Kommentar Die Hoeneß-Affäre und die Folgen - Was ist gerecht?

Am Dienstagabend stand beim Spiel Bayern München gegen den FC Barcelona der Fußball im Mittelpunkt. Und dennoch schwebt über allem weiterhin die Affäre um Uli Hoeneß. Der sprach am Dienstag von einem "schweren Fehler". Das Thema ist hochemotional, für die Menschen relevant.

Es macht sie betroffen. Denn es geht im Kern um Gerechtigkeit, um Fairness, um das Miteinander in einer Gesellschaft. Nun mag man, wie im Fall Hoeneß, die Fronten schnell klären. Der Mann hat widerrechtlich gehandelt, seine Doppelmoral ist abstoßend. Aber, bitte schön, lassen wir trotzdem erst diejenigen ihre Arbeit machen, die solche Fälle aufzuklären haben: Steuerbehörden und Fachleute, die ohne Ansehen der Person vorgehen.

Fernab von den emotionalen, nachvollziehbaren Reaktionen auf den Fall Hoeneß bleiben objektive Tatbestände: Zum einen hat die Bundesregierung Wirkung und Wahrnehmung des geplanten Steuerabkommens mit der Schweiz unterschätzt; es nährte den Generalverdacht, dass man sich freikaufen kann, wenn man nur genug Geld hat. Dieses Vorgehen fällt Schwarz-Gelb nun auf die Füße - noch verstärkt durch die Nähe der CSU zu Uli Hoeneß.

[kein Linktext vorhanden]Zum zweiten zeigt sich, dass die SPD mit ihrem zentralen Wahlkampfthema "Gerechtigkeit" gut unterwegs ist und damit noch reichlich Punkte sammeln wird. Es gibt in unserer Gesellschaft eine gefühlte Gerechtigkeitslücke, die in der Wahrnehmung eher größer als kleiner wird. "Die da oben" bringen ihr Geld in Steuerparadiese, während "wir hier unten" die Dummen sind, die brav ihre Steuern zahlen.

"Die da oben" leisten sich teure Steuerberater, die die Millionen legal und zum Teil illegal am Fiskus vorbeischleusen. Und "wir hier unten" haben diese Möglichkeiten nicht. Diese Gerechtigkeitsdiskussion, deren Übergang zur Sozialneid-Debatte fließend ist, reicht von Vortragshonoraren über Manager-Gehälter bis hin zur Rettung von "systemrelevanten Banken", die von verantwortungslosen Zockern an den Rand des Ruins gebracht und von der Gemeinschaft der ehrlichen Steuerzahler gerettet werden.

Richtig ist, dass es "die Gerechtigkeit" nie geben wird, dass allein schon deren Definition keinen allgemeingültigen Konsens finden wird. Richtig ist aber auch, dass sich Menschen vor allem dann mit ihrem Staat und dem Gemeinwohl identifizieren, wenn sie die Regeln als fair wahrnehmen. Wenn sich die stärker engagieren, die mehr haben - ohne dass man sie allerdings als Kühe abtut, die gemolken werden müssen.

Zum allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden gehören auch die Einfachheit der Regeln und deren Transparenz. Der Fußballsport ist unter anderem deshalb ein weltweites gesellschaftliches Phänomen, weil die Regeln klar und verständlich sind. Das kann man vom deutschen Steuersystem wahrlich nicht behaupten. Vielmehr ist der hiesige Steuer-Irrsinn weltweit legendär, die Versuche, unser Steuersystem verständlich und vor allem einfacher zu machen, sind kläglich gescheitert.

Die Union traut sich nicht mehr, die FDP hat aufgegeben, und Rot-Grün würde im Falle eines Wahlsieges mit dem Bürokratie-Moloch Vermögenssteuer einen weiteren Beitrag zum Irrsinn leisten. Insofern hat die Affäre Hoeneß auch ihr Gutes. Sie fordert Diskussion und Reflexion über Gerechtigkeit in der Gesellschaft. Da besteht noch Nachholbedarf.

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