Komödie von Ödön von Horváth "Zur schönen Aussicht" feiert Premiere in den Kammerspielen

Sebastian Kreyer inszeniert Ödön von Horváths böse Komödie „Zur schönen Aussicht“ ab Freitag in den Bad Godesberger Kammerspielen. Es bietet einen humorvollen Blick auf menschliche Abgründe.

„Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu.“ – Dem zentralen und berühmtesten Satz aus Ödön von Horváths Stück „Zur schönen Aussicht“ kommt auch in der Inszenierung von Sebastian Kreyer eine sinngebende Bedeutung zu. Am Freitag feiert seine Interpretation Premiere in den Godesberger Kammerspielen. „Der Satz verbindet alle Figuren, weil sie eine Identität annehmen müssen, die ihnen gar nicht entspricht. Niemand kann sich selbst ausleben“, sagt Kreyer im Gespräch mit dem General-Anzeiger nach einer der letzten Proben.

„Zur schönen Aussicht“ ist ein frühes Stück des ungarischen Schriftstellers Ödön von Horváth, der in deutscher Sprache publizierte. Der Diplomatensohn verfasste es mit Mitte 20, veröffentlicht wurde es 1926 in der Zeit von Massenarbeitslosigkeit und Inflation. Schauplatz des Stücks ist ein heruntergekommenes Hotel in der bayrischen Stadt Murnau. Bis auf einen Dauergast gibt es keine zahlende Kundschaft. Das Personal (und auch alle anderen der sieben Figuren) haben eine belastete Vergangenheit und sind nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Durch den Auftritt eines weiblichen Gastes werden die schlechten Eigenschaften der zwielichtigen Figuren erst recht geweckt.

Was nach schwerem Stoff klingt, hat von Horváth als Komödie angelegt, als „böse Komödie“, wie Regisseur Kreyer sagt, und von einer „dankbaren Vorlage“ spricht. „Es ist ein schönes Ensemblestück mit sehr unterschiedlichen und skurrilen, aber gleichberechtigten Rollen.“ Zudem: Durch das Komödiantische laufe man kaum Gefahr, eine Figur zu verraten, denn diese seien ohnehin schon holzschnittartig und klischeebeladen konzipiert.

Böse Vorahnung auf das, was da noch kommen sollte

Der von Daniel Breitfelder gespielte, hoch verschuldete Emanuel Freiherr von Stetten etwa steht symbolisch für einen degenerierten Adel. „Dank der tollen Ausstattung – Kleider machen Leute – hat man sofort eine Attitüde im Kopf. So kann man schön mit dem Klischee spielen“, sagt Breitfelder.

Der humorvolle Blick auf menschliche Abgründe sei auch deswegen gut, weil das Stück dadurch ohne erhobenen Zeigefinger daherkomme, sagt Kreyer. „Die Moral bildet den Assoziationsrahmen, den der Zuschauer sich selbst denken muss.“ Und so bekommt das Stück an einigen Stellen automatisch einen Realitätsbezug: „Manche Sätze und Verhaltensweisen wirken wie eine böse Vorahnung auf das, was da noch kommen sollte“, sagt Kreyer. „Es wirkt wie ein Vorbote einer schlimmen Zeit.“

Und auch Verbindungen bis in die Gegenwart können gezogen werden – Kreyer nennt Pegida, Verschwörungstheoretiker, die Lust an der Ausgrenzung, aber auch die #Meetoo-Bewegung. Diese Schlüsse müsse aber jeder Zuschauer für sich selbst ziehen. Der Regisseur bleibt nah am Buch, das Bühnenbild ist sehr klassisch gestaltet. „Ich freue mich sehr, nochmal auf einer konkreten und weniger abstrakten Bühne spielen zu können“, sagt Breitfelder.

Termine: Premiere am Freitag, 20. April, 19.30 Uhr; 25. April, 6./18./27. Mai. Kammerspiele Bad Godesberg. Karten erhalten Sie in den Bonnticket-Shops der GA-Geschäftsstellen.

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