Serie über den Säurefassmörder Serie mit Bonner Hauptdarsteller ist ein Streaming-Schocker

Hamburg · In „Gefesselt“ liefert Amazon Prime einen spektakulären Sechsteiler zwischen der Normalität des Bösen und ekelerregender Brutalität. In der Hauptrolle glänzt der Bonner Oliver Masucci als Säurefassmörder.

Oliver Masucci spielt den Schwerverbrecher Raik Doormann in der True-Crime-Serie "Gefesselt".

Oliver Masucci spielt den Schwerverbrecher Raik Doormann in der True-Crime-Serie "Gefesselt".

Foto: dpa/Amazon Prime Video

Der „Säurefassmörder“ ist noch heute vielen Hamburgern ein Begriff. Um 1990 trieb er rund um die Millionenstadt sein Unwesen. Ein Familienvater und krankhafter Sadomasochist aus dem bürgerlichen Stadtteil Rahlstedt, entführte drei Frauen, die er im eigenen Atombunker folterte. Zwei der Opfer zersägte er und vergrub sie in Säurefässern unter der Erde. Vom Landgericht der Hansestadt wurde der - damals bereits wegen Entführung einsitzende - Täter 1996 für seine Morde zur Höchststrafe verurteilt: lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung. Dem Mann Anfang 40 war eine Kriminalbeamtin auf die Spur gekommen. Gegen viele Widerstände ihrer meist männlichen Kollegen hatte sie ermittelt.

Die grausigen Taten im Umfeld biederer Reihenhäuser haben den Streamingdienst Prime Video zu seiner ersten - fiktional ausgeschmückten – True-Crime-Serie „German Crime Story: Gefesselt“ angeregt. Unter der Regie des angesehenen Florian Schwarz („Tatort“) und nach den Drehbüchern mehrerer Autoren startet der Sechsteiler am Freitag, 13. Januar. In den Hauptrollen zeigen der Bonner TV-Star Oliver Masucci („Dark“) als Schwerverbrecher - hier Raik Doormann genannt - und Angelina Häntsch („Die Quellen des Bösen“) als dessen Widerpart, die Opferbetreuerin und spätere Kommissarin Nela Langenbeck, ihre jeweils eigene sehr intensive Präsenz. Doch inwieweit die beiden hervorragenden Schauspieler das Publikum dauerhaft zu fesseln vermögen, dürfte stark von dessen persönlichen Nerven abhängen.

Serie „Gefesselt“: Teils ekelerregend brutal

Denn die Serie wartet zwar mit einem Feuerwerk an Talent und Kreativität auf. Doch gerät die Geschichte aus den tiefsten Abgründen der Seele teils so ekelerregend brutal, dass manch einer abschalten dürfte. Oder – zumal bei Anwesenheit von Kindern und Jugendlichen – gar nicht erst einschalten sollte. Etwa, wenn Doormann sein an die Bunkerdecke gekettetes Opfer mit einer unappetitlichen dunklen Masse aus einem Eimer einreibt und so zum sexuellen Höhepunkt bringt. Soviel Detail müsste auch bei Verbrechen dieses Kalibers nicht sein.

Dem Team sei „ein Sittengemälde der Zeit“ gelungen, so der Regisseur. Eine lange Drehbuchphase, bei der neue Rechercheergebnisse den Blick auf das Ganze immer wieder veränderten, sei vorausgegangen. Etwa mit Blick auf die gewandelten Rollen von Frauen, von denen es vor 30 Jahren bei der Polizei viel weniger gegeben habe - und deren Wort damals kaum Gewicht gehabt habe. Dabei gerät die so einfühlsam wie hartnäckig agierende Häntsch als Ermittlerin - entsprechend dem Zeitgeist unserer Tage - zu einer Leitfigur des Feminismus.

Serie „Gefesselt“ arbeitet mit Zeit- und Ortssprüngen

Im Mittelpunkt der mit Zeit- und Ortsprüngen arbeitenden Inszenierung im stimmungsvollen 80er-Jahre-Ambiente steht und fällt jedoch der spürbar lustvoll agierende langjährige Burgtheater-Star Masucci.

„Der nette hilfsbereite Psychopath von nebenan“ habe er darstellen wollen, so Masucci über seine Dr.-Jekyll-und-Mr.-Hyde-Figur. Ächzend, mit strähnigen längeren Jahren, Brille und Schnauzer zerrt sein dicklicher, eher durchschnittlich aussehender Doormann gleich zu Anfang einen Frauenkörper aus dem Bunker. Das Opfer war zwischen Marmeladengläsern, Konservendosen und Babywindeln getötet worden. Der Täter streichelt in seinem weißen Marmorbad mit goldenen Armaturen – Frau und Sohn sind gerade verreist - erst noch liebevoll ein Bein. Dann setzt er die Säge an. Er lagert die Leichenteile schließlich im Kofferraum seines Autos und ruft seinem Nachbarn in unverkennbar hamburgischem Tonfall ein launiges „Moin, Dieter“ entgegen.

Obwohl ihm Tierschützer seinen Beruf längst versaut haben, trägt der Kürschner Doormann gern einen Pelzmantel. Das üppige Kleidungsstück ist für ihn ein Machtsymbol, mit dem einst Könige auftraten. So sehnt er sich denn auch nach dem Auswandern - ins mittelamerikanische Costa Rica. Weil dort der Mann noch als Mann respektiert werde, wie seine Stimme aus dem Off erklärt. Und dafür braucht Doormann Geld - das er mit Erpressung der Angehörigen der entführten Frauen verdienen will. Auf des Serienmörders lange unentdeckt bleibendes Treiben und dessen Hintergründe blicken Augen sehr unterschiedlich Beteiligter. Künstlerisches Ziel sei dabei gewesen, sagt der Regisseur, das Sittengemälde zerstückelt zu zeigen - „wie ein kubistisches Bild“.

(dpa)
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