Haltungsbedingungen sollen verbessert werden Tierhaltern fehlt oft das Wissen über ihre Tiere
Bonn. · Der Vorstoß zur Bundesregierung zu Verbesserung der Haltungsbedingungen von Hunden wird von Tierschützern befürwortet. Doch auch bei anderen Haustierarten gibt es Probleme.
In der Praxis im Rhein-Sieg-Kreis sind Besitzer von französischen Bulldoggen derzeit Stammkunden. „Diese Hunde sind groß in Mode“, sagt die Tierärztin. „Leider stammen viele aus sogenannten Qualzuchten mit verkürzten Atemwegen.“ Die Tiere neigten außerdem zu Allergien und Bandscheibenvorfällen. Ein ständig kranker Hund und Tausende Euro an Tierarztkosten – „das hatten sich viele Halter anders vorgestellt“, sagt die Tierärztin.
Auch wenn die Besitzer für ihren Vierbeiner in der Regel nur das Beste wollten, Haltungsprobleme bei Haustieren sieht die Veterinärin jeden Tag. „Bei Hunden und Katzen ist es oft schlicht Überfütterung, die Probleme verursacht“, sagt sie. Und das sei nicht nur eine optische Einschränkung, wie viele Herrchen und Frauchen meinten: „Die Tiere bekommen massive Gelenk- und Rückenschäden, können zum Teil kaum noch atmen.“
Auch Berlin hat das Wohlergehen der Haustiere jetzt als Thema entdeckt. Die von Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) ins Spiel gebrachte „Gassipflicht“ für Hunde (siehe unten) sorgt allerdings für gemischte Reaktionen. Tierschützer begrüßen den Vorstoß unter Vorbehalt: „Ein Hund braucht seinen Bedürfnissen entsprechend täglich Bewegung im Freien und seine Sozialkontakte. Wir begrüßen, dass es dazu nun konkretere Vorgaben gibt. Bei allem Guten, der letzte Mut fehlt aber noch in diesem Verordnungsvorschlag“, so Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes in Bonn. Für die Tierschützer sei eine gesetzliche Grundlage vor allem deshalb wichtig, weil dann bei Verstößen auch gehandelt werden könne, heißt es weiter. Das stärke vor allem die Position der Veterinärämter.
Dabei sind es in erster Linie nicht die Hunde, die Experten Sorgen bereiten. Über mehrere Jahre lief die sogenannte Exopet-Studie an den Universitäten Leipzig und München, gefördert vom Bund. Das Ziel der Untersuchung: Für unterschiedliche Haustiergruppen sollen die Haltungsbedingungen untersucht und notwendige Veränderungen ermittelt werden.
Höchste Zeit zum Handeln
Wenn es nach Maria-Elisabeth Krautwald-Junghanns, Professorin an der Klinik für Vögel und Reptilien an der Universität Leipzig, geht, ist es höchste Zeit zum Handeln. Vor allem in den privaten Volieren und Käfigen müssten viele Tiere leiden, oft ohne dass das ihren Besitzern bewusst sei. „Ein Graupapagei ist in etwa so intelligent wie ein fünfjähriges Kind und hat extrem hohe Haltungsbedürfnisse“, sagt die Expertin. Dass die Tiere zum Beispiel nur paarweise und nicht einzeln leben dürften, erführen manche Besitzer erst, wenn sie mit dem verhaltensgestörten Tier in die Klinik kämen, weil es sich die eigenen Federn ausrupft. Schildkröten würden oft für Kinder gekauft, die unter Tierhaarallergien leiden. „Denen werden die Tiere aber schnell zu langweilig“, warnt die Wissenschaftlerin. Wer eine Wasserschildkröte daraufhin im nächsten Teich aussetze, nehme ihren Tod in Kauf. Aus ihren oft entmutigenden Erfahrungen in der Tierarztpraxis schließt Krautwald-Junghanns: „Es ist zu einfach, sich ein exotisches Tier anzuschaffen und diese Lebewesen sind auch viel zu billig.“ Die in Terrarien gehaltenen Bartagamen würden schon für wenige Euro verkauft, „da geben sich dann leider einige Besitzer weniger Mühe mit der Haltung“. Reptilien seien für ihre Halter oft Prestigeobjekte. Je seltener und teurer die Tiere sein, so ein Ergebnis der Exopet-Studie, umso besser würden sie in der Regel gehalten.
