Bundeskunsthalle Bonn Ausstellung: Das Kino in der Weimarer Republik

Bonn · Menschen feiern 20er-Jahre-Partys, im Fernsehen läuft "Babylon Berlin": Das Deutschland der Weimarer Republik ist gerade wieder Teil des Zeitgeistes. Warum das so ist, lässt sich in einer neuen Ausstellung der Bundeskunsthalle erspüren.

 Ein Glücksbringer für Marlene Dietrich: eine chinesische Puppe (Lenci Serie 188A, 1928).

Ein Glücksbringer für Marlene Dietrich: eine chinesische Puppe (Lenci Serie 188A, 1928).

Foto: Rolf Vennenbernd

Es ist mehr als 80 Jahre her, da brachte deutsche Filmkunst einige stolze US-amerikanische Drehbuchautoren und Regisseure in arge Erklärungsnot.

Der legendäre Produzent Irving Thalberg soll in den 30er Jahren seine Leute zusammengetrommelt haben, um ihnen einen Thriller zu zeigen: "M – Eine Stadt sucht einen Mörder" des Regisseurs Fritz Lang. Die Vorhaltung des mächtigen Filmbosses an seine Truppe: Warum macht ihr nicht derart innovative und spannende Streifen wie dieser Fritz Lang?

Es ist nur eine überlieferte Anekdote, aber sie zeigt, zu welcher Blüte es das deutsche Kino zur Zeit der Weimarer Republik zwischen 1918 bis 1933 brachte. Der deutsche Film galt damals als künstlerisch führend, stilbildend und zeitweise sogar als Konkurrenz zu Hollywood. Was heute - ohne Filmschaffenden wie Florian Henckel von Donnersmarck und Til Schweiger zu nahe treten zu wollen - kaum mehr vorstellbar ist, lässt sich in der neuen Ausstellung "Kino der Moderne. Das Kino der Weimarer Republik" in der Bundeskunsthalle in Bonn nachvollziehen.

Die Schau, die aus dem reichen Fundus der Deutschen Kinemathek schöpft, dröselt sehr genau auf, unter welchen Bedingungen und Einflüssen die wohl glorreichste Phase des deutschen Films entstehen konnte. Die Hauptgründe: Man war wahnsinnig nahe am Zeitgeist und gleichzeitig experimentierfreudig. Und man dachte groß. Für den Film "Asphalt" (1929) entstand damals auf 6000 Quadratmetern die Kulisse einer Verkehrskreuzung mit Vorbild Potsdamer Platz. Für einen Bergfilm schraubte man die Kamera direkt auf den Ski. "Das hält mit modernen Actionfilmen absolut mit", sagt Kuratorin Kristina Jaspers.

Vor allem aber wird das deutsche Kino in dieser Zeit zum Spiegel der neuen, aufregenden Gegenwart: Großstadtleben, wissenschaftlicher Fortschritt, neue Frauenbilder, neue Jobs, Vergnügungssucht. Eine neue Gangschaltung wird erfunden und mehr Frauen machen den Führerschein - so erzählt der Film "Achtung! Liebe! Lebensgefahr!" bereits 1929 aus dem Alltag einer Rennfahrerin. Die Vision einer Stadt voller Wolkenkratzer wird in der düsteren Utopie "Metropolis" zur filmischen Realität.

Die Ausstellung zeigt nicht nur viele Filmausschnitte, sondern illustriert diese Welt mit vielen Original-Fotos und Gegenständen - etwa einem frühen Mercedes aus dem Jahr 1924 oder dem Badeanzug von Marlene Dietrich. Auch einigermaßen bizarre Entdeckungen sind darunter. Etwa wenn man zwei Puppen betrachtet, die Dietrich als ihre Glücksbringer ansah und die daher in vielen Filmen auftauchten - einen Chinesen und einen Afrikaner. Heute würden sie keinem Political-Correctness-Test mehr standhalten. Auf einem Foto wiederum ist der Erfinder William H. Richards mit einem Roboter beim Kaffeetrinken zu sehen. "Er benimmt sich wie ein Mensch, geht, setzt sich, ißt und trinkt", so das kühne Technik-Versprechen.

Dass 20er Jahre wieder in Mode sind, unterstrich unlängst die Serie "Babylon Berlin". Wer sie interessant fand, findet in der Bundeskunsthalle nun das noch etwas größere Zeitgemälde vor. Vieles damals Neue, so lernt man, ragt bis in unsere Gegenwart - vom hektischen Stadtleben bis zum Rassismus.

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