Bonner Evolutionsbiologen Macker können der Gesellschaft schaden

BONN · Das Klischee ist weit verbreitet. Evolutionstheorie = Darwinismus = Der Stärkste setzt sich durch und ist deshalb auch der und das Beste? So einfach ist es offenbar nicht. Evolutionsbiologen aus Bonn, Bielefeld und Groningen haben nun eine These aufgestellt, die - übertragen auf die moderne Zivilisation - nachdenklich stimmen kann.

 Alphatiere und ihre Drohgebärden: Eine Studie zeigt, dass allzu große Konzentration auf Konkurrenzdenken schädlich ist.

Alphatiere und ihre Drohgebärden: Eine Studie zeigt, dass allzu große Konzentration auf Konkurrenzdenken schädlich ist.

Foto: dpa

Sie lautet: Wenn besonders wettbewerbsorientierte Individuen in einer Gemeinschaft bevorzugt werden, diese also besonders stark prägen, dann kann dies die gesamte Population in den Ruin treiben.

Um das Thema Wettbewerbsfähigkeit zu analysieren, entwickelte das deutsch-niederländische Forscherteam theoretische Modelle. "Wir haben uns am Beispiel des Paarungsmarktes orientiert", erklärt Dr. Sebastian Baldauf vom Institut für Evolutionsbiologie und Ökologie der Bonner Universität.

Bei vielen Organismen sei es so: Die Männchen konkurrieren um Ressourcen - bei Affen könnte das der Baum mit den meisten Früchten sein, bei Bären das Stück Bach mit den meisten Fischen und so weiter. Die Weibchen wiederum suchen sich den vielversprechendsten Partner zur Fortpflanzung aus, also den mit den besten Ressourcen.

Das Problem, das die Forscher dabei beobachten: Die Männchen werden auf diese Weise angestachelt, mehr als notwendig in ihre Konkurrenzfähigkeit zu investieren - selbst, wenn es nur wenig zu gewinnen gibt. Unter ökologisch schlechten Bedingungen könne dies dazu führen, dass die Anforderungen an die Männchen den Wert der Ressource überschreiten. Und dies könne letztlich zum Aussterben der Population führen.

Es geht aber auch anders, denn nicht alle sind gleich: Auf manchen Paarungsmärkten haben verschiedene Weibchen verschiedene Vorlieben, was Männchen angeht. So schaffen es die weniger auf Konkurrenz ausgerichteten Männchen, die Kosten des Wettbewerbs gering zu halten. Und mehr: Durch den umsichtigen Umgang mit etwas geringeren Ressourcen können sie sogar einen ähnlichen Erfolg erzielen wie ihre stark wettbewerbsorientierten Artgenossen.

Professor Franjo Weissing von Zentrum für ökologische Evolutionsstudien der Universität Groningen mahnt zwar: "Es ist immer Vorsicht geboten, wenn man derartige Befunde von evolutionären Modellen auf den Menschen übertragen möchte." Gleichwohl scheine es aber plausibel, dass ganz ähnliche Prozesse beim Menschen dazu führen, dass sich Gesellschaften in ihrer Betonung der Konkurrenzfähigkeit unterscheiden und dass es innerhalb einer Gesellschaft große Unterschiede in den Wettbewerbsstrategien gibt. Das Fazit der Evolutionsbiologen: Eine einseitige Favorisierung von vermeintlich erfolgreichen, wettbewerbsorientierten Menschen könne in großem Maßstab zur Verschwendung von Ressourcen führen. Oder einfacher ausgedrückt: Macker können der Gesellschaft schaden.

Die Studie: Baldauf, S.A., Engqvist, L. &Weissing, F.J.: Diversifying evolution of competitiveness. Nature Communications, DOI: 10.1038/ncomms6233

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