Interview mit der Nachfolgerin von Kurt Beck Malu Dreyer: "Ich bin nicht der Typ, der sich viel beklagt"

Die designierte rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer über Kurt Beck, den Nürburgring und ihre Einstellung zum Leben.

 "Keiner hat damit gerechnet, dass der Wechsel so schnell kommen würde", sagt Malu Dreyer.

"Keiner hat damit gerechnet, dass der Wechsel so schnell kommen würde", sagt Malu Dreyer.

Foto: dpa

Wie groß ist die Vorfreude auf den 16. Januar?
Malu Dreyer: Sehr groß. Das wird ein aufregender Tag.

Haben Sie sich eigentlich als Teil eines Wettkampfes um die Beck-Nachfolge gefühlt?
Dreyer: Nein, nie. Wir wussten ja gar nicht genau, wann Kurt Beck sagt, es geht jetzt nicht mehr. Wie andere auch, habe ich mir aber die Frage gestellt: Kann ich mir das Amt vorstellen oder nicht?

Haben Sie mit den anderen Aspiranten wie Fraktionschef Hendrik Hering, Innenminister Roger Lewentz oder Bildungsministerin Doris Ahnen mal über die Beck-Nachfolge geredet?
Dreyer: Ab und zu mal vertraulich, aber nicht wirklich. Weil auch keiner damit gerechnet hat, dass der Wechsel so schnell kommen würde.

Das heißt, jeder von ihnen hat auf den Anruf Kurt Becks gewartet.
Dreyer: Nachdem Kurt Beck mich angerufen hatte, haben wir uns ausgetauscht und von da ab die Entscheidung gemeinsam getragen.

Landtagspräsident Joachim Mertes hat Sie in Anlehnung an "König Kurt" als "Königin der Herzen" bezeichnet. Was halten Sie von der Formulierung?
Dreyer: Darüber freue ich mich sehr. Ich empfinde sie als Sympathiebekundung.

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Dreyer: Beteiligend, sehr stark teamorientiert, aber auch entscheidungsfreudig. Wenn die Argumente abgewogen sind, kann ich sehr klar sagen, so läuft es jetzt.

Wollen Sie wie Beck auch "nah bei de Leut" sein?
Dreyer: Ich bin vom Typus auch ein Mensch, der nah bei den Leuten ist.

Sie gehen offen mit Ihrer Krankheit Multiple Sklerose um. Leben Sie dadurch bewusster?
Dreyer: Ich war schon immer ein Mensch, der sehr in der Gegenwart lebt. Aber vielleicht ist man sensibler dafür, dass vieles ein Geschenk ist. Ich bin nicht der Typ, der sich viel beklagt, sondern freue mich an vielen kleinen und großen Dingen im Leben.

Auf Bildern sieht man Sie eher mit einem Lächeln als mit einem miesepetrigen Gesicht.
Dreyer: Das hat mit meiner Lebenseinstellung zu tun. Ich denke, dass man mit etwas Fröhlichkeit und Humor das Leben viel besser gestalten kann. Es geht immer um die Frage: Ist das Glas halbvoll oder halbleer? Ich bin eher der Typ des halbvollen Glases.

Heiner Geißler, der vor 40 Jahren Landessozialminister war, gilt als Vater der Sozialstationen. Was könnte von Ihnen hängen bleiben aus Ihrer Amtszeit?
Dreyer: Ich hoffe, die Pflegestützpunkte in unserem Land, unser Tariftreuegesetz, unser Kinderschutzgesetz, die große Initiative "Menschen pflegen" und hoffentlich auch das Thema Inklusion und persönliches Budget.

21 Jahre Regierungspartei in einem eigentlich strukturkonservativen Land. Was hat die SPD, was die CDU nicht hat?
Dreyer: Wir haben ein ausgeprägtes Verständnis von dem sozialen Zusammenhalt in unserem Land. Und Kurt Beck hat Rheinland-Pfalz von einem konservativen zu einem modernen Land gemacht, das wirtschaftlichen Erfolg und geringe Arbeitslosenquoten hat. Es gibt auch eine große Einigkeit in der SPD. Das hat uns über viele Jahre stark unterschieden von der CDU.

CDU-Chefin Julia Klöckner hat Ihnen einen fairen Umgang zugesagt. Wie sehen Sie das?
Dreyer: Genauso. In der Sache streitbar und im menschlichen Umgang fair, so sollte es sein.

Wie wollen Sie den Nürburgring von einem Loser- zu einem Winner-Thema machen?
Dreyer: Jetzt, wo sich die Insolvenzverwalter von den Pächtern getrennt haben, geht die Arbeit am Zukunftskonzept los. Es muss darum gehen, dass der Nürburgring wieder zu einem Markenzeichen der Region wird, das positiv besetzt ist.

Nehmen Sie die Hilfe an, die Ihnen Frau Klöckner anbietet?
Dreyer: Bei unseren Großprojekten wünsche ich mir, dass wir mit der Opposition gemeinsam konstruktiv arbeiten. Und es ist selbstverständlich, die Kontakte, die Frau Klöckner anbietet, zu nutzen.

Was ist das Wichtigste an einem Zukunftskonzept für den Ring?
Dreyer: Die Region muss sich mit dem Ring wieder identifizieren können. Das heißt: Die Rennen müssen ausgetragen werden können. Jeder muss einen Zugang zur Strecke haben. Und es ist wichtig, dass das Infrastrukturprojekt weiter betrieben werden kann.

Der Rechnungshof mahnt immer wieder einen härteren Sparkurs an. Werden Sie das umsetzen?
Dreyer: Wir sind verpflichtet, die Schuldenbremse einzuhalten. Das werden wir auch tun. Unser Haushalt ist so aufgestellt, dass wir 2020 keine neuen Schulden mehr machen werden.

Da glaubt der Rechnungshof aber nicht dran.
Dreyer: Es bleibt dabei. Die Schuldenbremse ist in unserer Verfassung verankert und wir werden sie einhalten.

Ziehen Sie die Kommunalreform durch oder könnten Sie sich ein Moratorium vorstellen, wie es die CDU anstrebt?
Dreyer: Wenn ich am 16. Januar gewählt bin und am 30. Januar eine Regierungserklärung halte, dann werde ich mich auch zu dem Thema Kommunale Verwaltungsreform äußern.

Zur Person

Malu Dreyer ist in Neustadt an der Weinstraße aufgewachsen, hat in Mainz Theologie sowie Jura studiert, wurde dort Staatsanwältin und war bis 2002 Sozialdezernentin. Mit ihrem Mann Klaus Jensen, OB in Trier, und dessen drei Kindern wohnt die 51-Jährige in der Moselstadt. Ihr Vorname ist eine Kurzform von Marie-Luise.

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