Eurovision Song Contest 2020 ARD und Stefan Raab gehen mit ESC-Shows parallel auf Sendung

Bonn · Der Eurovision Song Contest fällt 2020 aus – doch ganz ohne Wettbewerb müssen die Fans nicht auskommen. Stefan Raab macht der ARD dabei heute Abend ab 20.15 Uhr mit seiner Ersatzshow direkte Konkurrenz.

 Während die ARD den ESC-Ersatz in die Hände von Barbara Schöneberger legt, vertraut ProSieben Stefan Raab.

Während die ARD den ESC-Ersatz in die Hände von Barbara Schöneberger legt, vertraut ProSieben Stefan Raab.

Foto: dpa/Annette Riedl

Am Samstagabend hätte Ben Dolic für Deutschland im Finale des Eurovision Song Contests gestanden. Rund 200 Millionen Zuschauer weltweit hätten dem Sänger wahrscheinlich bei seinem Live-Auftritt in der Rotterdamer Ahoy-Arena zugesehen. Stattdessen präsentiert der 23-Jährige in der Hamburger Elbphilharmonie seine Dance-Nummer, die von einem internationalen Team komponiert und choreografiert wurde.

Seit der Absage des größten Musikevents der Welt aufgrund der Corona-Pandemie gab es zahlreiche Ansätze, den Fans alternative Sendungsformate anzubieten. Darunter auch das „deutsche Finale live aus der Elbphilharmonie“, das am Samstag um 20.15 Uhr in der ARD übertragen wird. Barbara Schöneberger moderiert die Show, die den Sieger der Herzen des Publikums finden soll.

Im Vorfeld konnten die Zuschauer und eine 100-köpfige Eurovisionjury ihre zehn Favoriten in einem Halbfinale wählen, das beim Spartensender One sowie online übertragen wurde.  Mit dabei sind auch „The Roop“ aus Litauen, die live in Hamburg auf der Bühne stehen werden. Auch Daði Freyr og Gagnamagnið aus Island mit ihrem Song „Think About Things“ und Ben & Tan aus Dänemark mit „Yes“ werden performen. Gerade die Isländer galten als Favorit für den ESC-Sieg in diesem Jahr.

Für die meisten der zehn gewählten Finalländer bleibt aber nur ihr Musikvideo oder der Mitschnitt ihres Auftritts bei nationalen Vorentscheiden, um die Zuschauer- und Jurystimmen zu gewinnen. Für Ben Dolic kann wie beim richtigen ESC nicht angerufen werden, bei dem das Publikum seine Punkte auch nur für die Teilnehmer aus den anderen Ländern abgeben darf. Die Show aus Hamburg ist mit dem richtigen ESC dennoch nicht zu vergleichen und richtet sich hauptsächlich an das deutsche Publikum.

Ein ähnliches Konzept mit Videoeinblendungen oder der Übertragung von nationalen Live-Auftritten lehnte die European Broadcast Union (EBU) als Alternative für die internationale Show ab. Es läge in der DNA des ESC die Künstler und Fans an einem Ort zusammenzubringen, alles andere würde den Werten und Traditionen der Veranstaltung nicht gerecht, erklärte Jon Ola Sand, der Executive Supervisor der EBU.

2020 ist das erste Jahr seit dem Start 1956, in dem es keinen klassischen ESC geben wird. Aus diesem Grund gibt es mit „Europe Shine A Light“ zumindest eine Ersatzshow, die in 45 Ländern ausgestrahlt wird. Dies soll die diesjährigen Ländervertreter würdigen, ohne dass es einen Wettbewerb gibt.

Situation stellt Künstler vor Herausforderungen

Die ARD bringt die Liveshow zeitversetzt im Anschluss an das deutsche Finale in der Elbphilharmonie. Ebenso wie in der deutschen Sendung sollen unter anderem Beiträge aus der ESC-Geschichte gezeigt werden, Sieger vergangener Jahre präsentieren ihre neuen Songs, das Rotterdam Philharmonic Orchestra spielt und ESC-Fans der ganzen Welt präsentieren per Videozusammenschnitt Johnny Logans Gewinnertitel aus 1980 „What’s Another Year“.

Der Wegfall des Wettbewerb-Charakters hat nicht nur die Fans enttäuscht. Die Situation stellt auch die nationalen Delegationen und ihre Künstler vor Herausforderungen. Nach den Regeln der EBU dürfen die Lieder nicht vor September des Vorjahres kommerziell veröffentlicht worden sein. Dies gilt auch für den kommenden ESC. Die diesjährigen Künstler können zwar erneut nominiert werden, müssen dann aber mit einem neuen Song antreten. Ein Dilemma für alle Songs mit Siegerpotenzial und das Ende für die Künstler mit eher negativer Resonanz.

Die jetzt schon so genannte verlorene Generation 2020 wurde ihrer Chance beraubt, sich wider aller Erwartungen mit ihrem Live-Auftritt zu präsentieren und zu glänzen. Andererseits hätte eine Show ohne Live-Publikum mit Schalten zu denKünstlern die Diskussion über die Kosten des ESC für die Rundfunkanstalten erneut entfacht. So oder so wird die Corona-Krise den Eurovision Song Contest verändern.

Raabs Show ist vom ESC abgekoppelt

 Die Moderation der auf etwa vier Stunden angelegten Pro-Sieben-Show #FreeESC übernehmen Steven Gätjen und die ESC-2014-Gewinnerin Conchita Wurst.

Die Moderation der auf etwa vier Stunden angelegten Pro-Sieben-Show #FreeESC übernehmen Steven Gätjen und die ESC-2014-Gewinnerin Conchita Wurst.

Foto: ProSieben/Martin Ehleben/Markus Morianz/ProSieben/Ehleben/Morianz

In diese Kerbe schlägt auch Stefan Raab, der parallel zu den Sendungen der ARD das Wettbewerbsformat „Free European Song Contest“ auf Pro Sieben sowie dem Online-Streamingdienst Joyn produziert und sendet. Die Liveshow ist komplett vom diesjährigen ESC abgekoppelt – tritt aber in direkte Konkurrenz zu diesem. Auftreten sollen in Deutschland lebende Künstler, die für ihre Herkunftsländer antreten. Das Publikum aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie internationale Jurys stimmen für den Sieger ab. Moderiert wird die Show von Österreichs ESC-Siegerin von 2014, Conchita Wurst, und ProSieben-Gesicht Steven Gätjen.

Dabei folgt die Sendung nicht nur dem beliebten 12-Punkte-Bewertungsschema, sondern auch der Länderauswahl bisheriger ESC-Shows, die sich traditionell an der Mitgliedschaft in der EBU und nicht nach europäischen Grenzen richtet. Die Marke Eurovision ist dabei von der EBU geschützt und kann in diesem Zusammenhang von Raab nicht genutzt werden.

Auch nach Michael Schultes viertem Platz in Lissabon vor zwei Jahren bleibt vor allem Lenas Sieg 2010 bei Vielen als letzter deutscher Erfolg in Erinnerung, den sich Raab gerne zuschreiben lässt. Wer bei dem Ringen um den diesjährigen Jahrgang das echte Eurovision-Gefühl vermisst, kann ab Mitternacht die Aufzeichnung der Show von 2010 in der ARD sehen und noch einmal im Siegertaumel von Lena baden.

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