Übergriffe Hoffman, Ratner, Spacey: Vorwürfe wirbeln Hollywood auf

Los Angeles · In Hollywood steht die Trophäen-Saison an - doch Schlagzeilen machen die täglichen Skandalnachrichten. Immer mehr Belästigungsvorwürfe gegen prominente Filmschaffende wirbeln die Unterhaltungsbranche auf.

Kevin Spacey sucht sich nach Vorwürfen wegen sexueller Belästigung therapeutische Hilfe.

Foto: Matt Crossick

Hollywood kommt nicht zur Ruhe. Seit Bekanntwerden der Missbrauchs-Vorwürfe gegen den Produzenten Harvey Weinstein vor rund einem Monat melden sich täglich neue mutmaßliche Opfer zu Wort, die berichten, sie seien von prominenten Männern aus der Filmbranche sexuell missbraucht worden.

In Firmen und Vorständen rollen Köpfe, Film- und Fernsehprojekte werden gestoppt, Polizei und Staatsanwälte ermitteln. Immer mehr Schauspieler und Regisseure geraten ins Visier der Ermittler. Nach Weinstein, Regisseur James Toback und "House of Cards"-Star Kevin Spacey wurden nun auch Oscar-Preisträger Dustin Hoffman (80) und "Rush Hour"-Regisseur Brett Ratner mit Vorwürfen sexueller Belästigung konfrontiert.

Als 17-jährige Praktikantin am Set sei sie 1985 von Hoffman wiederholt belästigt worden, schrieb die US-Autorin Anna Graham Hunter in einer Gastkolumne im "Hollywood Reporter". Der Star habe sie um eine Massage gebeten, an den Po gegriffen und mit anzüglichen Bemerkungen bedrängt. "Er war ein Jäger, ich war ein Kind, und das war sexuelle Belästigung", erklärte Hunter.

In einer Stellungnahme entschuldigte sich der Oscar-Preisträger. Er habe "größten Respekt" für Frauen und er fühle sich schrecklich, dass er Graham möglicherweise in eine "unangenehme Situation" gebracht haben könnte.

Sechs Frauen, darunter die Schauspielerinnen Olivia Munn und Natasha Henstridge, werfen Brett Ratner in Interviews mit der "Los Angeles Times" sexuelle Übergriffe vor, die teilweise in die 1990er Jahre zurückgehen. Der 48-jährige Blockbuster-Regisseur ("X-Men: Der letzte Widerstand", "Rush Hour") wies die Vorwürfe über seinen Anwalt Martin Singer "kategorisch" zurück.

Doch die Branche reagierte sofort: Ratners geplantes Regieprojekt über den kürzlich verstorbenen "Playboy"-Gründer Hugh Hefner wurde kurzerhand auf Eis gelegt. Man sei "tief besorgt" über die Vorwürfe gegen Ratner, teilte ein Sprecher von Playboy Enterprises dem "Hollywood Reporter" mit. Die Lage müsse geprüft werden, bevor die Zusammenarbeit fortgesetzt werde, hieß es.

Die Sprecherin von Oscar-Preisträger Jared Leto stellte sofort klar, dass der Schauspieler nicht mit Ratner zusammenarbeiten werde. Leto war zuvor in den US-Medien als möglicher Hauptdarsteller gehandelt worden.

Ratner selbst teilte laut "Variety" mit, er habe sich entschieden, sich aus allen Warner-Brothers-Projekten zurückzuziehen. "Ich möchte keinen negativen Einfluss auf die Studios auslösen, bis diese persönlichen Angelegenheiten gelöst sind."

Drei Jahre ist es her, dass die Unterhaltungs-Branche durch die Missbrauchsvorwürfe dutzender Frauen gegen den US-Entertainer Bill Cosby (80) aufgerüttelt wurde. Der erste Strafprozess wegen sexueller Nötigung war im Juni gescheitert, weil sich die Geschworenen nicht auf ein Urteil einigen konnten. Ab April soll das Verfahren gegen den Komiker neu aufgerollt werden. Die Karriere des über Jahrzehnte hinweg beliebten TV-Stars ist durch die Vorwürfe längst beendet, Wiederholungen der "Cosby Show" wurden gestrichen, neue Projekte abgesagt.

Diese Woche kam das Aus für die Netflix-Serie "House of Cards", in der Kevin Spacey den skrupellosen Präsidenten Frank Underwood spielt. Der Oscar-Preisträger war zuvor von zwei Schauspielern wegen sexueller Übergriffe beschuldigt worden. Der 58-Jährige outete sich wenig später als schwul und will nun therapeutische Hilfe suchen. Netflix zufolge sei das Serien-Ende schon länger geplant gewesen, doch das Timing erweckte den Eindruck, als sei es eine direkte Reaktion auf die Vorwürfe gegen den Hauptdarsteller.

Auch die Oscar-Saison ist vom Weinstein-Skandal direkt betroffen. So hat die krisengeschüttelte Weinstein Company (TWC) den für November geplanten Kinostart des Historien-Dramas "The Current War" mit Benedict Cumberbatch auf das kommende Jahr verschoben. Damit fällt das Oscar-Rennen für den Film ins Wasser.

Nach den zahlreichen Vorwürfen dutzender Frauen gegen Harvey Weinstein - von Belästigung und massivem Machtmissbrauch bis Vergewaltigung - wurde der Produzent von seiner Firma gefeuert und unter anderem von der Oscar-Akademie ausgeschlossen. Normalerweise würde der Hollywood-Mogul jetzt seine Werbekampagne für die bevorstehende Trophäen-Saison planen, nun ist er in Hollywood die "persona non grata" schlechthin.

In vier Monaten werden die Oscar-Trophäen vergeben. Der Weinstein-Skandal dürfte die Filmbranche auch dann noch beschäftigen. Er werde das auf der Oscar-Bühne wohl ansprechen, sagte Show-Moderator Jimmy Kimmel dem Entertainment-Portal "Vulture.com". "Es ist wirklich nichts zum Lachen", erklärte der Komiker.