Lokales Artensterben Artenvielfalt in Bonn und der Region schwindet

Bonn · Zahlreiche Tier- und Pflanzenarten sind in Bonn und der Region bereits verschwunden. Wie es den restlichen ergeht, hängt von vielen Faktoren ab - nicht alle von ihnen sind berechenbar.

 Der Wiesenknopf-Ameisenbläuling gehört zu den stark gefährdeten Arten.

Der Wiesenknopf-Ameisenbläuling gehört zu den stark gefährdeten Arten.

Foto: Schmutzler-Schaub/Christine Schmutzler-Schaub

Auf der Erde gibt es ein rapides Artensterben. Immer mehr Tiere und Pflanzen gelten als gefährdet, täglich verschwinden laut Naturschutzbund Deutschland (Nabu) etwa 150 Arten weltweit endgültig. Doch nicht nur rund um den Globus, sondern in der Region lässt sich diese Entwicklung ebenso beobachten.

In den vergangenen drei Jahrzehnten ist die Hälfte der dokumentierten Säugetierarten um Bonn und den Rhein-Sieg-Kreis verschwunden. Von den seltenen Pflanzen des Kottenforstes etwa hat es laut einer Studie des Nees-Instituts für Biodiversität der Pflanzen an der Universität Bonn in den vergangenen 150 Jahren fast die Hälfte erwischt. Im selben Zeitraum sind in der gesamten Region Bonn und Rhein-Sieg elf Prozent der Pflanzenarten ausgestorben.

Wieso diese Arten verschwinden, hat verschiedenste Gründe, erzählt Jens Mutke vom Nees-Institut. Viel Bebauung in der Region mache schon seit dem 19. Jahrhundert einigen Art das Leben schwer. Ein weiterer Faktor ist die Landwirtschaft, die seit ihrem Beginn vor mehreren tausend Jahren einige artenreiche Strukturen geschaffen hatte, die seit dem 20. Jahrhundert jedoch viele Arten zurückdrängt. Zudem spielt der Klimawandel eine große Rolle.

Trockenlegung von Feuchtgebieten hat Konsequenzen

Unter den lokal ausgestorbenen Pflanzen befinden sich besonders viele, die sich in Sümpfen und auf Feuchtwiesen wohlfühlten. Feuchte Lebensräume wurden jedoch nach und nach trockengelegt, um Raum für Siedlungen und Felder zu schaffen. Pflanzen wie das Schwimmende Froschkraut mussten weichen.

Auch Tiere wie der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling, ein Schmetterling, litten laut dem Umweltministerium Nordrhein-Westfalen unter der Trockenlegung. Der Ameisenbläuling gehört heute zu den stark gefährdeten Arten. Verloren gegangene Feuchtgebiete sind jedoch nicht der einzige Grund für die Dezimierung der Vielfalt, erklärt Jens Mutke: Das klangvolle Sommer-Adonis-Röschen etwa fiel der Äckerbewirtschaftung zum Opfer, im Siebengebirge verdrängten Steinbrüche den Diptam.

Selbst exotisch anmutende Pflanzen wie Orchideen oder der fleischfressende Sonnentau waren einmal an Sieg und Rhein stärker beheimatet. Der Sonnentau hat nun in der Wahner Heide einen letzten Rückzugsort gefunden.

 Verwandschaft des heimischen Sonnentaus: Der Mittlere Sonnentau im Palmengarten in Frankfurt.

Verwandschaft des heimischen Sonnentaus: Der Mittlere Sonnentau im Palmengarten in Frankfurt.

Foto: picture-alliance/ dpa/Arne Dedert

Die einst verbreitete - und ungefährliche - Ringelnatter konnte laut dem Umweltministerium NRW im Kottenforst überleben, nachdem ihre ehemalige Heimat bebaut und beackert wurde. Die Schlange gilt nun als besonders geschützt.

Ein weiteres Problem: Wanderungskorridore, also Verbindungen zwischen noch geeigneten Lebensräumen, werden weniger. „Der nach wie vor hohe Flächenverbrauch für Siedlung und Verkehr ist ein großes Problem – in einem Land mit seit Jahrzehnten stagnierender Bevölkerungsdichte“, sagt Mutke.

Auswirkungen des Klimawandels sind schwer vorherzusagen

Zu den Belastungen für die Flora und Fauna in der Region kommt ein weiterer, noch schwer berechenbarer Faktor: der Klimawandel. Besonders Hitzeperioden und weniger Regen im Frühjahr haben sich laut dem Experten vom Nees-Institut bisher als problematisch erwiesen.

Arten wie die Heilpflanze Arnika, die sich in kühlerem Klima zu Hause fühlt, werden seltener. Bäume leiden unter der Trockenheit und entwickeln neben Wassermangel sogenannten Trockenstress, der sie anfälliger für Schädlinge und Krankheiten macht. Viele Fichtenbestände seien bereits abgestorben. Aber auch robustere Bäume haben Schwierigkeiten, wie der Waldzustandsbericht des Landes NRW deutlich macht. Besonders im Kottenforst, der unter den Rekordtemperaturen von 2018 und 2019 litt, sind die Konsequenzen der Trockenheit deutlich zu sehen.

Drastische Klimaveränderungen in der Region

Laut einer noch nicht veröffentlichten Studie des Nees-Instituts ist ein noch stärkerer Wandel in Sicht: Sie prognostiziert für die Region in schon 30 Jahren ein Klima wie heute im Süden Frankreichs oder im Norden Spaniens. Eine so deutliche Änderung des Klimas werde zwangsläufig eine Änderung der Vegetation mit sich bringen, meint Jens Mutke. Wie genau diese Veränderung letztendlich aussehen wird, ist jedoch nicht sicher.

Einige wenige Gewinner dieser Veränderung sind laut Mutke immergrüne Pflanzen wie Eibe oder Stechpalme, die sich in unseren Wäldern vermehrt ansiedeln. Auch Tiere wie der wärmebedürftige Segelfalter, der in Nordrhein-Westfalen als ausgestorben gilt, könnten laut dem Umweltministerium NRW zurückkehren. Damit auch andere wärmeliebende heimische Arten ihren Weg zu uns finden können, bleiben grüne Korridore wichtig, sagt Jens Mutke.

Artenvielfalt bleibt ein wichtiges Thema

Die Botanischen Gärten in Bonn tragen durch die Vermehrung und Wiederansiedlung seltener und gefährdeter Pflanzen zum Arterhalt bei. Außerdem sind weitere Maßnahmen immer auch besonders auf die Kooperation der Landwirtschaft angewiesen - und auf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit der Materie auskennen, meint Jens Mutke: „Insgesamt brauchen wir auch in Zukunft mehr Artenkenner - leider für sich genommen auch schon eine eher aussterbende Spezies.“

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