Bürgermeisterwahl in Paris Kandidat zieht sich nach Auftauchen eines Sex-Videos zurück

Paris · Benjamin Griveaux wäre wahrscheinlich sowieso nicht der nächste Pariser Bürgermeister geworden. Jetzt tritt er aber erst gar nicht an - die Veröffentlichung wenig schmeichelhafter Videos hat ihn Bedrängnis gebracht. Wie geht es nun weiter in Paris?

 Benjamin Griveaux hat seine Kandidatur zurückgezogen.

Benjamin Griveaux hat seine Kandidatur zurückgezogen.

Foto: dpa/Thibault Camus

Die Empörung kennt in diesem Fall keine Parteigrenzen. Wegen einer Affäre um ein Sex-Video hat der Wunschkandidat von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron für die Pariser Bürgermeisterwahl, Benjamin Griveaux, völlig überraschend seinen Rückzug aus dem Rennen erklärt. Der sichtlich geschockte Politiker begründete am Freitagmorgen gegenüber mehreren französischen Nachrichtensendern seinen Verzicht. „Seit mehr als einem Jahr sind meine Familie und ich verleumderischen Aussagen, Lügen, Gerüchten, anonymen Angriffen und Morddrohungen ausgesetzt“, erklärte Griveaux mit steinerner Miene. Der 42-Jährige wolle dies seiner Familie nicht länger zumuten. Dass Fass zum Überlaufen habe die Veröffentlichung eines Videos sexueller Natur gebracht, das Griveaux zugeschrieben wird. „Eine Website und soziale Netzwerke haben abscheuliche Angriffe auf meine Privatsphäre verbreitet“, sagte der Politiker.

Vertreter sämtlicher Parteien verurteilten in sehr deutlichen Worten die Veröffentlichung des Videos und beklagten einen eklatanten Tabubruch. Immer wieder wird von den Kommentatoren die „Amerikanisierung“ der französischen Politik angeprangert. Gemeint ist damit, dass intimste Details aus dem Privatleben eines Politikers ans Lichtgezerrt werden. Der bekannte Essayist Maxime Tandonnet spricht von einem politischen Erdbeben und ist überzeugt, dass der Verlierer dieser Enthüllung nicht nur Benjamin Griveaux, sondern vor allem die französische Demokratie sei. „Der amerikanische Puritanismus hat bereits den französischen Geist ergriffen“, schreibt Tandonnet in „Le Figaro“. In düsteren Worten prophezeit er eine Art Renaissance der Lynchjustiz und den Sieg der Lügen.

Schwerer Schlag für Macron

Auslöser des Skandals war eine Website, auf der ein Video auftauchte, in dem sehr eindeutige Fotos und Nachrichten an eine Frau zu finden sind. Auf der Website hieß es, das Video stamme von Griveaux. Schnell verbreitete sich die Aufnahme in zahlreichen Online-Diensten. Am Freitag schließlich bekannte sich der Künstler Piotr Pawlensky dazu, das Video veröffentlicht zu haben. Er habe Griveauxs „Scheinheiligkeit“ zur Schau stellen wollen, der immer wieder vom großen Wert der Familie spreche. Die Aufnahme habe er von einer Person erhalten, die eine „einvernehmliche Beziehung“ mit Griveaux gehabt habe.

Pawlensky lebt im Exil in Paris, nachdem er in Russland immer wieder wegen seiner Aktionen ins Gefängnis gesteckt wurde. So hat er sich auf dem Roten Platz an seinen Hoden im Pflaster festgenagelt oder die Tür des russischen Geheimdienstes angezündet. Kaum im französischen Exil setzte er seine Aktionen fort und zündete die Tür der Banque de France an, wofür er eine Gefängnisstrafe erhielt.

Der Rückzug von Griveaux ist ein schwerer Schlag für den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron und dessen Bewegung La République en Marche. Um seinen früheren Regierungssprecher als Kandidaten in Paris durchzusetzen, hatte er ein Zerwürfnis innerhalb seiner eigenen Partei in Kauf genommen. Eine Niederlage der LREM in Paris wäre auch ein Rückschlag für seinen Präsidentschaftswahlkampf 2022. Die erste Runde der Kommunalwahlen findet am 15. März statt. Die Hauptstadt hat wegen ihrer politischen und wirtschaftlichen Bedeutung einen kaum zu überschätzenden Symbolcharakter. Im Rathaus hat derzeit die Sozialistin Anne Hidalgo das Sagen. Die nächste Herausforderung für die Millionenmetropole sind die Olympischen Spiele im Jahr 2024.

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