Existenzangst und Frust auf den Balearen Das bedeutet die erneute Reisewarnung für Mallorca

Palma de Mallorca · Auf der Baleareninsel Mallorca geht die Existenzangst um. Durch die erneute Reisewarnung vom Auswärtigen Amt stehen Hoteliers und die Gastronomie vor einer ungewissen Zukunft. Ein Überblick.

Existenzangst und Frust auf den Balearen: Das bedeutet die erneute Reisewarnung für Mallorca
Foto: dpa/Clara Margais

Es ist ein Schock für Mallorca und für ganz Spanien: Mit der offiziellen Reisewarnung Berlins für die beliebteste Urlaubsinsel der Deutschen und für das gesamte spanische Festland verschwindet für Spaniens Tourismus die letzte Hoffnung, das Urlaubsjahr 2020 noch retten zu können. Schon Stunden nach Verschärfung der deutschen Reisehinweise hagelte es bei den spanischen Hoteliers Buchungsabsagen aus Deutschland.

„Jetzt können wir die Insel gleich ganz dichtmachen“, sagt die Empfangsdame eines Hotels in der Inselhauptstadt Palma. Erst hatte im Juli die Anordnung Londons, alle britischen Spanienrückkehrer in Quarantäne zu schicken, zu Massenstornierungen aus Großbritannien geführt. Nun bricht den Hoteliers auch noch der deutsche Markt weg. „Schlimmer geht es nicht mehr“, sagt die Rezeptionistin.

Oliver und seine Freundin Sabrina aus Osnabrück sind unterwegs zum Wasser. „Wir sind extra so früh hier, damit der Strand noch ein bisschen leerer ist“, sagte der 27-Jährige. „Wir genießen jetzt noch unseren Urlaub, ändern können wir ja eh nichts mehr“, sagt die 22-jährige Sabrina. Aber ärgerlich sei das schon alles. „Mal schauen, wie das jetzt mit der Rückreise läuft.

Schwerer Schlag für den Tourismus

Wir werden wohl den Test am Flughafen in Anspruch nehmen, und dann halt schauen, was der Arbeitgeber sagt“, meint Oliver. Für den Rest des Urlaubs wollen die beiden jetzt so viel Zeit wie möglich im Hotel verbringen und Menschenmassen möglichst meiden. „Im Hotel ist das Sicherheits- und Hygienekonzept sehr gut, am Strand hält sich nicht jeder an den Abstand“, berichtet Oliver.

Die Deutschen sind die wichtigsten Urlaubskunden auf Mallorca. Sie stellten 2019 gut 40 Prozent der rund zehn Millionen ausländischen Urlauber, die ins Inselparadies kamen. Die zweitstärkste Besuchernation auf der Mittelmeerinsel sind die Briten.

„Dies ist ein schwerer Schlag“, sagt Isabel Vidal, Hotel-Besitzerin an der Playa de Palma, der Hochburg des deutschen Tourismus. „Jetzt werden keine Deutschen mehr kommen“, bedauert Maria Frontera, Präsidentin des mallorquinischen Hotelverbandes. Ohnehin hatte in diesem Corona-Sommer nur rund die Hälfte aller Mallorca-Herbergen geöffnet, weil die Buchungen nach der ersten Viruswelle im Frühjahr nur schleppend gelaufen sind. Nun wollen auch viele jener Hotels, die sich getraut hatten, den Betrieb aufzunehmen, die Türen verrammeln.

Zahl der Infektionen gestiegen

„Wenn die letzten Deutschen weg sind, werden die Rollläden heruntergelassen“, schreibt die Zeitung „Diario de Mallorca“. „Das ist tödlich für die Insel.“ Dies werde dem Tourismus in diesem Jahr den Rest geben. Das Eiland lebt von den Urlaubern, das Feriengeschäft trägt rund ein Drittel zur Wirtschaftsleistung bei.

