Der Stolz der Marine Die marode "Gorch Fock" erlebt den schwersten Sturm an Land

Berlin · Was wird aus der "Gorch Fock"? Die Zweifel an einer wirtschaftlich noch vertretbaren Sanierung sind groß. Ein Rechnungshofbericht dokumentiert Schlamperei und das Ausmaß falscher Annahmen über mehr als 20 Jahre.

 Die Gorch Fock läuft aus ihrem Heimathafen Kiel aus.

Die Gorch Fock läuft aus ihrem Heimathafen Kiel aus.

Foto: Carsten Rehder

Für das Segelschulschiff "Gorch Fock", Stolz der Marine, steht es Spitz auf Knopf. Als Rohbau liegt das 1958 gebaute Schiff in einem Dock in Bremerhaven. Mit jedem Schritt der 2016 begonnenen Sanierung sind die Probleme größer geworden, während die Kosten geradezu explodierten.

Der Bundesrechnungshof zieht in einem Prüfbericht, über den zunächst der "Spiegel" berichtete, eine bittere Bilanz der vergangenen 20 Jahren. Der Zustand des Dreimasters war zuletzt sogar gefährlich.

Mit einem Kostenplan von 10 Millionen Euro und 16 Wochen vorgesehener Bauzeit hatte die Elsflether Werft in Niedersachsen die Arbeiten 2016 begonnen. Vor allem die Außenhaut des Schiffes war aber in einem viel schlechteren Zustand als erwartet. Das ganze Traditionsschiff ist so marode, dass es sich inzwischen praktisch um einen Neubau handelt. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen segnete im Januar 2017 eine Kostensteigerung auf 75 Millionen Euro ab, im März 2018 auf 135 Millionen Euro - aufgrund von Empfehlungen ihrer Fachleute in sogenannten Leitungsvorlagen.

Tatsächlich seien die Arbeiten begonnen worden, ohne den Zustand des Schiffes und die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens ausreichend zu prüfen, heißt es in dem vertraulichen Prüfbericht vom 3. Januar. Die letzte vollständige und dokumentierte Untersuchung der "Gorch Fock" gab es demnach im Jahr 1979 - vor knapp 40 Jahren. "Beide Entscheidungen der Bundesministerin zur Fortsetzung der Instandsetzung basierten somit auf falschen oder nicht hinreichend aussagekräftigen Informationen", stellen die Prüfer fest.

Zuletzt war der Betrieb der "Gorch Fock" aus Expertensicht gar eine Gefahr für die Besatzung. Der Havariebeauftragte warnte laut Bericht, dass vom tatsächlichen Zustand des Schiffes über "einen Zeitraum von vielen Jahren eine nicht unerhebliche Gefahr von Schiff und Besatzung ausging".

Es finden sich in dem Bericht Zweifel, ob eine Sanierung der richtige Weg ist. Deutschland hat zwar besondere Anforderungen an ein Segelschulschiff, in der Branche kursierten in der Vergangenheit aber Preise von 80 Millionen Euro für einen Neubau am Beispiel anderer Staaten. Dass ein Neubau heute etwa 170 Millionen Euro kosten könnte, wie bei den Entscheidungen angenommen, wird auch bezweifelt. Ein Argument der Marine war das Tempo: Man müsse die Besatzung einsatzfähig halten. Die "Gorch Fock" wurde zwar einst in nur zehn Monaten gebaut, aber auf Basis älterer Baupläne und mit noch vorhandenen Teilen einer Art Serienproduktion.

In Berlin werden auch Zweifel laut, ob das Projekt "Gorch Fock" für die beauftragte Werft eine Nummer zu groß gewesen sein könnte. Wegen eines Korruptionsverdachts bei der Sanierung ist derzeit sowieso ein Zahlungsstopp angeordnet worden. Grünes Licht wird es nur geben können, wenn Garantien für einen ordnungsgemäßen Weiterbau in dem vereinbarten Rahmen vorgelegt werden. Was wären die Alternativen? Eine Verschrottung der Reste oder ein Umbau zu einem Museumsschiff, was ebenfalls erhebliches Geld kosten wurde. Der alte Segler erlebt gerade seinen vielleicht schwersten Sturm an Land. Wann eine Entscheidung fällt, war unbekannt. Am Mittwoch wollte der Verteidigungsausschuss über das Schiff beraten.

Die Opposition macht Druck: "Es muss jetzt reiner Tisch gemacht werden", fordert die FDP-Verteidigungspolitiker Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die sich als eine der ersten Abgeordneten zu Wort meldete. Binnen vier Wochen erwartet sie konkrete Vorschläge aus dem Verteidigungsministerium, wie es weitergehen soll. Die Verfehlungen müssten auch personelle Konsequenzen bei den Verantwortlichen haben. Matthias Höhn (Linke) wirft dem Verteidigungsministerium und der Marine vor, das Schiff zu einem Millionengrab gemacht und Alternativen nicht geprüft zu haben. Er findet: "Es ist Zeit für ein Ende der "Gorch Fock"."

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