Forschung mit Vierbeinern Können Hunde der Bundeswehr Corona riechen?

Ulmen/Hannover · Die Bundeswehr bildet Sprengstoff- und Minenspürhunde aus. Die vierbeinigen Freunde der Menschen können aber auch Krebs bei ihnen riechen - und sogar eine Coranavirus-Infektion? Die Bundeswehr in der Vulkaneifel und die Tierärztliche Hochschule Hannover erproben dies.

 Aktuell erhält Donnie seine dritte Ausbildung zum Corona-Spürhund.

Aktuell erhält Donnie seine dritte Ausbildung zum Corona-Spürhund.

Foto: dpa/Roland Alpers

Auf Befehl läuft Donnie in der Halle los. Der belgische Schäferhund schnüffelt alles ab, was ihm vor die Nase kommt. Schließlich steckt er sie in eine Öffnung mit einer Geruchsprobe und verharrt sekundenlang. Dafür bekommt er eine Belohnung, einen gelben Spielball. So schildert die Bundeswehr eine Szene in ihrer deutschlandweit einzigen Diensthundeschule bei Ulmen in der Vulkaneifel. Donnie ist Teilnehmer eines Forschungsprojekts in Zusammenarbeit mit der Stiftung Tierärztliche Hochschule (TiHo) Hannover. Dieses soll zeigen, ob die Diensthunde der Bundeswehr eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus am Geruch von Speichelproben erkennen können.

Spürhunde können an der molekularen Zusammensetzung eines Geruchs nicht nur Sprengstoffe oder Drogen wahrnehmen, sondern auch verschiedene Krebserkrankungen und die drohende Unterzuckerung von Diabetikern riechen - so ist die Idee für das Projekt entstanden.

Der dreijährige Donnie ist einer von zehn Hunden der Bundeswehr, die das Aufspüren einer Coronavirus-Infektion lernen sollen. Ausgebildet werden dazu Schäferhunde, Spaniel und Retriever, wie die abgelegene Diensthundeschule mitteilt. Die Vierbeiner sind vielseitig: Donnie ist zum Beispiel schon ausgebildeter Schutzdienst- und Sprengstoffspürhund.

„Mit einer Trefferquote von derzeit etwa 80 Prozent sind die Forscher in Ulmen auf dem besten Weg, das Projekt erfolgreich weiterzuführen“, erklärt die mitten im Wald liegende Diensthundeschule. In wenigen Wochen sollen belastbare Ergebnisse vorliegen, ob die tierischen Kameraden wirklich eine Infektion erschnüffeln können. Projektleiterin und Oberstabsveterinär Esther Schalke schätzt das „ideale Zusammenspiel von Wissenschaft und praktischer Anwendung“.

Auch in Großbritannien, Finnland und Frankreich befassen sich Experten mit diesem Thema. TiHo-Doktorandin Paula Jendrny erläutert: „Im Gegensatz zu den europäischen Kollegen nutzen wir den Speichel von infizierten Personen, in dem zunächst die Viren chemisch inaktiviert, also unschädlich gemacht werden.“ Speichelproben hätten „den Vorteil der schnellen und ortsunabhängigen Verfügbarkeit, wenn viele Menschen getestet werden sollen“.

Nach einem erfolgreichen Abschluss der Versuchsreihe mit inaktiven Viren käme die nächste noch höhere Hürde: Klappt das auch mit aktiven Coronaviren in menschlichem Speichel? „Das muss dann unter ganz anderen Bedingungen stattfinden, schließlich müssen wir sicher sein, dass sich niemand an den hochinfektiösen Proben anstecken kann“, betont Jendrny.

Es ist also noch ein langer Weg, bis Vierbeiner der Bundeswehr vollständig als Corona-Spürhunde einsatzfähig sein könnten. Dann wird laut der Diensthundeschule „eine Diskussion nötig sein, in welchen zivilen und militärischen Bereichen diese Hunde ihren Dienst verrichten sollen“.

Am 18. Juni hat sich auch der Inspekteur der Streitkräftebasis, Generalleutnant Martin Schelleis, in der besonderen Dienststelle in der Eifel über das Projekt informiert: „Ich bin sehr beeindruckt, auch von der zivil-militärischen Zusammenarbeit, und kann diese Forschung nur absolut unterstützen.“ Vieles deute auf ein Erfolg hin.

Andere Aufgaben haben die bellenden Helfer schon seit Jahrzehnten: Die Streitkräfte setzen sie als Schutz-, Sprengstoff-, Rauschgift-, Minen- oder Kampfmittelspürhunde ein - auch im Ausland, etwa in Afghanistan und Mali. In der Ausbildung in der Eifel haben Soldaten beispielsweise mit einem Laserpointer einen grünen Punkt an einer Wand tänzeln lassen, um zu trainieren, Hunde auf Abstand zu führen, etwa zu einem verdächtigen Fahrzeug. Das soll das Risiko für die Soldaten bei einer Sprengstofffalle verringern.

Laut Hauptmann Daniel Remus von der Diensthundeschule hat die Bundeswehr rund 300 Vierbeiner weltweit im Einsatz. Diese können auf Befehl zupacken. Und sie haben eine viel feinere Nase als ihre Spezialhundeführer, bei denen sie Tag und Nacht leben, wie etwa der mögliche Corona-Spürhund Donnie bei Oberfeldwebel Miguel Acosta.

Auch vierbeinige Sozialarbeiter hat die Bundeswehr in Ulmen schon ausgebildet - sie helfen Soldaten mit Existenzsorgen, Offizieren mit Eheproblemen und Angehörigen getöteter Kameraden. „Sie müssen einfach nur da sein, damit lösen sie schon etwas aus“, sagt Remus.

Bei einer weiteren Spezialausbildung haben sich Vierbeiner zu Therapiebegleithunden gemausert für Soldaten, die mit einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) aus Auslandseinsätzen zurückkehren, zum Beispiel nach dem Anblick von Terroropfern oder einer Explosion. „Diese Hunde haben bei dem einen oder anderen seelisch verletzten Kameraden wieder die Tür zum Leben aufgestoßen“, hat die Diensthundeschule einst mitgeteilt.

1958 wurde sie in Koblenz-Bubenheim gegründet - und 1997 wegen Platzmangels in ein ehemaliges Munitionsdepot der Bundeswehr in die Eifel bei Ulmen verlegt. Dort verteilen sich 51 Bunker mit schweren Stahlschiebetoren auf 68 Hektar Wald. Innen drin haben Soldaten Szenarien zum Trainieren der Hunde nachgebaut, etwa Gleisanlagen, Lagerräume, Kanalsysteme, einen Markt- und einen Schrottplatz, Wohnungen und zerstörte Häuser.

(dpa)
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