Vereine denken um Diskussion um Rassismus und „Blackfacing“ im Karneval

Bonn, Fulda · Raus aus dem Alltag, rein in eine ganz neue Identität. Das macht für viele „Jecke“ den Spaß am Karneval aus. Kostüme mit Federschmuck, Fellen oder schwarz gemalten Gesichtern stehen ob Rassismus und „Blackfacing“ in der Kritik. Ein positives Beispiel sind die „Bönnsche Chinese“.

 Mit Federschmuck kostümierte und schwarz angemalte Karnevalisten beim Rosenmontagsumzug 2018 in Köln.

Mit Federschmuck kostümierte und schwarz angemalte Karnevalisten beim Rosenmontagsumzug 2018 in Köln.

Foto: epd/Jan Tepass

Raus aus dem Alltag, rein in eine ganz neue Identität. Das macht für viele „Jecke“ den Spaß am Karneval aus. Beliebt waren dabei lange Zeit ethnische Kostüme mit Federschmuck, Fellen oder schwarz gemalten Gesichtern - fertig war der Afrikaner oder Indianer. „Inzwischen hat ein Umdenken eingesetzt“, beobachtet Tanja Holthaus, Sprecherin des Festkomitees Kölner Karneval. „Bestimmte Kostümierungen, die vor zehn Jahren noch üblich waren, sind heute nicht mehr in Ordnung.“

In den kleinen Karnevalsvereinen ist die Debatte um Rassismus und „Blackfacing“ angekommen - so nennt man es, wenn Weiße sich schminken und kostümieren, um klischeeartig Afrikaner oder Asiaten darzustellen. „Rassismus ist nicht nur, wenn eine Intention dahintersteht. Entscheidend ist die Wirkung“, sagt Tahir Della, Sprecher der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Bund e.V.

Aus den „Mülheimer Negern“ wurden die „Müllemer Klütte“

Menschen, deren Ethnie im Karneval als Kostüm mit stereotypen Merkmalen wie Knochenketten oder Fellkleidung dargestellt werde, fühlten sich diskriminiert und nicht ernst genommen. Immer wieder werde argumentiert, das sei eine Tradition und nicht rassistisch gemeint, sondern es gehe um Spaß. „Tatsache ist, dass nicht alle daran Spaß haben“, entgegnet Della.

Oft waren es etwa im Raum Köln kleine Vereine, die ethnische Kostümierungen zu ihrem Markenzeichen gemacht und sich Namen wie „Negerköpp“ oder „Kannibalen“ gegeben haben. Inzwischen hätten sich einige dieser Vereine umbenannt, sagt Holthaus. Aus den „Mülheimer Negern“ wurden die „Müllemer Klütte“, aus den „Frechener Negerköpp“ die „Wilden Frechener“. In der Regel sind es Proteste und Kritik von außen, die die Vereine zum Umdenken bewegen.

So war es auch beim hessischen Verein „Südend Fulda“, der traditionell im Rosenmontagszug mit einem „Neger vom Südend“ durch die Straßen marschierte: Ein schwarz angemalter Karnevalist mit Afro-Perücke, Fell und Knochenkette. Die Fuldaer Karnevalisten hatten sich zunächst massiv gegen Rassismus-Vorwürfe gewehrt. Ihr Argument: Es handele sich um eine Tradition, und es gehe lediglich darum, Spaß zu haben. Schließlich verzichtete der Verein aber auf den „Neger vom Südend“ - er hatte Drohungen erhalten und nahm 2017 nur unter Polizeischutz am Rosenmontagszug teil.

Historiker Jürgen Zimmerer hat wenig Verständnis

Geblieben sind jedoch die hellen Uniformen mit Tropenhelm im Stil der Kolonialtruppen des deutschen Kaiserreichs, die ebenfalls scharf kritisiert wurden. Vereinsvorsitzende Alexandra Schultheis möchte sich nicht dazu äußern, warum der Verein an dieser Anspielung auf ein unheilvolles Kapitel deutscher Geschichte festhält. „Wir sind schon zu sehr angefeindet worden“, sagt sie.

Der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer hat für diese Haltung wenig Verständnis. Vereinstrachten, die bewusst an Kolonialuniformen erinnerten, seien nicht mehr zeitgemäß, sagt der Professor für Globalgeschichte. „Wer an ihnen festhalten will, der will sich zu einer heroischen oder zumindest nostalgischen Verklärung des Kolonialismus bekennen. Und Kolonialismus bedeutet Rassismus.“ Auch Karnevalsvereine hätten eine historische Verantwortung.

Für dunkelhäutige Menschen sei das „Blackfacing“ im Karneval auch deshalb ein Problem, weil viele im Alltag wegen ihrer Hautfarbe mit Diskriminierungen konfrontiert seien, sagt Tahir Della. „Wir können nicht aus unserer Haut heraus. Weiße Menschen hingegen können sich den Luxus leisten, in diese Rolle zu schlüpfen und nach Karneval wieder herauszuschlüpfen.“ Ihm gehe es nicht darum, Karnevalisten auf die Anklagebank zu setzen, betont Della. „Aber es sollte eine Debatte darüber geführt werden, damit die Problematik den Menschen bewusst wird.“

„Bönnsche Chinese“ als positives Beispiel

Letztlich gehe es nicht darum, ob Kostümierte rassistische Absichten verfolgten oder ihre Verkleidung nur ein gedankenloser Spaß sei, argumentiert auch Zimmerer. Was zähle, sei die „Empfindung der rassistisch Verunglimpften“.

Wie sich exotische Kostüme und Karneval kombinieren lassen, ohne andere vor den Kopf zu stoßen, zeigen die „Bönnsche Chinese“. Sie ziehen in chinesischer Kostümierung und mit typischen chinesischen Attributen wie etwa Drachenfiguren im Bonner Rosenmontagszug mit. Der entscheidende Unterschied: Hier feiern Deutsche und Chinesen gemeinsam. Denn ein Drittel der rund 300 Vereinsmitglieder sind Chinesen, und die traditionelle Kleidung stammt original aus China.

Die Gesellschaft wurde vor acht Jahren von einem deutschen Karnevalisten und einem chinesischen Gastronomen gegründet und versteht sich nicht nur als Karnevals-, sondern auch als Kulturverein. „Das ist in dieser Form einzigartig“, sagt der erste Vorsitzende Werner Knauf stolz. Die Mitglieder feiern auch gemeinsam das chinesische Neujahrsfest oder den Nikolaustag. Mit seinem Präsidenten Jia Jian Shu und der Chinesin Xin-Ying Zhang stellte der Verein im vergangenen Jahr sogar erstmals das Karnevals-Prinzenpaar im Bonner Ortsteil Buschdorf. So kann Karneval integrieren statt zu diskriminieren.

(epd)
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