Das Leben auf der Straße Krise trifft die Obdachlosen in Frankreich besonders hart

Paris · Die Corona-Krise trifft vor allem die Menschen ohne festen Wohnsitz hart. Ein Bericht über die aktuelle Situation der Obdachlosen in Frankreich.

 Gerade die Wohnsitzlosen trifft es in der Corona-Krise hart.

Gerade die Wohnsitzlosen trifft es in der Corona-Krise hart.

Foto: dpa/Francois Mori

Das Leben sieht für diese Menschen keinen weiteren sozialen Abstieg mehr vor. Sie sind ganz unten angekommen. SDF heißt die Endstation – die französische Abkürzung für Sans Domicile Fix, ohne festen Wohnsitz. Fast 4000 von ihnen leben allein in Paris, sie schlafen im Sommer unter Brücken und im Winter in den Métro-Stationen. Sie haben sich meist irgendwie arrangiert mit ihrem Schicksal, doch das Leben hat nun noch eine böse Überraschung parat. Die Corona-Krise trifft die Wohnsitzlosen mit voller Wucht. Denn das Wenige, was sie zum Leben brauchen, wird ihnen nun auch noch genommen.

Wegen der rigiden Ausganssperren in Frankreichs Städten, schlendern keine Passanten mehr durch die Straßen, die den Bettlern immer wieder eine Münze zustecken oder ihnen etwas zu essen kaufen. Die Armenküchen, die häufig von Spenden der Restaurants leben, bekommen keine Lebensmittel mehr, weil die Gastronomen geschlossen haben. Und viele der freiwilligen Helfer können in der Zeit der Krise nicht mehr mit anpacken, weil sie sich zuhause um ihre eigenen Kinder kümmern müssen, da in den Schulen der Unterricht ausfällt.

„Auch das soziale Leben der Wohnsitzlosen ist schwierig geworden“, sagt Thierry des Lauriers, Chef der Hilfsorganisation Aux Captifs La Libération. Beliebte Plätze, wo sich die Gruppen getroffen haben, sind geschlossen. Und wenn sich einige Männer und Frauen zusammen etwa vor der Pariser Oper auf die Treppen setzen, werden sie wegen des Versammlungsverbotes von der Polizei verjagt. Thierry des Lauriers: „Sie sagen uns immer wieder, dass sie die Vergessenen dieser Geschichte sind.“ Manche würden sich schlicht auch alleine fühlen, weil sie keine Menschen mehr auf den Straßen sehen. Auch sei es für die Wohnsitzlosen schwierig geworden, sich in der Stadt zu bewegen. Konnten sie zuvor in der Masse der Passanten untertauchen, werden sie nun in den menschenleeren Straßen häufiger von der Polizei aufgegriffen.

Eine besorgniserregende Beobachtung für die Helfer ist, dass viele von Drogen abhängige Wohnsitzlose auf schwerem Entzug sind. Sie könnten sich ihre tägliche Dosis an Alkohol oder Rauschgift nicht mehr besorgen, erklärt Thierry des Lauriers, manche würden deshalb zitternd und kurz vor dem Delirium auf der Straße zusammenbrechen. Die Hilfsorganisation versucht wegen der Auswirkungen der Corona-Krise in diesen Wochen die Kontrollen in den Straßen zu verstärken. „Wir sehen nach, ob sie genügend zu essen haben und untersuchen sie kurz, vor allem wenn sie Anzeichen einer Infektion durch den Coronavirus zeigen“, beschreibt Thierry des Lauriers die Arbeit der Helfer.

Es gibt allerdings auch Wohnsitzlose, die versuchen, die Situation auf kriminelle Weise auszunutzen. In der Zeitung „Figaro“ beschreibt ein junger Mann, dass mitten in Paris im Viertel Pigalle ein Bettler versucht habe, ihm die Geldbörse zu entreißen. Anders als zu normalen Zeiten sei keine Menschenseele unterwegs gewesen und auch keine Polizei in der Nähe. Er habe allerdings weniger Angst um sein Geld gehabt, gesteht der junge Mann, sondern eher, sich im Gerangel mit dem Angreifer mit dem Coronavirus anzustecken.

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