Interview zur Lage auf Mallorca „An der Playa de Palma ist es schlimmer als vor der Corona-Pandemie“

Palma de Mallorca · Während der Corona-Pandemie war die Hoffnung vieler Mallorquiner groß, die Playa de Palma mit dem Ballermann auf Mallorca endlich aufzuwerten. Doch mittlerweile ist die Lage schlimmer als je zuvor, bedauert auch Juan Miquel Ferrer, Chef der Qualitätsoffensive „Palma Beach“.

Juan Miquel Ferrer, Chef der Qualitätsoffensive „Palma Beach“, träumt von einer Playa de Palma ohne Sauftouristen. Doch Realität am Ballermann sieht anders aus.

Juan Miquel Ferrer, Chef der Qualitätsoffensive „Palma Beach“, träumt von einer Playa de Palma ohne Sauftouristen. Doch Realität am Ballermann sieht anders aus.

Foto: Michael Wrobel

Die Mallorca-Saison hat gerade erst begonnen - doch die Zahl der Zwischenfälle, die sich an der Playa de Palma und am Ballermann ereignet haben, ist bereits hoch: Eine Gruppe Kegelbrüder aus Münster soll für den Brand eines Schnitzellokals verantwortlich sein, deutsche Urlauber sind in Vergewaltigungsfälle verstrickt, dazu regelmäßige Schlägereien und Alkoholexzesse. Dabei sollte sich die Playa in diesem Jahr nach zwei Jahren Pandemie nun endlich aufgewertet präsentieren und die Sauftouristen der Vergangenheit angehören. So zumindest hatten es sich die Verantwortlichen der Qualitätsoffensive „Palma Beach“ vorgestellt. Doch die Situation ist extremer als je zuvor. Über die Gründe hat Michael Wrobel mit dem Chef des Verbundes, Juan Miquel Ferrer, gesprochen.

Anfang April haben Sie noch optimistisch erklärt, die Aussichten auf die Saison seien sehr positiv. Sie sprachen dabei sogar von einem neuen Typ Urlauber, der die Playa de Palma für sich entdeckt hat. Was ist von diesen Erwartungen übriggeblieben?

Juan Miquel Ferrer: Diese neuen Urlauber sind tatsächlich gekommen. Bis Mitte Mai. Doch dann sind wieder jene Urlauber gekommen, die schon vor Corona auf die Insel kamen – jedoch zwei oder dreimal so viele. Was ist also von unserem Traum geblieben? Ich denke, wir träumen immer noch weiter. Denn ich glaube fest daran, dass wir es schaffen werden, diesen Strandabschnitt hier zu verändern. Aber: Urlauber, die sich in nur vier Stunden ins Koma saufen, wollen wir Mallorquiner nicht.

Ist die Situation an der Playa de Palma also wieder so wie vor der Pandemie?

Ferrer: Es ist schlimmer. Die Leute haben zwei Jahre lang nicht gefeiert. Jetzt nutzen sie die neue Freiheit aus – aber viel extremer. So wie in den letzten 30 Tagen habe ich die Playa noch nie gesehen. Bisher war es immer so, dass die Gruppen aufeinander aufgepasst haben. Jetzt werden die Besoffenen einfach alleine auf der Straße oder am Strand liegen gelassen. Die Betrunkenen pinkeln überall hin. Die sind morgens um elf Uhr schon komplett besoffen. Die geben drei, vier Tage Vollgas auf der Straße. Wenn man das in einem Laden macht, ist das kein Problem, aber auf der Straße geht das einfach nicht. Das ist kein gutes Bild, das sie da hinterlassen – auch nicht für die Deutschen im Allgemeinen oder uns hier. Kein Urlaubsziel in Europa will solche Urlauber haben.

Woran liegt es, dass diese Urlauber so sehr über die Stränge schlagen?

Ferrer: Ich denke, dass dies mit dem Phänomen Ballermann zusammenhängt. Der Ballermann ist vor 50 Jahren als etwas Tolles gestartet. Da sind ganz normale Leute nach Mallorca zum Feiern gekommen. Doch in den vergangenen Jahren hat sich die Situation immer mehr verschärft und alles wurde extremer. Keiner der ursprünglichen Ballermänner versteht das heute noch. Ich selbst mache schon viele Jahre lang hier Geschäfte. Mein Vater hat die Bierstraße mit gegründet. Auch wir verstehen es nicht.

Kann sich die Situation in dieser Saison noch verbessern?

Ferrer: Das hängt von ganz vielen Dingen ab - wie beispielsweise die Polizei agiert. Und ob unsere Politiker die richtigen Maßnahmen treffen. Das hängt auch davon ab, ob die Jungs, die hierher zum Feiern kommen, auch endlich kapieren, dass ihr Verhalten nicht okay ist. Und dass dann wieder eine andere Art des Feierns entsteht. Ich glaube, dass der Ballermann noch 30 Jahre überleben könnte, wenn sich alle an Regeln halten. Aber mit diesem Extrem hat der Ballermann keine Zukunft.

