Tierschutz in der Schweiz Bergbauer kämpft für Kühe

Perrefitte · Der Schweizer Armin Capaul hat eine Mission: Er will die Hörner der Kühe bewahren. Die werden neun von zehn Jungtieren entfernt. Nun soll das Volk entscheiden.

 Natürlich hat Kuh Nena ihre Hörner. Armin Capaul will es so und nicht anders.

Natürlich hat Kuh Nena ihre Hörner. Armin Capaul will es so und nicht anders.

Foto: Herbermann

Die Kuh Nena hebt den Kopf. Ihre Hörner ragen spitz in die Höhe. Die Wälder und schroffen Felsen des Berner Jura glänzen im Herbstlicht. Neben der 18-jährigen Kuh, Rasse Original Braunvieh, steht Armin Capaul. Der 67-Jährige legt väterlich seine rechte Hand auf Nenas Rücken. „Kommen Sie nur, fassen Sie ein Horn an“, ruft der knorrige Bergbauer. „Nena tut nichts.“

Nenas Horn ist angenehm warm. In dem Horn pulsiert das Blut. Das Leben. „In der ganzen Schweiz hat nur noch eine von zehn Kühen ihre Hörner“, sagt Capaul mit knarziger Stimme und stapft über die ansteigende Wiese zurück zu seinem Bauernhof. Der Hof in der Gemeinde Perrefitte umfasst 17 Hektar Land und Wälder. „Die Bilder in der Werbung, auf denen wir grüne Weiden mit behornten Tieren sehen, gaukeln uns nur etwas vor“, murmelt Capaul. Rund 200 000 Kälber, so lauten die Schätzungen, verlieren in der Eidgenossenschaft pro Jahr ihre zarten Hörner. Sie werden weggebrannt, weggeschnitten. Capaul ist sich sicher: „Trotz der vorgeschriebenen Betäubung ist die Enthornung sehr schmerzhaft, viele Tiere leiden lange darunter.“ Der Eingriff erfolgt mit einem Brennstab, mehrere Hundert Grad heiß.

Jetzt erzählt Capaul von seiner Mission. Diese Mission soll am 25. November in einem Triumph enden. An diesem Tag entscheiden die Eidgenossen über Capauls „Hornkuh-Initiative“. Der Tierfreund hofft bei der Volksabstimmung auf einen klaren Sieg, „aber alle müssen wählen gehen, auch die vielen Schweizer im Ausland“. Capaul will die Schweizer Kuh vor der „Enthornung“ bewahren. „Die Schöpfung hat den Tieren ihre Hörner gegeben. Sie tragen sie mit Stolz und Achtsamkeit“, sagt er.

Der kommende "Nationalheld"

Der Kampf für das Symboltier der Schweiz beschert dem Landwirt enorme Popularität. Immer wieder machen sich Fans und Tierfreunde zu Capauls entlegenem Hof auf, der nur über einen steinigen Pfad durch den dichten Gebirgswald zu erreichen ist. Der „Schweizer Bauer“ berichtete über den „Bergrebell“ ebenso wie die „Neue Zürcher Zeitung“, die in ihm den kommenden „Nationalhelden“ Helvetiens sieht. Das Buch „Kuhhorn“ über Capaul erscheint sogar in Japan.

Capaul und seine Mitstreiter setzen auf ein finanzielles Anreizsystem zum Wohl der Tiere. Der Staat soll die Bauern, die behornte, erwachsene Kühe halten, für ihren Mehraufwand entschädigen. Das gilt auch für Stiere, Ziegen und Ziegenböcke. Die scharfen Hörner der Vierbeiner können gefährlich werden, für ihre Artgenossen und den Menschen. Deshalb brauchen Tiere mit Horn größere, speziell ausgerüstete Stallungen. Diese Einrichtungen kosten mehr Geld. Letztlich käme also der Steuerzahler für das Bewahren der Hörner auf. „Wir wollen kein Verbot der Enthornung“, stellt Capaul klar. „Wir sind gegen Zwang.“

Die Ehefrau des Bauern, Claudia, steht in ihrem sauber geschnittenen Blumen- und Gemüsebeet. Sie stimmt ihrem Armin zu: „Ja, alles muss freiwillig geschehen.“ Kuhglocken bimmeln, ein Hund bellt. Capauls Sohn Donat mistet den Stall aus. „Wissen Sie“, sagt Vater Capaul. „Das Horn der Kuh wächst ein Leben lang, es ist mit dem Verdauungssystem verbunden, dient der Körperpflege und auch der Kommunikation.“ Die Hörner seien die „Antennen“ der Tiere. Capaul spricht mit allen seinen Tieren. Er versteht sie, die acht Kühe, den Stier, die Kälber, die Schafe, die Ziegen, die Hunde und Katzen. „Der Schutz der Tiere ist mir eine Herzensangelegenheit“, sagt er .

Das Schreien der Kälber

Vor elf Jahren sagte sich Capaul: Schluss mit dem Enthornen. Weil Briefe an die Regierung keine Ergebnisse brachten, griff er zum Instrumentarium der Direkten Demokratie. Der Bauer und seine Helfer sammelten 155 000 Unterschriften für das Zustandekommen einer Volksabstimmung, nötig wären 100 000 Unterschriften gewesen. Gut 55 000 Franken steckte Capaul in seine Kampagne. „Ich musste mein Sparbüchli plündern“, erinnert er sich.

Die Regierung lehnt die Capaul-Initiative ab. Landwirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann scheut sich vor allem vor den Mehrausgaben für eine tierschutzgerechte Haltung – von bis zu 30 Millionen Franken pro Jahr ist die Rede. „Das Geld für die Umsetzung müsste andernorts im Landwirtschaftsbudget eingespart werden, was schwierig wäre“, gibt der Minister in einem Interview zu bedenken. Capaul spürt Gegenwind auch von anderen Bauern. Etliche seiner Kollegen bestreiten, dass die Kälber beim Enthornen leiden. „Ja, ich kenne diese Argumente“, sagt Capaul. „Aber glauben Sie mir, ich habe schon so manchen Schmerzensschrei eines Kalbes gehört, als der Brennstab angesetzt wurde.“

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