Die Deutschen lieben die 1980er Jahre

Berlin · Eine Mehrheit lebte, könnte sie wählen, am liebsten in diesem Jahrzehnt. Die eigenen Jugendjahre haben dabei Gewicht

 Reaktorkatastrophe von Tschernobyl nährt 1986 die Angst vor der atomaren Verseuchung.

Reaktorkatastrophe von Tschernobyl nährt 1986 die Angst vor der atomaren Verseuchung.

Foto: DPA

Egal ob Schmidt oder Kohl: Die Bundeskanzler trugen immer den Vornamen Helmut. Und viele große Popstars hießen kurz und knapp - wie Nena, Prince und Falco: Die 1980er Jahre, in denen laut Diego Maradona bei einer Fußball-WM die "Hand Gottes" im Spiel war und dank Boris Becker und Steffi Graf viele Deutsche den Tennissport für sich entdeckten, könnte man als ein ziemlich kurioses Jahrzehnt erzählen. Doch die Jahre 1980 bis '89 waren auch ernst - etwa mit der Angst vor dem Atomtod, der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, dem Waldsterben oder der damals neuen Seuche Aids. Und sie waren natürlich auch weltbewegend mit dem Mauerfall Ende 1989.

Eine Dekade noch ohne Handy und Internet

Kurz vor dem Jahreswechsel hat eine repräsentative YouGov-Umfrage für die Deutsche Presse-Agentur ergeben, dass die Erwachsenen in Deutschland am liebsten in den 1980ern leben würden, wenn sie unter allen Nachkriegsjahrzehnten wählen könnten. Rund ein Viertel (23 Prozent) gibt diese Antwort. Es folgen die 1970er Jahre (18 Prozent), die 1990er und die aktuellen 2010er Jahre (jeweils 13 Prozent). Dann erst kommen die 1960er (neun Prozent), die 2000er/beziehungsweise Nullerjahre (fünf Prozent) sowie die 1950er (vier Prozent). In keinem dieser Jahrzehnte wollen demnach fünf Prozent leben, zehn Prozent antworteten mit "Weiß nicht".

Kulturell und medial waren die 1980er das letzte Jahrzehnt ohne die heute so wichtigen Massenphänomene Handy und Internet. Sie waren geprägt von Kinoerfolgen wie "E.T. - Der Außerirdische" oder "Dirty Dancing". Im Fernsehen feierten US-Serien wie "Dallas" und "Denver-Clan" Erfolge, auch der raubeinige "Tatort"-Kommissar Schimanski und die Ärzteserie "Die Schwarzwaldklinik" waren beliebt. In der Bundesrepublik kam damals auch erst das Privatfernsehen auf.

Ein bisschen Frieden

Ohrwürmer waren "99 Luftballons" von Nena und viele andere Hits der Neuen Deutschen Welle. Nicole gewann 1982 erstmals für die Bundesrepublik den Grand Prix mit "Ein bisschen Frieden", zudem traf 1984 der Endzeit-Song "Forever Young" von Alphaville den Zeitgeist. Weltweite Popstars waren Michael Jackson ("Thriller") und auch damals schon, vor 30 Jahren, Madonna ("Material Girl", "Like A Virgin").

Laut der neuen YouGov-Umfrage wählt knapp ein Drittel (30 Prozent) der Befragten als Jahrzehnt mit der besten Musik die 1980er Jahre aus. Ein Viertel wähnt die beste Musik in den 1970ern. Es folgen die 1960er (15 Prozent), die 1990er (zwölf Prozent) und mit Abstand erst die 1950er Jahre (vier Prozent) sowie die beiden jüngsten Jahrzehnte 2010er und 2000er (jeweils drei Prozent). Unentschieden sind neun Prozent. Bei Betrachtung der Altersklassen zeichnet sich der Trend ab, dass die Befragten oft das Jahrzehnt ihrer eigenen Jugend wählen.

Lange Zeit hatten die 1980er Jahre den Ruf, in der Bundesrepublik eher eine bleierne Zeit unter Dauerkanzler Helmut Kohl (CDU) gewesen zu sein - im Gegensatz zum Nach-68er-Jahrzehnt der 1970er, die demnach von Aufbruch und gesellschaftlichen Experimenten gekennzeichnet waren - aber auch dem RAF-Terror und der sogenannten Ölkrise.

Große Unterhaltung im TV

In dem Bestseller "Generation Golf" aus dem Jahr 2000 beschrieb der Autor Florian Illies die 1980er Jahre nostalgisch als eine heile Kinderwelt, in der Markenklamotten wichtig waren und das "Wetten, dass..?"-Gucken im Kapuzenbademantel eine ultimative TV-Erfahrung ("Niemals wieder hatte man in späteren Jahren solch ein sicheres Gefühl, zu einem bestimmten Zeitpunkt genau das Richtige zu tun").

Inzwischen werden die 1980er Jahre weniger romantisiert aufgearbeitet. In der von der Kritik gefeierten RTL-Reihe "Deutschland 83" mit Jonas Nay als DDR-Spion im Westen sind sie ein Jahrzehnt am Abgrund zum Dritten Weltkrieg. Also gar kein Kinderkram.

Befragt, in welchem Jahrzehnt seit 1950 die Menschen wohl die schönste Jugend hatten, kommen übrigens die 1980er Jahre nicht auf den ersten Platz. Es sind stattdessen die 1970er (Das sagen 25 Prozent). Erst dann folgen die 1980er (22 Prozent), die 1960er (18 Prozent), die 1990er (zwölf Prozent), die 1950er (sechs Prozent) sowie die 2000er und das aktuelle Jahrzehnt (jeweils drei Prozent). Der Rest weiß keine Antwort.

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