Eichinger-Buch "BE" Der lange Ritt auf der Rasierklinge

Berserker unter Bedenkenträgern, Visionär unter Routiniers - Bernd Eichinger hatte in der Filmbranche einen Ruf wie Donnerhall. Der dürfte nach dem Buch "BE", das Katja Eichinger gut anderthalb Jahre nach dem Tod ihres Mannes vorlegt, kaum schwächer werden.

Bernd Eichinger und seine Frau Katja, aufgenommen im Februar 2010.

Bernd Eichinger und seine Frau Katja, aufgenommen im Februar 2010.

Foto: dpa

"Bernd war nicht Filmemacher von Beruf, er war Filmemacher bis in die letzte Faser seines Körpers", schreibt die ehemalige "Variety"-Journalistin zu Beginn. Und das ist keine wohlklingende Phrase.

Gleich nach der Filmhochschule offeriert ihm die Bavaria die Regie in einer Vorabendserie, doch ihm schwebt nicht Mattscheibe, sondern Leinwand vor. Er rettet Syberbergs ruinöses Größenwahn-Projekt "Karl May", produziert Wim Wenders' "Falsche Bewegung" und Geißendörfers "Perahim - die zweite Chance".

Mit Ende 20 fährt er Porsche und langweilt sich. Wie der bayerische Landarztsohn dann dem neuen Constantin-Besitzer Ludwig "Edelkirsch" Eckes in einem brillanten Brief die desolate Lage des deutschen Films erläutert, wie er als Geschäftsführer einsteigt und dem mit Jodelsex-Filmchen dahinsiechenden Konzern einen unerwarteten Bestseller beschert - all das steht im wohl besten Kapitel des faszinierenden Buchs.

Bei "Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" sieht man schon den ganzen Eichinger: Regisseur Roland Klick schmeißt er raus, ersetzt ihn durch seinen Filmhochschul-Freund Uli Edel und schafft es gegen ärgste Widerstände, David Bowie auftreten zu lassen. Bei Gegenwind tritt dieser Macher einfach das Gaspedal durchs Bodenblech.

Fast jeder Film wird haarscharf am finanziellen Abgrund produziert, bei "Das Boot" und "Die unendliche Geschichte" protestieren Lothar-Günther Buchheim und Michael Ende, dass ihre Romane unerträglich banalisiert worden seien. Doch das Publikum kommt in Strömen.

Mag sein, dass Katja Eichinger Bernds Krieg mit den Kritikern etwas übertreibt, in dem sie vorzugsweise aus Verrissen zitiert. Ihr Mann (der lange eine Pistolenkugel Kaliber 7,65 Millimeter als Glücksbringer mit sich trägt) lebt ohnehin nach dem Motto "Viel Feind, viel Ehr". Und wie er lebt: Die langen Münchner Nächte beginnen im Romagna Antica, bekommen bei Schumann's ihre Wodka-Taufe und in Discos wie dem P1 den feuchtfröhlichen Rest.

Eichinger gefällt sich als Prinz Protz, lässt seine Freundin Barbara Rudnik stets im Mercedes 500 abholen. Frauen gibt es für ihn immer. Berühmte wie Hannelore Elsner, Katja Flint oder Corinna Harfouch, daneben Prostituierte oder namenlose Gelegenheitssex-Partnerinnen. Erst bei Katja, die er 2006 heiratet, kommt er offenbar zur Ruhe.

Beruflich bleibt es beim Ritt auf der Rasierklinge, und seine Witwe nennt den Preis: seelische wie körperliche Zusammenbrüche, dazu die klamme Panik, wenn das Box-Office-Krokodil seinen Rachen aufreißt. Und es geht nicht nur aufwärts: Eichinger scheitert, als er Hollywood erobern will, kehrt aber mit dem stargespickten "Geisterhaus" triumphal zurück.

Es gibt etliche hübsche Anekdoten: die frühe WG mit Peter Sloterdijk (Spitzname: Bärchen), der sich Jahre später fragt, ob Eichinger damals mit seiner Ex gepennt hat. Oder das unmoralische US-Angebot, für eine Million Dollar den Türöffner für "Operation Walküre" zu spielen. Eichinger darf das Skript nicht lesen und lehnt ab.

Viele Kollegen erinnern sich in Interviews an einen treuen Freund, dem Werner Herzog "tief drinnen ein Herz, weich wie ein Butterbatzen" attestiert. Doch als Volker Schlöndorff gegen den noch gar nicht abgedrehten "Baader Meinhof Komplex" giftet, endet Eichingers Antwort mit "Schande über dich."

Glücksspiel lehnt er ab, ist als Geschäftsmann aber Hasardeur: Gegen Leo Kirchs Veto kauft er für unfassbare zehn Millionen Dollar eigenmächtig die Rechte an Patrick Süskinds "Parfüm", was ihn den Constantin-Vorstandsvorsitz kostet. Egal, weiter.

Irgendwann ist es eine Hängepartie, eine Nervenschlacht zu viel. Bernd Eichinger stirbt am 24. Januar 2011 mit 61 Jahren, kurz nach einer letzten Fahrt über den Sunset Boulevard. Was für ein Leben.

Katja Eichinger: BE. Hoffmann und Campe, 576 S., 24,99 Euro. Die Autorin liest am 18. September, 20 Uhr, in der Kölner Zentralbibliothek am Josef-Haubrich-Hof.

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