Mary Bauermeister Fluxus-Künstlerin wird am Sonntag 80 Jahre alt

BONN · Hektisches Treiben herrschte in den vergangenen Wochen im Atelierhaus von Mary Bauermeister im Rösrather Stadtteil Forsbach. Werke wurden gesichtet, eingepackt und nach Berlin und Potsdam geschafft für die Präsentationen zu ihrem 80. Geburtstag am Sonntag, 7. September. Mittendrin: Journalisten, Filmemacher, Helfer und Freunde, die alle am großen Ereignis mitwirken.

 Mary Bauermeister vor zwei Jahren im Bonner Frauenmuseum mit einem Linsenkasten.

Mary Bauermeister vor zwei Jahren im Bonner Frauenmuseum mit einem Linsenkasten.

Foto: dpa/pa

Unermüdlich scheint Mary Bauermeister zu sein, druckreif redet sie über die Kunst, die Menschen, die Welt. Schließlich hat sie seit den 50er-Jahren selbst auf internationaler Ebene Kunstgeschichte geschrieben - sie war mittendrin in der Fluxusbewegung und der Konzeptkunst der Nachkriegsgeneration. Mit John Cage, Nam June Paik, Rauschenberg, Beuys, Christo und vielen anderen formulierte sie den Kunstbegriff neu, in New York und in Köln.

Legendär und immer noch aktuell sind ihre Linsenkästen, die Steinbilder mit den fein aufgefächerten Steinen in Spiralform, das grafische Werk, die schwimmenden Gärten nach der Philosophie der Geomantie, die Lichtskulpturen aus sizilianischen Flickentüchern. Und einen Bestseller hat sie geschrieben über ihre kongeniale Beziehung und Ehe mit dem Komponisten Karlheinz Stockhausen, ein Dokument der Beziehungen in den 60er-Jahren sowie der Kunst- und Musikgeschichte.

Ebenso legendär ist ihr offenes Atelier an jedem ersten Sonntag im Monat in ihrem Wundergarten in der Hedwigshöhe im Grünen, nicht weit von Köln: eine Plattform für Künstler, Schriftsteller, Performer, Musiker, Zauberer.

Doch nichts ist für die Ewigkeit: Seit Jahren bemühen sich Freunde und Mäzene von Mary Bauermeister, das von Erich Schneider-Wessling konzipierte Haus und das Gelände als Museum oder Ort der Begegnung zu erhalten. Ein Förderverein für die Akademie Kunst Therapie und Geomantie wurde gegründet.

"Wenn 2015 die Gemeinnützigkeit anerkannt wird, sind die Schleusen auf, das Haus als Kulturzentrum zu erhalten", sagt Mary Bauermeister. Versuche, den Landschaftsverband Rheinland dafür zu gewinnen, nach dem Vorbild des Max-Ernst-Museums in Brühl einzusteigen, scheiterten am mangelnden Etat. Immerhin kaufte das Landesmuseum Bonn Mary Bauermeisters großes Konzeptart-Werk "duke-box"an, das lange im großen Atelier stand, später im Frauenmuseum Bonn.

Und nun wird sie 80 Jahre alt, die schier unverwüstliche Künstlerin, immer noch voller Schaffenskraft. Aber: "Weil ich nicht vor meinem 78. Geburtstag gestorben bin, wie ich immer dachte, hat für mich eine neue Periode angefangen", sinniert sie. "Bisher habe ich alles verteilt."

Eine typische Gestik der Künstlerin - die weit ausgebreiteten Arme. Doch jetzt zieht sie sich zurück, mit geschlossenen Augen, die Hände über der Brust gekreuzt. "Ich bin im Winter meines Lebens angekommen - ich möchte kein Chaos hinterlassen und den Abschluss würdevoll gestalten", sagt sie.

Tatsächlich hat sie sich auch räumlich zurückgezogen, wechselt zwischen Forsbach und einem ehemaligen Gutshof in Reichshof-Oberagger. Auf dem hohen Dachboden stehen und hängen die Pyramide, der hallenfüllende Zopf mit den Deutschlandfarben, die Ankh-Engel und andere Lichtskulpturen, die Steinbilder - 50 bis 60 Jahre Kunst- und Zeitgeschichte in einem wohltuenden Durcheinander.

Bei den meist spiralförmigen Steinbildern zeichnen sich seit einem Jahr Veränderungen ab. Die strenge mathematische Anordnung nach der Fibonacci-Folge wird aufgelöst - die Spiralen streben gen Himmel oder fließen aus dem Bildgrund hinaus. "Ich brösele meine eigene Ordnung auf", kommentiert die Künstlerin. "Die geometrischen Formen zerfallen ins Chaotische." Demnächst will sie sich auch wieder den Linsenkästen widmen, hat neue Formen dafür entworfen in einer unendlichen Spirale, aus der eine große Skulptur entstehen könnte.

So richtig Winter ist es noch nicht im Leben der Mary Bauermeister. Nach der großen Ausstellung im Potsdamer Fluxusmuseum vor zwei Jahren verfolgt sie weiterhin die Idee von der Umkehrung der deutschen Flagge in Gold-Rot-Schwarz. "Es ist mein Zeichen, in Deutschland wieder eine geistig spirituelle Zukunft zu gestalten", sagt Bauermeister, die künstlerisches Schaffen immer in Zusammenhang mit der Geschichte gesehen hat.

Trotz der unermüdlichen Schaffenskraft ist sie sich der Endlichkeit bewusst: Seit langem liegt der Grabstein mit der Inschrift "Ruhe sanft... in Eile" am Eingang des Forsbacher Atelierhauses.

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