Sing meinen Song - Das Tauschkonzert Die Zeit war einfach reif

Bonn · Der Erfolg des Fernsehformats "Sing meinen Song - Das Tauschkonzert" verblüfft selbst die Experten. Beim Finale am Dienstag stehen Duette im Mittelpunkt. Die Gesangsshow könnte zudem den Beginn einer neuen Ära für Musik im Fernsehen markieren.

 Sing meinen Song: Kuschelige Runde (Mitte); Christina Stürmer, Andreas Bourani (links) und Yvonne Catterfeld (rechts) im Einsatz

Sing meinen Song: Kuschelige Runde (Mitte); Christina Stürmer, Andreas Bourani (links) und Yvonne Catterfeld (rechts) im Einsatz

Foto: Vox

Bei Daniel Wirtz daheim im Bahnhofsviertel von Frankfurt wurde es kuschelig eng. Fünf der sieben Teilnehmer der aktuellen Staffel von "Sing meinen Song" kamen am 23. Juni vorbei, um sich mit dem bärtigen Sänger die Folge anzuschauen, in der alle ein Wirtz-Lied singen. Auch Produzent Thomas Wißmann war dabei und schwärmt von der Kameradschaft vor wie hinter der Kamera. "Beim Dreh haben wir erlebt, wie gut sich die Künstler verstehen und welche Energie das gemeinsame Abenteuer bei ihnen freisetzt", so der VOX-Mann. "Das kann man auch vor dem Schirm zu Hause spüren."

Auch Konrad von Löhneysen, der als Musikmanager für das Marketing der Tonträger zur Show mitverantwortlich ist, schwelgt in beinahe romantischen Erinnerungen an die Dreharbeiten nahe des südafrikanischen Küstenstädtchens Hermanus. "Wir haben erlebt, wie respektvoll die Künstler miteinander umgegangen sind."

Unabhängig davon, wie lieb sich Yvonne Catterfeld, Die Prinzen, Andreas Bourani, Daniel Wirtz, Hartmut Engler, Christina Stürmer und Gastgeber Xavier Naidoo nun wirklich haben: "Sing meinen Song" ist die große TV-Sensation des Jahres. Die Sendung, in der wöchentlich in beschaulicher Haus-am-Meer-Kulisse viel gequatscht sowie die Lieder eines der beteiligten Künstler einstudiert und von den anderen zum Besten gegeben werden, trifft den Nerv der Musikfreunde. Unter Aufsicht des zurückhaltenden Xavier Naidoo wird hier nicht wie in Casting-Shows gegeneinander, sondern miteinander gesungen.

Die Einschaltquoten der zweiten Staffel übertreffen die der letztjährigen Premiere, wobei man man 2014 teilweise mit der WM konkurrieren musste. Rund zwei Millionen Zuschauer schalten ein, der Marktanteil des kleinen Senders liegt in der relevanten Zielgruppe bei mehr als zehn Prozent. Auch die Künstlerdokus im Anschluss sowie die Sendung "Meylensteine" laufen noch besser als erhofft.

[kein Linktext vorhanden]"Meylensteine" ist eine Art Spin-Off von "Sing meinen Song". Der Sänger Gregor Meyle (36), der in einem alten Bulli Kollegen wie Matthias Reim oder Sarah Connor besucht, um mit ihren zu plaudern, war einer der großen Profiteure der ersten Staffel. Als ehemaliger Stefan-Raab-Castingshow-Zweiter war er schon vergessen, als er 2014 nach Südafrika eingeladen wurde. "Niemand wusste, wie die Sendung einschlagen wird", so Meyle. "Aber was Xavier Naidoo mir erzählte, klang spannend." Vor der Ausstrahlung hatte sich Meyles Album "Meile für Meyle" 3000 Mal verkauft - inzwischen sind es 150.000 Stück. "Ich habe das Gefühl, dass die Zeit einfach reif war für so ein authentisches und seelenvolles Format", sagt Meyle. "Die Musik steht im Mittelpunkt und löst zu Hause auf dem Sofa Emotionen aus." Laut Manager von Löhneysen habe der Zuschauer die Chance "praktisch in Südafrika mit auf der Couch zu sitzen."

Und das wollen offensichtlich viele. Selbst Künstler wie Pur-Frontmann Hartmut Engler, der sonst im Ruf steht, eine schnell beleidigte Diva zu sein, oder Ex-Bohlen-Schützling Yvonne Catterfeld kommen in der Sendung gut weg und können Punkte fürs Image sammeln. Thomas Wißmann: "Weil man sie endlich mal so erlebt, wie sie wirklich sind. Die agieren da abseits ihrer eigenen Shows und abseits von Promo-Auftritten." Dass bei so viel Austausch von Menschlichkeiten kaum eine Folge ohne Tränenvergießen auskommt, sei eben die Konsequenz des Hochemotionalen. Und wohl auch Folge der harten Bedingungen vor Ort mit 16-Stunden-Tagen und entsprechend wenig Schlaf.

Zudem hüpfen die Musiker über ihre Tellerränder. Andreas Gabalier, bei der ersten Staffel dabei, kannte man zwar in der Szene der modernen Volksmusik, ein Mainstream-Star ist der Österreicher erst durch "Sing meinen Song" geworden. Und Christina Stürmer gesteht, dass sie mittlerweile häufiger auf der Straße angesprochen wird.

"Das Format braucht einen gewissen Grad an Hit-Dichte", sagt Produzent Wißmann zur Auswahl der Teilnehmer. "Die Show funktioniert für die TV-Zuschauer besser, wenn ein guter Teil des Song-Repertoires bekannt ist. Zum anderen ist der Genre-Mix wichtig - und die Bereitschaft der Künstler, sich auf diesen Culture Clash einzulassen. Je größer der Spagat, desto spannender sind die neuen Versionen der Songs."

Nur ein Rapper war bis jetzt nicht dabei. Alle hätten gekniffen, so Konrad von Löhneysen. "Der Rapper muss halt auch singen können, und das grenzt das Feld ein." Ansonsten habe man keine Sorge, dass die Kandidaten für künftige Staffeln knapp werden. Erst recht, seitdem die Tonträgerfirmen die Zahlen sehen und versuchen, ihren Schützlingen einen Platz im "Tauschkonzert" zu sichern. Denn verkaufsmäßig geht hier richtig was.

Den gesamten Juni über prägten "Sing meinen Song"-Produkte die Verkaufslisten. Die offizielle CD "Volume 2" schaffte es sofort und wie schon "Volume 1" auf Platz Eins, auch Alben von Christina Stürmer, Pur oder den Prinzen tummeln sich auf vorderen Rängen.

Man muss nicht Fernsehwissenschaften studiert haben, um eine Menge neuer Musikshows nach diesem Vorbild vorauszusagen. Es geht bereits los - mit der Dokusoap "Die Band" auf ProSieben. Auch VOX bleibt wach: "Wir arbeiten an diversen Ideen", sagt Wißmann. Was schon deshalb erfreulich ist, da nach der Selbstpensionierung von Stefan Raab die Präsentationsflächen für frische wie etablierte Musiker rarer zu werden drohen.

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