellung denn auch nicht. „Ein gutes Teufelchen“ etwa platziert der Zeichner frech zwischen die Schenkel einer bestrapsten Schönheit.

Man begegnet hier vielen Topors: dem Erotomanen, dem Surrealisten und dem Gratwanderer zwischen Goya und Grand Guignol. Aber eben auch einem melancholischen Poeten. Sehr schön sein „Traum“ als Buchstabenflut auf der Bettdecke. Oder der Auswanderer, dem nicht nur die Habe aus dem geborstenen Koffer fliegt, sondern auch der Kopf vom Hals geweht wird – zurück in die verlorene Heimat.

Ausstellung bis 30. September, Di, Mi, Sa, So 10-18; Do, Fr. bis 20 Uhr. Katalog 25 Euro, Eintritt frei.

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