Flugverkehr in Nordamerika Boeing auch in der Heimat unter Druck

WASHINGTON · Die US-Politik fordert von Flugzeugbauer Boeing in seltener Geschlossenheit eine Aufklärung rund um die beiden Abstürze der Modelle 737 Max 8. Aber es gibt Zweifel an der Unabhängigkeit der Flugbehörde.

 Eine Boeing 737 Max 8 von Air Canada.

Eine Boeing 737 Max 8 von Air Canada.

Foto: AP

Der Flugzeugbauer Boeing gerät auch im eigenen Land unter Druck. Nachdem Europäer, Chinesen und zuletzt auch Kanada Flüge der Boeing 737 Max 8 verboten haben, mehren sich die Stimmen, die fordern, die Maschinen auch in den USA vorläufig nicht mehr starten zu lassen.

Wenn man nicht innehalte, sei das nächste Unglück bereits programmiert, warnt Richard Blumenthal, ein Demokrat, der den Neuengland-Staat Connecticut im Senat vertritt. Nach den Abstürzen in Äthiopien und zuvor in Indonesien gebe es allen Grund, besorgt, ja, alarmiert zu sein. Er jedenfalls, so der Senator, würde keinem aus seiner Familie raten, an Bord einer 737 Max zu gehen, solange die Zweifel nicht restlos ausgeräumt seien. Ähnlich sehen es Republikaner wie Ted Cruz oder Mitt Romney, die ihrerseits parlamentarische Anhörungen verlangen, um der Sache auf den Grund zu gehen. Es ist einer der seltenen Fälle, in denen sich Politiker beider großer Parteien praktisch einig sind.

Die Federal Aviation Administration (FAA), die amerikanische Luftfahrtbehörde, sieht dagegen keine Veranlassung für ein Verbot. Die Überprüfung aller verfügbaren Daten habe keine „systemischen Leistungsprobleme“ bei dem Flugzeugtyp ergeben. Es gebe keine Grundlage, um ihn aus dem Verkehr zu ziehen. In den Vereinigten Staaten sind es zwei Fluglinien, die die Boeing 737 Max 8 in ihre Flotte aufgenommen haben: Southwest Airlines hat 34 Maschinen gekauft, American Airlines 24. Beide erklärten, nach wie vor volles Vertrauen in den Jet zu haben. An der allgemeinen Verunsicherung ändert es freilich nichts, zumal bekannt wurde, dass Piloten in mindestens fünf Fällen bereits vor Monaten auf Probleme mit der Software hingewiesen hatten.

Übereinstimmend berichteten sie der Raumfahrtbehörde Nasa, die unabhängig von der FAA Flugdaten sammelt, dass sich die Nase ihres Flugzeugs kurz nach dem Start plötzlich nach unten richtete. Einmal, gab ein Kapitän zu Protokoll, sei dies zwei bis drei Sekunden nach dem Einschalten des Autopiloten geschehen. Er habe den Autopiloten abgeschaltet, worauf die Maschine ihren Aufstieg normal fortgesetzt habe.

Indem die FAA den Eindruck erweckt, als gehe sie allzu routiniert über Einwände hinweg, ist sie gerade dabei, ihren guten Ruf zu verspielen. So jedenfalls sieht es Mary Schiavo, einst Generalinspekteurin im Verkehrsministerium, heute Rechtsanwältin. Man könne ein Flugzeugmodell einfach nicht als sicher einstufen, wenn gerade zwei Maschinen dieses Modells vom Himmel gefallen seien, rügt sie. „Und wenn Sie die Gründe nicht kennen, dann spielen Sie mit dem Leben von Passagieren, wenn Sie darauf bauen, dass es nicht noch einmal passiert.“

In puncto Flugsicherheit sehen sich die USA als Nummer eins in der Welt. Auch in der jetzigen Debatte mangelt es nicht an Stimmen, die betonen, wie sicher das Fliegen ist. Das letzte große Unglück ereignete sich 2009 in der Nähe von Buffalo, wo 50 Menschen ums Leben kamen. Nun aber sieht es so aus, als gehe es einer Behörde, die lange Zeit über jeden Kungelverdacht erhaben war, vor allem darum, den Boeing-Konzern zu entlasten.

Tatsächlich ist sie eng mit ihm verbandelt. Hatte sie sich bis 2005 noch auf unabhängige Fachleute verlassen, um Sicherheitszeugnisse auszustellen, so stützt sie sich heute ganz wesentlich auf die Kapazitäten des Herstellers. Berichten amerikanischer Medien zufolge arbeiten Boeing-Ingenieure Tür an Tür mit den FAA-Prüfern, bisweilen übernehmen sie auch deren Aufgaben. Das Verfahren soll Zeit sparen und die von Personalnot geplagte Dienststelle entlasten. Nun gerät es genauso in die Kritik wie die sinnbildliche Drehtür, durch die Firmenmanager in die Politik wechseln und irgendwann wieder zurück.

Patrick Shanahan, der amtierende Verteidigungsminister, arbeitete 31 Jahre für Boeing, bevor er ins Pentagon berufen wurde. Als die Feiern zur Amtseinführung Donald Trumps durch Spenden zu finanzieren waren, ließ Konzernchef Dennis Muilenburg eine Million Dollar überweisen. Am Dienstag, schreibt die „New York Times“, griff er zum Hörer, um den Präsidenten zu beruhigen. Der hatte sich via Twitter mokiert über Flugzeuge, die „viel zu kompliziert“ seien, als dass man sie noch fliegen könnte. Piloten würden nicht länger gebraucht, umso mehr Computerwissenschaftler, stichelte Trump. „Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich will nicht, dass Albert Einstein mein Pilot ist.“ Ein Machtwort hat er bislang nicht gesprochen.

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