Rückblick auf besonderen Empfang in Rhöndorf Wie Adenauer erster Kanzler wurde

Bonn · Am 15. September 1949 wurde Konrad Adenauer zum ersten Bundeskanzler gewählt. Das war anfangs alles andere als sicher. Doch dann griff der „Fuchs“ ganz tief in die politische Trickkiste. Über einen ganz besonderen Empfang in Rhöndorf.

Konkurrenz ausgetrickst - Wie Adenauer erster Kanzler wurde
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Konkurrenz ausgetrickst - Wie Adenauer erster Kanzler wurde

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Foto: dpa/Heinz Ducklau

Friedrich Merz, Markus Söder, Hendrik Wüst - sie alle würden nächstes Jahr wohl gern als CDU/CSU-Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl und anschließend ins Kanzleramt ziehen. Auch vor 75 Jahren gab es in der Union mehrere Interessenten für den Spitzenjob. Schon mal von Friedrich Holzapfel, Hans Ehard oder Hermann Pünder gehört? Dass es dann ein gewisser Konrad Adenauer wurde, war keineswegs selbstverständlich.

Der erste Kanzler hätte auch Holzapfel heißen können

Insbesondere der hoch angesehene CDU-Wirtschaftsexperte Holzapfel konnte sich Chancen ausrechnen - zumal er die Unterstützung des evangelischen Lagers innerhalb der noch jungen Partei genoss und wesentlich jünger war als der 73-jährige Adenauer. In die erste Bundestagswahl am 14. August 1949 war die CDU/CSU ohne Spitzenkandidat gegangen, viele hatten auch eher mit einem Sieg der SPD unter ihrem charismatischen Chef Kurt Schumacher gerechnet. Aber dann kam die Union mit 31 Prozent doch auf Platz eins, dicht gefolgt von der SPD mit 29 Prozent.

In dieser Situation lud Adenauer - ehemaliger Vorsitzender des Parlamentarischen Rates - eine Auswahl von Parteigrößen am Sonntag nach der Wahl in sein Haus in Rhöndorf bei Bonn hoch über dem Rhein ein. Dadurch hatte er als Gastgeber automatisch die Fäden in der Hand. Und entgegen seiner sonst durchaus knauserigen Art zeigte sich der „Fuchs“ - wie er aufgrund seiner schlitzohrigen Raffinesse oft genannt wurde - dieses eine Mal überaus spendabel: „Überwältigender Eindruck für uns ausgehungerte Großstädter war ein Buffet von einer Reichhaltigkeit, wie ich es auf Privatkosten Adenauers weder vorher noch nachher jemals erlebt habe“, berichtete einer der Geladenen, der spätere bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß (CSU). Dazu gab es an diesem schwül-heißen Sommertag „Weine, wie ich sie in meinem ganzen Leben noch nicht getrunken hatte“.

Das Haus Konrad Adenauers in Rhöndorf.

Foto: dpa/Oliver Berg

Der spendable Gastgeber schlägt sich selbst vor

Anschließend, als alle etwas müde und gesättigt in den Sesseln hingen, eröffnete ihnen Adenauer, „aus Parteikreisen“ sei der Wunsch an ihn herangetragen worden, sich als Kanzler zur Verfügung zu stellen. Welche Parteikreise das gewesen sein sollten, blieb sein Geheimnis, doch ehe man darüber nachdenken konnte, erklärte er auch schon, dass er bereits seinen Arzt konsultiert habe und ja: Für zwei, drei Jahre könne er das wohl machen. Da blieb den Gästen kaum noch etwas anderes übrig, als Beifall zu klatschen. Adenauers spätere Bekundung, von der Nominierung „überrascht“ gewesen zu sein, wurde ihm von niemandem abgenommen.

Sein Enkel und Patensohn, der ebenfalls Konrad Adenauer heißt und heute 79 Jahre alt ist, weiß zu berichten, dass sein Großvater damals die ganze Familie einspannte, um die rund 20 Gäste in Rhöndorf zu bewirten. „Die mussten dann in Wohnzimmer und Esszimmer untergebracht werden, das ist ja alles nicht sehr groß“, erzählt er der Deutschen Presse-Agentur. „Tja, und so wurde da dann alles beschlossen, und damit ging's los.“

Bundeskanzler Konrad Adenauer sitzt 1959 in seinem Arbeitszimmer im Palais Schaumburg in Bonn.

Foto: dpa/Kurt Rohwedder

Adenauer setzte sich auch damit durch, eine Koalition mit der FDP einzugehen und keine Große Koalition mit der SPD, wie sie von großen Teilen der CDU bevorzugt worden wäre. Am 15. September (Sonntag vor 75 Jahren) wurde er schließlich denkbar knapp mit nur einer Stimme Mehrheit - seiner eigenen - zum Kanzler gewählt. Parteifreunde wollen von ihm im Moment nach dem Verlesen des Ergebnisses den kölschen Stoßseufzer „Et hätt noch immer jot jejange“ vernommen haben - wird schon gutgehen.

Der Enkel Konrad Adenauers erinnert sich noch gut an den „Alten“

Dass er sich quasi selbst ins Amt gewählt habe, wurde ihm danach immer wieder vorgehalten. „Ich finde das selbstverständlich“, verteidigt ihn heute sein Enkel. „Wenn man nicht selbst hinter sich steht, wieso sollten das dann die anderen tun?“ Absolute Entschlossenheit und auch Wille zur Macht seien ganz wesentliche Kennzeichen des „Alten“ gewesen, der in seinen letzten Lebensjahren im Familienkreis noch oft über Politik geplaudert habe, „meist gut gelaunt und auch humorvoll, in einem ironischen Ton“.

Heute ist der Schauplatz der legendären „Rhöndorfer Konferenz“ frei zugänglich: Das Wohnhaus Adenauers - bis ins kleinste Detail unverändert - ist seit langem ein Museum.

© dpa-infocom, dpa:240913-930-231239/1

(dpa)