Wegen fahrlässiger Tötung Acht Jahre nach Archiv-Einsturz in Köln: Anklage

Köln · Die Kölner Staatsanwaltschaft hat nach langem Warten Anklage wegen des Archiveinsturzes im Jahr 2009 erhoben. Ihre Anklageschrift zeichnet ein verheerendes Bild: Demnach wurde ein fataler Fehler bewusst ignoriert, die Kontrolleure versagten.

 Ein Hinweisschild steht an der Einsturzstelle des Stadtarchivs.

Ein Hinweisschild steht an der Einsturzstelle des Stadtarchivs.

Foto: Oliver Berg

Acht Jahre nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs hat die Staatsanwaltschaft Anklage wegen fahrlässiger Tötung und Baugefährdung erhoben. Die Anklage richtet sich gegen sieben Personen, die am Ausbau der U-Bahn beteiligt waren.

Es gehe um zwei Beschäftigte der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) und um fünf Mitarbeiter der beteiligten Baufirmen, sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Die Anklage lautet auf fahrlässige Tötung und Baugefährdung.

Das größte deutsche Kommunalarchiv war am 3. März 2009 eingestürzt. Zwei Anwohner starben, der Schaden belief sich auf mehr als eine Milliarde Euro. Von Anfang an war vermutet worden, dass unterirdische Bauarbeiten den Einsturz ausgelöst haben könnten.

Die Staatsanwaltschaft wirft zwei der Angeklagten vor, 2005 beim Ausschachten auf ein Hindernis gestoßen zu sein, das sie nicht beseitigen konnten. Sie hätten dies jedoch nicht gemeldet, sondern den Aushub einfach fortgesetzt. Im Schatten des nicht beseitigten Hindernisses sei dadurch eine Erdplombe entstanden, ein Loch in der Wand der unterirdischen Baustelle. Diese Erdplombe habe am 3. März 2009 schlagartig nachgegeben, wodurch binnen kürzester Zeit große Mengen Sand, Kies und Wasser ins Innere der Baugrube abgeflossen seien. Dadurch wurde dem Stadtarchiv nach Darstellung der Staatsanwaltschaft buchstäblich der Boden entzogen, so dass es samt benachbarten Gebäuden zusammenbrach.

Staatsanwaltschaft sieht Verantwortliche bei der KVB und bei den Baufirmen

Bei den fünf anderen Angeklagten handelt es sich um "Personen mit Prüfungs- und Überwachungsaufgaben". Sie sollen die Herstellung der unterirdischen Wände nicht mit der gebotenen Sorgfalt kontrolliert haben. Den Verstoß beim Ausbaggern hätten sie dadurch gar nicht bemerkt, auf "markante Auffälligkeiten im Fugenverlauf" nicht reagiert.

Markus Lempa, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft ARGE, in der die Baufirmen organisiert sind, teilte mit, es bleibe abzuwarten, ob das Landgericht Köln der Staatsanwaltschaft folgen werde. Die Untersuchungen am Unglücksort seien noch nicht abgeschlossen.

Am 2. März 2019 endet die Verjährung

Die Staatsanwaltschaft steht unter großem Zeitdruck. Am 2. März 2019 endet die Zehnjahresfrist für den Fall. Sollte es bis dahin kein erstinstanzliches Urteil geben, wäre die juristische Schuld für den Einsturz verjährt. Falls die nun erhobene Anklage zugelassen wird, könnte der Prozess nach Einschätzung aus Justizkreisen Ende dieses Jahres beginnen.

Immer wieder musste sich die Staatsanwaltschaft in den vergangenen Jahren fragen lassen, warum ihre Anklage denn so lange auf sich warten lasse. Ihre Antwort: Die Aufklärung der Unglücksursache sei hochkompliziert. Bevor überhaupt mit den Untersuchungen begonnen werden konnte, mussten zunächst die verschütteten Archivalien aus dem Loch geholt werden. 30 Regalkilometer Dokumente lagen - durchnässt und teils in kleine Stückchen zerfetzt - irgendwo in der Grube. Am Ende gelang es, 95 Prozent der Bestände zu bergen. Vor einigen Wochen wurde an anderer Stelle der Grundstein für einen Neubau des Stadtarchivs gelegt, 2020 soll es fertig sein.

1,2 Milliarden Euro Schaden

Erst als alle Archivalien aus der Grube geborgen waren, wurde mit Millionenaufwand ein Besichtigungsschacht in das Loch gebaut, um die Wände zu stabilisieren. Immer wieder gab es Verzögerungen. Erst 2014 konnten Spezialtaucher und andere Experten anfangen, die teils im Grundwasser stehenden Tunnelwände zentimeterweise zu inspizieren.

Die Stadtverwaltung beziffert den durch den Einsturz entstandenen Schaden auf 1,2 Milliarden Euro. Wer dafür haften muss, wird in einem Zivilprozess entschieden - zu erwarten ist ein Gutachterstreit durch mehrere Instanzen. Neben der Staatsanwaltschaft haben auch das Landgericht und die Arbeitsgemeinschaft der Baufirmen Gutachter beauftragt. Ein möglicher Anspruch verjährt nach 30 Jahren.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort