"Tatort" aus Köln In diesem ehrenwerten Haus

KÖLN · "Freddy tanzt" ist ein spannender und abgründiger Kölner "Tatort" mit intensiven Bildern, meint GA-Redakteur Thomas Kliemann. Mit dabei: Das Bonner Hotel Kameha Grand, das als mondäne Kulisse dient.

Freddy brennt: Dietmar Bär und Ursina Lardi im neuen Kölner "Tatort".

Freddy brennt: Dietmar Bär und Ursina Lardi im neuen Kölner "Tatort".

Foto: WDR Presse und Information/Bildk

"Freddy in Love" wäre ein passender Titel für den WDR-"Tatort" an diesem Sonntag, der aber "Freddy tanzt" heißt, was sich auf eine hübsche kleine Szene bezieht. In der tänzelt das Schwergewicht auf Wolke Sieben und sinniert offenbar über das, was in den letzten Tagen passiert ist. Eine Insel der Glückseligkeit, die Kommissar Schenk kurzzeitig mit der attraktiven Kunstprofessorin Claudia Denk (Ursina Lardi) teilt. Ein frisches Hemd, ein offenes Ohr für Klassik, der Kennerblick für Kunst - so kennt auch der Kölner Kommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) seinen Freddy (Dietmar Bär) nicht. Die zarte Romanze passt eigentlich kaum in diesen Krimi, der sich als düsteres, sehr melancholisches, herausragendes Kammerspiel in erster Linie um Gefühlskälte dreht, um die Unwirtlichkeit und Anonymität der Städte, wo jeder emotional unbehaust nur seinem Egoismus frönt.

Der Pianist Daniel Gerber hat den Boden unter den Füßen verloren, ist sozial abgestürzt, lebt mit anderen Obdachlosen unter der Deutzer Brücke. Ausgerechnet seine Mutter findet den übel zugerichteten toten Pianisten am Rheinufer. Spuren führen Ballauf und Schenk zu einem Haus. Einem besonderen Haus.

Da ist zunächst ein abweisendes Stahlgitter und neben den Klingelknöpfen eine Kamera. In die hat Gerber einst hilfesuchend geschaut, blutüberströmt, verzweifelt. Wer hat in diesem ehrenwerten Haus auf ihn reagiert? Das Rentnerpaar Koschwitz? Die traumatisierte, von Anna Stieblich intensiv und verhuscht gespielte Autorin Katja Petersen - "ich schreibe Schund, Wegwerfliteratur, nichts für Literaturpreise"? Die schöne, spröde, alleinerziehende Professorin? Der merkwürdig abweisende Eishockeytrainer Günter Baumgart (Robert Gallinowski)?

Jeder hat Geheimnisse in dieser Festung der bürgerlichen Anständigkeit, hier lauern unglaubliche Abgründe, eine verdruckste Sexualität, Angst vor Bloßstellung. Eines eint diese Schicksalsgemeinschaft: Man will seine Ruhe haben, nicht mit dem konfrontiert werden, was außerhalb der eigenen vier Wände passiert. Ballauf und Schenk haben berufsbedingt etwas dagegen, rücken der bizarren Gemeinschaft auf den Pelz, stören dieses Biotop der Ignoranz.

Regisseur Andreas Kleinert findet für diesen düsteren Stoff stimmungsvolle Bilder, die auch die Enge und Kälte dieser Welt suggestiv spürbar machen. In dieser intensiven Kulisse lässt Kleinert bis in die Nebenrollen hinein exzellente Schauspieler agieren: Etwa Laura Sundermann vom Theater Bonn, die die Zerrissenheit und Trauer von Daniels Ex-Freundin, der Cellistin Julia Koch, anrührend verkörpert. Der Star aber ist die erfahrene Bühnenschauspielerin Ursina Lardi (unter anderem Schaubühne Berlin), die als rätselhafte Schöne durchaus nachvollziehbar dem braven Freddy den Kopf verdreht. Kleinert gibt ihr genug Aktionsraum in diesem "Tatort", der aus subtilen Andeutungen und Zwischentönen seine Spannung zieht.

Wer spielt noch mit? Das Bonner Hotel Kameha Grand dient ebenso als mondäne Kulisse wie das wunderbare Treppenhaus des WDR-Funkhauses. Ja, auch das Funkhausorchester ist im Großen Sendesaal dabei. Und Dirigent Rasmus Baumann spielt sich selbst. Frank Heckel hat extra für den Tatort den "Tango Colonuevo" komponiert. Der ist fast zu schön für diesen abgründigen "Tatort".

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

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