Auf der Spur des Glühweins Die Tradition des Heißgetränks liegt weitgehend im Dunkeln

BRÜSSEL/DRESDEN · Ein richtiger Weihnachtsmarkt ist ohne Glühwein eigentlich nicht denkbar. Da liegt es nahe, dass sich Europas oberster Verbraucherschützer, wie die Brüsseler Kommission sich gerne sieht, auch um den Inhalt in den heißen Tassen gekümmert hat. Ein Blick ins Weinrecht der EU zeigt deshalb klar, was ein echtes Heißgetränk ist und was nicht.

 Zur kalten Jahreszeit ein Genuss: Glühwein ist nicht erst seit den After-Work-Partys auf den Weihnachtsmärkten ein Renner.

Zur kalten Jahreszeit ein Genuss: Glühwein ist nicht erst seit den After-Work-Partys auf den Weihnachtsmärkten ein Renner.

Foto: dpa

Wehe dem, der den Glühwein mit Wasser anreichert und dadurch den Alkoholgehalt senkt, ihn soll der Bannstrahl des Allmächtigen treffen.

Denn richtiger Glühwein darf außer Rot- und/oder Weißwein höchstens Nelken und Zimt enthalten. Der Alkoholgehalt hat zwischen sieben und 14,5 Prozent zu liegen. Und falls ein Prüfer doch beim intensiveren Blick in den Becher Spuren von Wasser finden sollte, dann darf es sich lediglich um Reste jener Zusätze handeln, die zum Süßen verwendet wurden.

Also Flüssigsüße, Traubenmost oder Honig. Gleiches gilt im Übrigen für Fruchtglühweine, die mindestens 5,5 Prozent Alkohol enthalten müssen. Nun ist es ja schon kurios genug, dass sich ausgerechnet die Europäische Kommission um den Mindestgehalt von Alkohol kümmert.

Schließlich betreibt sie ja ansonsten eher eine gegenteilige Propaganda und warnt vor übermäßigem Genuss. Doch beim Glühwein kennt man da keinen Pardon und hat gleich noch ein paar weitere Klärungen für den kundigen Weihnachtsmarktbesucher hinzugefügt.

Dabei kam dann heraus, dass es sich bei Glühwein um einen rechtlich festgelegten Begriff handelt, bei Feuerzangenbowle oder gar Punsch aber nicht. Deshalb dürfen die Verkäufer ihre weinselige Kundschaft auch streng genommen nicht mit Verkaufsschildern wie "Punsch" locken, sondern müssen genauer (am besten exakt) definieren, was sie da alles in den Kessel gekippt haben.

Denn Transparenz gilt eben auch zwischen Christbaum und Wurstbude. Bleiben noch zwei letzte Dinge anzumerken: Erstens darf Glühwein nur bis 78 Grad erhitzt werden, sonst macht sich der Alkohol nämlich dünne. Und zweitens wird, wer diese Weisheiten des europäischen Weinrechtes nicht intus hat, mit bis zu 1000 Euro Strafe belegt.

Man merke also: Echter Glühwein ist nur der, den man auch spürt. Aber woher kommt der Glühwein eigentlich und: Wer hat's erfunden? Die Schweizer waren es nicht, so viel scheint festzustehen. Mindestens eine Spur führt nach Sachsen, zum Raugrafen Wackerbarth. Und der ist sagenumwoben, wie der Referatsleiter im Sächsischen Staatsarchiv, Nils Brübach, zu berichten weiß.

"Es hat immer geheißen, er habe versucht, Gold zu machen, sei ein Alchemist gewesen. Das ist aber falsch. Die einzige Rezeptsammlung, die sich im Nachlass findet, ist eben diese Sammlung von Rezepten zur Verbesserung von Weinen und für Mixgetränke auf Weinbasis."

Der Dresdner Archivar ist fasziniert von August Josef Ludwig von Wackerbarth (1770-1850), der, hochgebildet, sein Wissen der Welt hinterlassen wollte und für Brübach mit seiner aufklärerischen Art in der Mitte des 19. Jahrhunderts wie "aus der Zeit gefallen" scheint. Und Brübach war es auch, der im Nachlass des Grafen auf das Rezept zur Herstellung gewürzten Weines stieß.

Für eine Kanne sieht es vier Loth (ein Loth entspricht knapp 60 Gramm) Zimt, zwei Loth Ingwer, ein Loth Anis, ein Loth Granatapfel, ein Loth Muskatnüsse, ein Loth Kardamom sowie ein Gran (heute rund 60 Milligramm) Safran vor. Das Ganze muss dann nach der Wackerbarthschen Rezeptur noch mit Zucker oder Honig gesüßt und abgeschmeckt werden.

Schloss Wackerbarth ist heute noch immer ein Weingut. Dort ist man froh über das wiedergefundene Rezept vom 11. Dezember 1843. Zwar würden Art und Menge der darin beschriebenen Gewürze kaum mehr den Geschmack der heutigen Zeit treffen, sagt Staatsgut-Sprecherin Ulrike Schröter, "aber es ist das wohl älteste überlieferte Glühweinrezept Mitteldeutschlands."

Doch schon mindestens hundert Jahre zuvor war das Würzen und Süßen von "guten Weinen in kalten Landen" in Sachsen ein Thema. 1747 beschrieb Johann Heinrich Zedler in seinem in Leipzig verlegten Universal-Lexikon - einer Art Wikipedia des 18. Jahrhunderts - wie es geht. "Diese Verbindung von Wein und Gewürzen war etwas Besonderes, etwas sehr Kostbares", erklärt Brübach.

Von dem Begriff Glühwein ist in den alten Schriften aber nirgends die Rede. Gewürzten Wein trank man im Übrigen auch schon zu Zeiten König Gustav Wasas im 16. Jahrhundert am schwedischen Hof. Glögg heißt er heute und wird auch heiß serviert. Ob das schon damals der Fall war, ist nicht eindeutig geklärt.

Unstrittig dagegen Wasas Verbindung nach Sachsen: "Am 24. September 1531 heiratete er nämlich Katharina von Sachsen-Lauenburg, und ich vermute, dass er darüber auch den Würzwein kennenlernte", so Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut. "Gewürzweine wurden vornehmlich von den Adligen und in Königshäusern getrunken."

Übrigens wussten schon die Römer den Würzwein zu schätzen. Ein noch heute bekanntes Rezept stammt vom Feinschmecker Apicius aus dem 1. Jahrhundert vor Christus - einer Zeit also, als naturgegeben mit Weihnachtsmärkten nun wirklich noch niemand etwas am Hut hatte.

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