Nie mehr an der Uhr drehen? EU-Parlament stimmt über Abschaffung der Zeitumstellung ab

Straßburg/Brüssel · Zweimal im Jahr tickt Europa anders - das EU-Parlament könnte das ändern: An diesem Donnerstag stimmen die Abgeordneten über die Abschaffung von Sommer- und Winterzeit ab.

Züge bleiben stehen, Bäcker öffnen eine Stunde später, Tiere verstehen die Welt nicht mehr und Menschen können nicht mehr richtig schlafen: Zwei Mal im Jahr wird an der Uhr gedreht. In gut sechs Wochen ist es wieder so weit: Dann beginnt die Sommerzeit. Das Europäische Parlament will das ändern. Heute stimmen die Abgeordneten der 28 Mitgliedstaaten über das Ende der Zeitumstellung ab.

Es ist wohl einer der kürzesten Anträge in der Geschichte des Europäischen Parlamentes - die Entschließung 2017/2968(RSP) passt auf eine Din-A 4-Seite. Ziel des Vorstoßes, über den die 751 Abgeordneten aus 28 Mitgliedstaaten heute abstimmen werden: "Das Europäische Parlament fordert die Kommission auf, die derzeitige halbjährliche Zeitumstellung abzuschaffen." Eine überwältigende Mehrheit scheint sicher. Zu groß sind die Verärgerung und das Unverständnis über die Zeitmanipulation im Frühjahr und im Herbst.

Nach einigen Versuchen vor und nach den beiden Weltkriegen war es Frankreich, das 1973 zum ersten Mal die Uhren anders stellte. Im Zeichen der Ölkrise glaubte man daran, dass sich Energie einsparen lasse, wenn die Menschen in der hellen Jahreszeit später aufstehen und abends länger wach bleiben würden. Schon ein Jahr später widerlegten deutsche Studien diesen Effekt: Um gerade mal zwei Promille ging der Energieverbrauch zurück. Dafür häuften sich jene Fälle, in denen Menschen über Beschwerden klagten, weil sie aus dem Tritt gerieten, nicht mehr richtig schlafen konnten und es sogar zu Herz-Kreislauf-Problemen kam.

Als die Europäische Union 1981 dann nachzog und die Mitteleuropäische Sommerzeit (MESZ) einführte, ging es gar nicht mehr ums Öl- oder Stromsparen, sondern um eine einheitliche Regelung für den Binnenmarkt. Dabei ist die EU eigentlich gar nicht zuständig, sondern koordiniert lediglich die Mitgliedstaaten. In Deutschland liegt die Verantwortung beim Ministerium für Wirtschaft, die Umsetzung nimmt die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig vor. Doch nun soll Schluss sein, fordern die Abgeordneten, nachdem sich auch immer mehr Bürger bei der Kommission für eine einheitliche Zeit stark gemacht hatten.

"Unser Biorhythmus wird durch die Zeitumstellung empfindlich gestört und sowohl Menschen als auch Tiere haben Schwierigkeiten, sich dem geänderten Rhythmus anzupassen", so die CDU-Europapolitikerin Sabine Verheyen. "Ich halte es daher für richtig, dass wir uns sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene für ein Ende der Umstellung einsetzen." Ihre sozialdemokratische Kollegin Kerstin Westphal drängt ebenfalls auf eine gemeinsame Lösung: "Ein Flickenteppich, bei dem in Österreich für ein paar Wochen eine andere Uhrzeit gilt als in Deutschland oder Frankreich, wäre verheerend für den Binnenmarkt, aber auch für Reisende, die sich mit wechselnden Fahr- und Flugplänen rumärgern müssen." Doch welche Zeit soll denn dann gelten?

Der Entschließungsantrag der Abgeordneten vermeidet es wohlweislich, sich für die Sommer- oder die Winterzeit starkzumachen, wobei es Letztere eigentlich gar nicht gibt. Wenn in diesen Monaten die Uhr schlägt, handelt es sich um die Normalzeit. Als in Polen Ende 2017 eine ähnliche Initiative an Zustimmung gewann, schien die Stoßrichtung klar: Die Winterzeit muss weg. Sommerzeit für das ganze Jahr, lautete die Forderung. Russland hatte sich dagegen schon vor vier Jahren von der Sommerzeit verabschiedet.

Initiativen wie das Internetportal www.zeitumstellung-abschaffen.de sprechen sich auch für ein Ende der Sommerzeit aus. Nur die Brüsseler Kommission lässt sich bisher nicht in die Karten sehen. Der heutige Entschließungsantrag aus Straßburg soll die Bemühungen des europäischen Gesetzgebers, der schon seit Oktober 2017 die Frage prüft, stärken. Ob unsere Uhren demnächst sommerlich oder winterlich eingestellt werden, scheint noch völlig offen. Übrigens: Am frühen Morgen des 25. März 2018 ist es wieder so weit.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort