Prozess: Sieben Jahre Haft für Betrüger Ein fast perfekter Ausbruch

LONDON · Heimliche Tunnel graben oder Gitterstäbe zersägen? Neil Moore brauchte lediglich ein Handy und eine falsche E-Mail-Adresse, um aus der Untersuchungshaft auszubrechen.

Seine Vorgehensweise war so ungewöhnlich wie offensichtlich: Er hat sich einfach selbst entlassen. Und das aus einer der bestgesicherten Haftanstalten Großbritanniens.

Der 28-jährige Gesetzesbrecher spazierte im März vergangenen Jahres aus dem Vordereingang des Wandsworth Prison im Süden Londons in die neu gewonnene Freiheit und erst einmal schöpfte niemand Verdacht. Warum auch? Die Verwaltung erhielt die Entlassungspapiere samt Hinweis auf eine hinterlegte Kaution. In dem Schreiben wies ein leitender Angestellter die Verantwortlichen an, den verurteilten Millionenbetrüger auf freien Fuß zu setzen. Doch was erst später auffiel: Moore hatte sich eine E-Mail-Adresse eingerichtet, die der amtlichen täuschend ähnlich sah.

Doch bereits nach drei Tagen als freier Mann stellte sich Moore der Polizei, nachdem die irrtümliche Entlassung aufgeflogen war, weil Rechtsanwälte den Häftling vor Ort befragen wollten und der gewünschte Gesprächspartner nicht mehr hinter Gittern saß. Als "genial kriminell" bezeichnete der zuständige Richter David Hunt das Vorgehen von Neil Moore.

Vor Gericht schilderte Moore detailreich, wie er den dreisten Gefängnisausbruch eingefädelt hatte: Mit einem in die Haftanstalt geschmuggelten Handy erstellte er eine gefälschte Website, ähnlich jener des zuständigen Gerichtsdiensts. Hinzu kam, dass der Gesetzesbrecher den Namen und die Adresse eines Untersuchungsbeauftragten verwendete und so die fast perfekte Flucht inszenierte. Gestern wurde Neil Moore vom Londoner Southwark Crown Court zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, wobei er sich in dem Prozess nicht nur für den dreisten Ausbruch, sondern auch für acht Betrugsfälle verantworten musste.

Dass bei Neil Moore Vorsicht geboten war, hätten die Behörden eigentlich ahnen könnten. Laut Medienberichten hatte sich der Betrüger mittels falscher Identitäten mehr als 1,8 Millionen Pfund, umgerechnet etwa 2,5 Millionen Euro, erschlichen, indem er sich als Mitarbeiter von Banken ausgegeben hat.

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