Influenza und Covid-19 im Vergleich Warum beim Coronavirus die aktuellen Maßnahmen ergriffen werden

Genf · Großveranstaltungen werden abgesagt oder ohne Zuschauer ausgetragen, Schulen werden geschlossen, Menschen in Quarantäne gesteckt: Aktuell werden viele Maßnahmen ergriffen, um das Coronavirus einzudämmen. Warum das getan wird - und bei Grippe mitunter nicht.

 Eine Mitarbeiterin eines Krankenhauses hat zum Start einer "Drive-In"-Teststation an einem Container Teströhrchen in der Hand.

Eine Mitarbeiterin eines Krankenhauses hat zum Start einer "Drive-In"-Teststation an einem Container Teströhrchen in der Hand.

Foto: dpa/Marijan Murat

Bei der Diskussion um Maßnahmen gegen eine Covid-19-Pandemie wird oft die Grippe zum Vergleich herangezogen, an der allein in Deutschland in dieser Saison nach Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) bereits mehr als 200 Menschen gestorben sind. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nennt nun wichtige Gemeinsamkeiten und Unterschiede:

Ähnlich ist demnach die Ausprägung der Infektionskrankheiten. Beide sind von einem Virus verursachte Atemwegserkrankungen, deren Verlauf sehr unterschiedlich sein kann - von symptomlos oder mild bis hin zu sehr schwer, mitunter gar tödlich. Beide Erreger werden vorwiegend über Tröpfchen etwa beim Sprechen oder Husten oder auch direkten Kontakt übertragen. Darum greifen bei beiden auch die gleichen Vorsichtsmaßnahmen: gute Handhygiene, in den Ellbogen oder ein Taschentuch husten, Kontakt zu Infizierten vermeiden.

Unterschiede bei der Ausbreitungsgeschwindigkeit

Unterschiede gibt es laut WHO bei der Ausbreitungsgeschwindigkeit: Influenza habe eine kürzere Inkubationszeit zwischen Ansteckung und der Ausbildung erster Symptome, zudem erfolgten die Ansteckungen in den Infektionsketten rascher aufeinander. Bei Covid-19 liege dieses Intervall bei etwa 5 bis 6 Tagen, bei Influenza bei 3 Tagen. Das bedeute, dass sich Influenza rascher verbreiten kann als Covid-19.

Hinzu komme, dass bei Influenza oft schon vor der Ausprägung von Symptomen weitere Menschen angesteckt würden. Bei Covid-19 seien zwar Übertragungen 24 bis 48 Stunden vor dem Auftreten von Symptomen bekannt, sie seien aber nach derzeitigem Kenntnisstand anders als bei der Grippe selten und spielten für die Weiterverbreitung kaum eine Rolle.

Ein weiteres wichtiges Kennzeichen ist die Ansteckungsrate. Das neue Coronavirus Sars-CoV-2 wird nach WHO-Daten von einem Infizierten im Mittel an zwei bis zweieinhalb weitere Menschen weitergegeben - und damit an mehr als bei Influenza. Wegen der unsicheren Datenlage und verschiedenen den Wert beeinflussenden Effekten sei ein Vergleich bei diesem Aspekt aber nur eingeschränkt möglich, heißt es von der WHO.

Dieses Video ist Teil einer Kooperation des WDRs und des General-Anzeigers.

Erhebliche Unterschiede bei Kindern

Erhebliche Unterschiede gibt es im Bezug auf Kinder: „Kinder sind bedeutsame Treiber für die Übertragung von Influenzaviren in der Gemeinschaft“, so die WHO. Für den Covid-19-Erreger zeigten erste Auswertungen, dass Kinder weniger betroffen sind als Erwachsene und nur selten deutliche Symptome entwickeln. Vorläufige Daten lassen demnach zudem annehmen, dass Kinder sich vor allem bei Erwachsenen anstecken - Erwachsene aber umgekehrt kaum bei Kindern.

Schwere bis lebensbedrohliche Verläufe gibt es nach bisherigen Auswertungen bei Covid-19 häufiger als bei der Grippe. Der WHO zufolge ist der Verlauf bei 15 Prozent der Infizierten so schwer, dass eine zusätzliche Versorgung mit Sauerstoff nötig wird. Bei 5 Prozent der Infizierten ist demnach künstliche Beatmung nötig. Auch die Todesrate liegt wohl höher als bei der normalen saisonalen Grippewelle - exakte Angaben lassen sich dazu aber derzeit kaum machen.

Als besonders von schweren Verläufen betroffene Risikogruppen gelten bei Influenza Kinder, Schwangere, Ältere sowie Menschen mit chronischen Krankheiten oder geschwächtem Immunsystem. Bei Covid-19 gehören Kinder und Schwangere nach derzeitigem Wissensstand nicht zu den Risikogruppen.

Ein Grund, warum das Coronavirus problematisch ist, liege darin, dass es dieses neue Virus noch nicht im menschlichen System gab, erklärt Virologe Hendrik Streeck im Gespräch mit dem GA. Es fehle eine teilweise leicht schützende Immunität, die es bei der saisonalen Grippe oder anderen respiratorischen Erregern gibt.

„Die Epidemie zu verlangsamen, rettet Leben“

Zu beachten ist auch der Unterschied bei den Möglichkeiten für Behandlung und Vorsorge. „Zwar gibt es bereits eine Reihe klinischer Tests von Medikamenten in China, und es sind mehr als 20 Impfstoffe gegen Covid-19 in der Entwicklung, bisher aber gibt es keine zugelassenen Impfstoffe oder Therapien für Covid-19“, so die WHO. Bei Influenza hingegen gebe es sowohl schützende Impfungen als auch zugelassene antivirale Medikamente.

WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus appellierte an alle Länder, das Virus mit den bekannten Maßnahmen weiter einzudämmen: mögliche Betroffene aktiv suchen, testen, isolieren, behandeln und jeden anderen, der mit ihnen in Kontakt kam, überwachen. „Die Epidemie zu verlangsamen rettet Leben“, sagte Tedros. „Wir gewinnen dadurch Zeit, uns vorzubereiten und für Forschung und Entwicklung.“

(dpa)
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