Bis zuletzt hatten die 850 000 Einwohner auf Mallorca gebetet, dass die Insel von der zweiten Viruswelle, die derzeit durch Spanien rollt, verschont bleiben möge. Diese Hoffnung zerstob, als das Auswärtige Amt in Berlin am Freitagabend verkündete: „Vor nicht notwendigen, touristischen Reisen nach Spanien mit Ausnahme der Kanarischen Inseln wird derzeit aufgrund hoher Infektionszahlen gewarnt.“ Spanienweit betrage die Häufigkeit von Corona-Erkrankungen inzwischen mehr als 50 Fälle pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen, weshalb das Robert Koch-Institut Spanien mit Ausnahme der Kanaren zum Risikogebiet erklärt habe.

Für deutsche Rückkehrer aus den entsprechenden spanischen Urlaubsgebieten besteht nun eine Testpflicht. Und, solange kein negatives Ergebnis vorliegt, auch eine Quarantäneverpflichtung.

Nach Angaben des Deutschen Reiseverbandes befinden sich derzeit rund 30 000 deutsche Pauschalurlauber auf Mallorca. Hinzu komme eine unbekannte Anzahl von Individualreisenden.

Spahn verteidigt Reisewarnung

Einige deutsche Pauschalreiseveranstalter sagten alle Reisen nach Mallorca und aufs spanische Festland ab. Andere stellten den Kunden frei, ob sie den Spanienurlaub antreten wollen oder nicht. Zudem werden Umbuchungen angeboten. Tui offerierte den Kunden, die bereits in den betroffenen Feriengebieten sind, dass sie früher als geplant nach Hause fliegen könnten.

Deutschlands Gesundheitsminister Jens Spahn verteidigte die von der Regierung ausgesprochene Reisewarnung. „Ich weiß, was diese Entscheidung für viele Urlauber, für Reisebüros oder auch für Spanien bedeutet. Aber leider steigen die Infektionszahlen dort stark, zu stark“, sagte der CDU-Politiker der „Bild am Sonntag“. Wer trotz Warnung reise, müsse sich seiner Verantwortung bewusst sein und sich und andere schützen. Partyurlaub auf Mallorca sei derzeit unverantwortlich, sagte Spahn. Wobei die wichtigsten Partytempel auf der Insel ohnehin seit Wochen aus Sicherheitsgründen geschlossen sind.

Laut Spaniens offizieller Virus-Statistik sieht die epidemiologische Lage auf Mallorca und den balearischen Nachbarinseln derzeit tatsächlich ziemlich bedenklich aus: In den letzten sieben Tagen wurden 77 Corona-Infektionen pro 100 000 Einwohner registriert. Das liegt weit über dem Schwellenwert von 50 Fällen, ab dem Berlin über eine Reisewarnung nachdenkt. Zum Vergleich: Auf den Kanarischen Inseln, für die noch keine Warnung gilt, liegt dieser Referenzwert derzeit bei 24 Fällen pro 100 000 Einwohner.

Auf dem spanischen Festland, für das Berlin pauschal eine Warnung aussprach, ist die Lage regional sehr unterschiedlich. Im Norden des Landes wird der Risikowert vielerorts weit überschritten. In den südlichen Urlaubsregionen Valencia (Costa Blanca) oder Andalusien (Costa del Sol) ist die Lage derweil noch, ähnlich wie auf den Kanaren, im grünen Bereich. Für ganz Spanien befindet sich diese Risikozahl derweil mit 58 Fällen pro 100 00 Einwohnern schon im kritischen Bereich. Laut spanischem Gesundheitsministerium kommen derzeit täglich rund 4000 neue Fälle hinzu.

Warum sieht die Lage in Spanien, das schon von der ersten Corona-Welle im Frühjahr stärker getroffen wurde als die meisten Nachbarländer, nun erneut so schlecht aus? Nach Einschätzung spanischer Gesundheitsexperten liegt dies vor allem an den Mängeln des staatlichen Gesundheitssystems, die in den letzten Wochen nicht behoben worden sind.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort