Zeichentrick-Reh Disney-Klassiker Bambi feiert 75. Geburtstag

London · Vor 75 Jahren war Weltpremiere des traurig-schönen Meisterwerks in London. Seit 1942 vergießen große und kleine Kinder Tränen, wenn Bambis Mutter von Jägern erschossen wird.

 Disney-Klassiker Bambi feiert seinen 75. Geburtstag.

Disney-Klassiker Bambi feiert seinen 75. Geburtstag.

Foto: dpa

Nur ein einziges Mal nannte ihn ein Vorgesetzter „Major Bambi“. Doch Donnie Dunagan – jüngster Ausbilder in der US-Marine, mehrere Tapferkeitsmedaillen, verwundet in Vietnam – versuchte seine Kinderrolle als Stimme für das berühmteste Rehkitz der Welt bis zur Pensionierung geheim zu halten.

„Ich kann mir richtig vorstellen, wie Feldwebel und Captain nach Hause schreiben: „Liebe Mami, rate mal, wer mein Kommandant ist?““, verriet er der „Military Times“ später. Als Fünfjähriger stand der heute 82-Jährige für den Horrorfilm „Frankensteins Sohn“ vor der Kamera, zwei Jahre später sprach er im Zeichentrick-Klassiker „Bambi“ die Titelrolle.

Da hatte der Zeichentrickfilm schon eine lange Entwicklung hinter sich: Fünf Jahre dauerte es, bis der perfektionistische Walt Disney mit seinem Kunstwerk zufrieden war. „Bambi“ feierte am 8. August 1942 verschämt Weltpremiere in London, weil das Studio den Unmut der Jäger im amerikanischen Maine fürchtete. Denn die Botschaft des Films kommt klar rüber: Der Mensch ist der größte Feind der Natur.

Doch gegen Bambis weitaufgerissene Kinderkulleraugen und seinen niedlichen Gesichtsausdruck hatten die Jäger mit ihrer Anti-Bambi-Kampagne nie eine Chance. Begleitet vom vorlauten Kaninchen Klopfer und dem schüchternen Stinktier Blume entdeckt es die Wunder und Herausforderungen des Waldes, bis es zum König des Waldes heranwächst. Große Kinotragödie ist der Moment, wenn Bambi versteht, dass seine Mutter von einer Kugel dahingerafft wurde.

Die Erfolgsgeschichte

Nach seinem Erfolg mit dem ersten Zeichentrick-Featurefilm „Schneewittchen und die Sieben Zwerge“ erwarb Walt Disney die Rechte für den 1923 erschienen gleichnamigen Roman des österreichischen Schriftstellers Felix Salten (1869-1945). Er sah die Lebensgeschichte des jungen Rehs als Chance, das Genre des Zeichentrickfilms neu zu erfinden: Bambi sollte sich – obwohl es sich um eine Zeichentrickfigur handelt – so natürlich wie möglich bewegen, anstatt als reine Tierkarikatur auf die Leinwand zu kommen.

In den USA gibt es keine Rehe, daher verwandelte Disney sie im Film kurzerhand in Weißwedelhirsche. Bei der deutschen Synchronisation wurde aus dem Hirschkalb Bambi – obwohl zoologisch unkorrekt – wieder ein Rehkitz wie im Buch.

Damit die Animateure realistische Bewegungen studieren konnten, brachte Walt Disney Hirschkühe und andere Wildtiere in einem abgezäunten Bereich hinter dem Studio unter. Er schickte Kamerateams in Wälder, um Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten.

Doch der Aufwand ging nach hinten los. Das Publikum vermisste die Märchenelemente, für die das Studio so bekannt geworden war. Der Kritiker der „New York Times“ warnte nach der Premiere 1942: „Auf seiner Suche nach Perfektion kommt Mr. Disney dem gefährlich nahe, die gesamte Zeichentrick-Fantasiewelt wegzuwerfen“ und urteilte erbarmungslos: „Man kann Naturalismus nicht mit Zeichentrickfantasie vermischen.“

Trotz dreifacher Oscar-Nominierung für Ton und Musik spielte „Bambi“ die Produktionskosten erst ein, als der Film nach dem Krieg erneut herausgebracht wurde – ein alter Disney-Trick, der immer wieder wirkt: In den vergangenen 75 Jahren hat der Klassiker dem Studio über 250 Millionen Dollar eingebracht.

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