Strahlende Ikone aus San Francisco 80 Jahre Golden Gate Bridge

San Francisco · Die Golden Gate Bridge ist nach heutigen Standards keine besondere Brücke. Und doch fasziniert das nun 80 Jahre alte Baumeisterwerk noch in der Gegenwart.

 Die Nordseite der Golden Gate Bridge. Im Hintergrund leuchtet San Francisco.

Die Nordseite der Golden Gate Bridge. Im Hintergrund leuchtet San Francisco.

Foto: Getty Images

Du musstest schnell und stark sein. Du musstest klettern wie ein Affe, beweglich sein wie eine Katze, durftest vor nichts Angst haben, musstest hart arbeiten, heftig trinken und richtig hinter den Frauen her sein.“ – Ein Arbeitsplatz als Bauarbeiter an der Golden Gate Bridge zählte in den 30er Jahren zu den härtesten Jobs der Welt (von den Frauen einmal abgesehen). Denn so schön das Zitat von Stahlarbeiter Al Zappa auch die Zustände beschreibt, so unerbittlich war die Realität.

Der Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise war gerade überstanden. Während in Deutschland ein Mann namens Adolf Hitler die Macht ergriff, begannen in San Francisco an der liberalen Westküste der Vereinigten Staaten die Arbeiten an einem Bauwerk, das nur wenige Jahre zuvor noch unvorstellbar gewesen war.

Schon zu Zeiten des großen Goldrauschs in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als Städte wie San Francisco ein rasantes Bevölkerungswachstum verzeichneten, war der Wunsch aufgekommen, die Stadt mit einer Brücke über das Golden Gate, das den Pazifik in die Bay Area schleust, mit dem Festland Nordkaliforniens zu verbinden.

Extreme Witterungsbedingungen

Doch erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts schienen technischer Fortschritt und die Pläne des streitlustigen deutschstämmigen Ingenieurs Joseph B. Strauss das Vorhaben zumindest theoretisch möglich zu machen. Schließlich galt es rund zwei Kilometer Distanz über 100 Meter tiefes, von extremen Strömungen geleitetes Wasser zu überwinden. Und dies bei extremen Witterungsbedingungen mit starken Winden und dichtem Nebel.

Erschwerend hinzu kam, dass die Brücke nur 15 Kilometer entfernt vom Epizentrum des Erdbebens von 1906 erbaut werden sollte, bei dem San Francisco verwüstet wurde und tagelang lichterloh brannte. Die Stadt lag am Boden.

„Das Erdbeben war die Chance, etwas zu tun, das eigentlich unmöglich war. Und das kann San Francisco am besten“, sagte die einstige Brückenmanagerin Celia Kupersmith. Der aufkommende Massenverkehr durch das Auto erhöhte die Dringlichkeit des Brückenbaus, denn das Gebiet der North Bay war nur durch zwar regen, aber von Natur aus trägen Fährverkehr zu erreichen.

Nach jahrelangem Rechtsstreit mit den Fährbetreibern, die ihr Geschäftsmodell in Gefahr sahen, gab es ausgerechnet im Jahr des Börsencrashs – 1929 – grünes Licht für den Bau. Strauss' Kostenplan sah 35 Millionen Dollar vor (das wären heute inflationsbereinigt laut Google 629 Millionen Dollar). Eine gewaltige Summe. Doch die Menschen in der Bay-Area glaubten an die Idee und bürgten für die kompletten Baukosten, die die Stadt über Anleihen finanzierte.

Architektonische Schönheit und große Ingenieurskunst

Viele Menschen kamen in Lohn und Brot durch die Baustelle. Unter der Brücke kampierten Arbeitslose in der makabren Hoffnung, aufrücken zu können, falls sich einer der Arbeiter verletzte oder gar von der Brücke stürzte. Ihnen war sicher nicht bewusst, dass dort gerade ein modernes Weltwunder entstand, das architektonische Schönheit mit großer Ingenieurskunst vereinte.

Die beiden Kabel, die mit einem Durchmesser von einem knappen Meter über die 227 Meter hohen Pylone verlaufen, tragen maßgeblich das Gewicht der an den vertikal verlaufenden Hängern befestigten Fahrbahn und enden sowie münden in 55.000 Tonnen schweren Betonsockeln, die rund zwei Kilometer voneinander entfernt liegen.

Erst 27 Jahre nach ihrer Fertigstellung wurde die Golden Gate Bridge als längste Hängebrücke der Welt abgelöst. Nach gut 40 Jahren waren die Baukosten inklusive Zinsen abbezahlt – allein durch Mauteinnahmen. 1985 wurde bereits Fahrzeug Nummer eine Milliarde gezählt, das die Brücke passiert hat. Und die Maut finanziert die Brücke auch heute noch: Mehr als 100 Menschen erhalten ihren Lohn dafür, die Golden Gate Bridge in Stand zu halten. Allerdings sind die Umstände heute im Vergleich komfortabel.

Pro verbauter Million Dollar rechneten die Verantwortlichen in den 30ern noch mit einem Toten. Dass es bei der Golden Gate Bridge nicht so weit kam, lag vor allem daran, dass sehr viel Geld investiert wurde, um ein Fangnetz über die gesamte Brückenbreite und -länge zu spannen, das 19 Arbeitern das Leben rettete.

Tausende Suizide im Laufe der Jahre

Auch Al Zappa gehörte dieser Gruppe an, die als „Halfway to Hell Club“ in die Geschichte einging. Dass doch elf Menschen während der rund viereinhalb Jahre währenden Bauarbeiten starben, lag vor allem an einem Unfall, bei dem zehn Männer samt Podest abstürzten, für das auch das Fangnetz zu schwach war.

Dennoch sterben viele Menschen durch die Brücke: Die Zahl der Suizide, die sich seit der Eröffnung der Brücke am 27. Mai 1937 ereigneten, liegt geschätzt bei rund 1600 Menschen, die bis 2014 die gut 70 Meter in die Tiefe gesprungen sind. Erst nach jahrelangen Diskussionen hat im vergangenen April die Installation von Stahlnetzen begonnen, die Selbstmorde verhindern sollen. Kosten: 200 Millionen Dollar.

Dass nicht noch mehr Menschen ihr Leben verloren, ist einzig der Stabilität der Brücke zu verdanken: Diese sackte im Jahr 1987 in ihrer Mitte zwar drei Meter ab, als die Stadt zum 50. Geburtstag ihres Markenzeichens Fußgänger auf dieses geladen hatte, trug aber keine Schäden davon. Statt 30 000 wie bei der Eröffnung kamen eine Million Menschen – die ein Fest feierten, das auch in einer der größten Katastrophen der Geschichte hätte münden können.

Heute muss auf der Golden Gate Bridge natürlich niemand mehr schnell und stark sein wie einst Al Zappa. Vielleicht aber ein bisschen stolz. Denn während rund 5000 Kilometer östlich die Freiheitsstatue als das Wahrzeichen Amerikas seit der Trump'schen Präsidentschaft eher eine tragische Note bekommen hat, strahlt die zweite große Nationalikone der USA wie eh und je unter der kalifornischen Sonne (oder durch den typischen Nebel).

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