Den Verkauf von Tieren auf Börsen und auch im Handel sieht die Expertin kritisch. „Es gibt oft ungeeignete Käfige und nicht immer ist die fachliche Beratung gewährleistet.“ Auch könnten sich Halter nicht darauf verlassen, dass angebotenes Zubehör für ihre Hausgenossen unbedenklich sei. So führten mit Schnüren umwickelte Sitzstangen für Vögel zu entzündeten Fußballen und Fremdkörpern im Tiermagen. Krautwald-Junghanns: „Die sinnvollste Sitzstange ist ein Ast aus dem Wald.“
„Haltern fehlt zum Teil das Wissen über ihre Tiere“
Die Fachhändler weisen Kritik aus der Exopet-Studie zurück. Man führe seit Langem ein Ausschlussliste von Tieren, die man für die Haustierhaltung ungeeignet halte, heißt es beim Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschland (ZZF). Darunter fallen nicht nur zahlreiche für den Menschen gefährliche Arten, sondern auch etwa das Frettchen, das für die Haustierhaltung zwingend kastriert werden müsse. Die Händler lehnen die Klassifizierung als Exoten generell ab: „Auch das Meerschweinchen kam einmal aus Südamerika“, sagt Verbandssprecherin Antje Schreiber. Vielmehr gehe es darum, ob für ein Tier im Privathaushalt passende Lebensbedingungen geschaffen werden können. Der Verband räumt ein, „dass Haltern zum Teil das Wissen über ihre Tiere fehlt“. Daher hätten sich die Mitgliedsunternehmen auch zu entsprechender Beratung verpflichtet.
Den Tierschützern reicht das nicht aus. „Für uns sind alle Tiere Exoten, die eigentlich wild leben und nicht über Generationen hinweg domestiziert wurden“, sagt Tierschutzbund-Sprecherin Pommerening. Sie sieht den Staat in der Pflicht: „Obwohl in der Exopet-Studie ein deutlicher Handlungsbedarf aufgezeichnet wurde, wurden bisher keine Maßnahmen ergriffen, um die Empfehlungen umzusetzen.“ Das sei „in höchstem Maße enttäuschend“.
Sachkundenachweis gefordert
Die Tierschützer fordern, wie auch die Wissenschaftler, einen Sachkundenachweis, bevor sich ein Mensch ein Haustier anschafft. „Selbst ein Online-Test und anschließend 14 Tage Bedenkzeit vor dem Kauf würde vielen Tieren zugute kommen“, so die Leipziger Professorin Krautwald-Junghanns.
Die Tierärztin aus dem Rhein-Sieg-Kreis empfiehlt, sich vor dem Kauf genau mit der Herkunft eines Tieres zu beschäftigen. „Viele Welpen werden unter sehr schlechten Bedingungen in Osteuropa gezüchtet, über das Internet angeboten und später an der Autobahnraststätte aus dem Kofferraum verkauft“, weiß die Expertin. Damit unterstützten die Kunden nicht nur tierquälerische Machenschaften, sondern handelten sich auch sehr wahrscheinlich ein krankes Tier ein. „Lassen Sie sich beim Züchter auch die Elterntiere zeigen und seien Sie misstrauisch, wenn diese zufällig gerade spazieren sind“, rät sie. Denn am Ende soll die Freundschaft doch lange halten. „Tiere bringen eine ungeheure Lebensfreude, die ein Computer nicht ersetzen kann“, sagt Professorin Krautwald-Junghanns.