Zum Welttag des Fernsehens Lagerfeuer oder Loch? - Zwei Sichtweisen

Bonn · Es gab immer einen Fernseher da, wo ich gerade zu Hause war. Allerdings könnte man sagen, dass ich mich immer mehr von dem Gerät (und seinen Angeboten) entfernt habe - im geistigen und auch räumlichen Sinne.

Zum Welttag des Fernsehens: Lagerfeuer oder Loch? - Zwei Sichtweisen
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"Spielfilme auf dem Smartphone gucken? Das könnte mein Ding werden"

Von Tina Stommel

Die klassische Kombination Sofa vor Fernseher ist bei mir Kindheitserinnerung: Da gab es diese Hänge-Couch, wie wir sie in der Familie nannten, weil man, einmal Platz genommen, im Verlauf eines Fernsehfilms unweigerlich vom Sitzen ins Liegen rutschte, weil die viel zu weichen Polster es so wollten.

Mein persönlicher Fernseher gehorchte im Rückblick vermutlich nur einmal dem gerade aktuellen Standard. Das Ding war schwarz, für meinen Geschmack schlachtschiffgroß, für meinen Partner dagegen die Mindestgröße, um überhaupt ernsthaft daran zu denken, davor mit Kumpels Fußball zu gucken, ohne sich zu schämen - und dann musste die Glotze zu diesem Zweck auch noch jedes Mal aus der hintersten Zimmerecke in den Vordergrund geschoben werden. Weil ich mich standhaft weigerte, das schwarze Riesenloch in die Wohnzimmereinrichtung zu integrieren.

Das Loch wurde danach immer kleiner und, man kann sagen, immer schwärzer. Jeden Sonntag "Tatort" gucken? Nicht mit mir. Nur einmal habe ich für eine gewisse Zeit mein Freizeitleben aufs Fernsehprogramm abgestimmt, von der Serie "Ally McBeal" wollte ich keine Folge verpassen. Irgendwann passierte es aber doch, dann nochmal, und dann war's mir auch egal, was Ally so treibt.

Gerade bin ich in eine neue Wohnung gezogen. Erste Amtshandlung: das Regal im Wohnzimmer bestücken mit meinen Schätzen. Damit sind Bücher gemeint. Irgendwo rechts, weiter unten, ist das schwarze Loch. "Wo ist dein Fernseher?", wurde ich letztens gefragt. "Da!", hab' ich gesagt. "Wo?", fragte er - ein anspruchsvoller Viel-TV-Gucker. "Das da soll ein Fernseher sein?", schob er hinterher, als er das schwarze Loch fand, das, naja, exakt ins Ikea-Billy-Regal passt. Es geht aber noch kleiner: Bei meiner besten Freundin (längst vom Öffentlich-Rechtlichen ins Netflix-Land ausgewandert) ist das schwarze Loch vom Laptop übers iPad bis zum Handy geschrumpft. Spielfilme auf dem Smartphone gucken? Das könnte mein Ding werden.

"Falsch aber ist, das Fernsehen für zumindest scheintot zu erklären"

Von Bernward Klein

Fürs mediale Lagerfeuer sorgte in den ersten Jahren mein Vater. Ohne Zigarette ging nichts. Und ja, die Familie versammelte sich oft genug komplett vorm Fernseher. Zu einem überschaubaren Programm mit den wenigen Stars ihrer Zeit, die alle kannten, weil alle sie sahen. Und das, glaube ich, nicht nur mangels Alternativen.

Die älteren Erinnerungen sind in Schwarz-Weiß. Die älteren Albträume auch, weil sich der Dreikäsehoch immer mal wieder heimlich hinters Sofa geschlichen hatte, um verbotenerweise Diana Rigg als Emma Peel die Welt oder zumindest Patrick Mcnee alias John Steed retten zu sehen. Dann wurde die TV-Welt bunter, schriller - und immer unübersichtlicher. Kannte damals jeder "Bonanza" und "Flipper", ist es heute nicht mehr so einfach, Gleichgesinnte zu Fachsimpeleien zu finden. Weil viele das klassische Fernsehen für sich längst gestrichen haben, bei Streamingdiensten unterwegs sind und dort Serien sehen, die im HD-, aber doch noch nicht völlig smarten Fernseher auf keinem Kanal zu haben sind. Nur der "Tatort" scheint generationenübergreifend mehrheitsfähig und anziehend genug, ein analoges Erlebnis für die Diskussion anderntags zu schaffen.

Da stimmen manche bereits den Abgesang auf ein Medium an, das überhaupt gerne unter Feuer genommen wird. Gut, manches Angebot schlägt an Schau- und Informationswert nicht einmal das Testbild, das meine Generation noch kennt. Und das nicht erst zu später Stunde, wo - ganz im Gegenteil - öffentlich-rechtliche Anstalten schon einmal Beiträge versenden, die richtig gutes Fernsehen sind. Richtig, das Niveau sinkt immer wieder tief unter Bodenhöhe, was mancher Privatsender mit erstaunlicher Ausdauer vorexerziert. Schlimm auch, wie häufig fehlende Fantasie und mangelnder Mut bei der Programmgestaltung zusammengehen.

Falsch aber ist, das Fernsehen für zumindest scheintot zu erklären. Es gibt sie, die Höhepunkte. Es gibt sie, die seriösen Nachrichtensendungen und spannenden Dokumentationen. Und immer wieder gibt es auch Unterhaltungsproduktionen, die funktionieren. Nein, das Fernsehen wird noch gebraucht. Und sei es bisweilen als Einschlafhilfe.

Fakten zum Fernsehen

Der Welttag des Fernsehens am 21. November soll an das erste Weltfernsehforum der Vereinten Nationen im Jahr 1996 erinnern. Zahlen und Fakten zum Fernsehen:

Jeden Tag sehen rund 5,5 Milliarden Menschen fern, das entspricht drei Vierteln der Weltbevölkerung.

Das klassische Fernsehen erreichte 2014 in der Bundesrepublik 91,3 Prozent der Menschen ab 14 Jahren.

Die Deutschen saßen 2014 im Schnitt täglich 221 Minuten vor der Mattscheibe. 1990 waren es 147 Minuten.

In 85 Prozent der deutschen Haushalte standen 2014 HDTV-Geräte, in 38 Prozent internetfähige Smart-Fernseher. Fernsehen ist in Deutschland laut Freizeitmonitor 2015 mit 97 Prozent die häufigste Freizeitbeschäftigung - gefolgt von Radio hören (90), Telefonieren von zu Hause (89) und Internet (73) .

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