Dichtes Gedränge herrscht an der "Bierstraße".

Dichtes Gedränge herrscht an der "Bierstraße".

Foto: dpa/Michael Wrobel

Welcher Typ Urlauber kommt denn in dieser Saison an die Playa de Palma?

Ferrer: Die eine Hälfte sind Urlauber, die keine Ahnung haben, was der Ballermann eigentlich wirklich ist. Die haben tolle Hotels hier gebucht, an einem wunderschönen Strand und mit toller Gastronomie. Die andere Hälfte sind Sauftouristen, die hier auf der Straße nur wild feiern und saufen wollen. Die holen sich Billigalkohol in den Supermärkten, trinken diesen am Strand und lassen am Ende den ganzen Müll liegen.

Und welche Touristen hätten Sie lieber hier?

Ferrer: Die gleichen. Aber sie sollen nicht das Billigzeug kaufen und sich besser benehmen.

Zuletzt wurden erneut strengere Regeln erlassen, die unter anderem bei All-inclusive-Hotels den Alkoholausschank regulieren sollten. Woran liegt es, dass diese Regeln nicht eingehalten werden?

Ferrer: Willkommen in Spanien! Keine Ahnung, warum das so ist. Es werden Regeln aufgestellt, aber dann leider nicht umgesetzt. Statt schon Anfang April mit Kontrollen zu beginnen, fangen unsere Behörden erst Ende Mai damit an. Das ist viel zu spät und man hat diese Probleme.

Gibt es zu wenige Polizisten?

Ferrer: Es gibt hier 570 Polizisten. Doch wenn du die Regeln nicht richtig umsetzt, kannst Du auch 750 haben und es klappt nicht. Ich war kürzlich noch in Amsterdam. Da waren viel weniger Polizisten auf den Straßen, aber die setzen Regeln konsequent durch. Da trinkt keiner auf der Straße.

Elf Restaurants, die auch zu „Palma Beach“ gehören, haben nun einen Dresscode beschlossen. Ärmellose Shirts, Badehosen, Fußballtrikots und Shirts, „die Lokale bewerben, die den Alkoholkonsum anpreisen“, sind verboten. Also bekommt keiner mehr im „Bierkönig“-Shirt und Badehose ein Bier in diesen Lokalen?

Ferrer: So schlimm ist es nicht. Am Tag kannst du natürlich in Badehose oder Flip Flops auch in diese Lokale gehen. Wir sind hier schließlich am Strand. Dieser Dresscode ist für abends gedacht und für all jene, die mit weißen Socken, Adiletten, Fußballtrikot und total besoffen kommen. Da sagen wir Nein, denn das passt nicht zum Publikum, das abends zu uns kommt. Wir wollen uns vor den Sauftouristen schützen, weil dies die Behörden nicht schaffen. Wenn du also im Bierkönig-T-Shirt kommst, dich aber benehmen kannst, dann kommst du auch rein.

Glauben Sie, dass sich die Situation irgendwann doch noch beruhigt?

Ferrer: Ich bin schon davon überzeugt, dass Palma Beach am Ende gewinnen wird. Es ist nur ein wirtschaftlicher Punkt: Die Stadt will Geld und Geld bringt Qualität. Wenn hier nur Dosenbier von illegalen Straßenhändlern verkauft wird, bekommt die Stadt kein Geld, da diese Verkäufer keine Steuern zahlen. Deshalb wird die Stadt irgendwann reagieren. Ich glaube auch, dass der Druck steigen wird, da die anderen deutschen Urlauber diesen Sauftourismus nicht haben wollen, sich sogar dafür schämen. Ich denke, dass sich die Playa schon bald verändern wird.

Ihr Traum von der Playa de Palma in zehn Jahren?

Ferrer: Das, was wir geplant haben, kommt schneller. Es wird eine Symbiose zwischen vielen jungen Leuten und anspruchsvollen Touristen geben. Hier werden junge, digitale Nomaden aus ganz Europa leben, die hier für sechs bis acht Monate im Jahr ihre Wohnungen haben. Kombiniert mit tollem Tourismus – mit einem wunderbaren Strand, Elektro-Mobilität, die tolle Hauptstadt Palma, viel Natur, eine gute Partyszene und beste Gastronomie mit hochwertigen Clubs und weltweit bekannten DJs. Auch der Ballermann darf da eine Rolle spielen – mit ein oder zwei tollen Partytempeln, aber eher in die Richtung Oktoberfest mit richtig gutem Essen und Getränken, DJs und Kapelle. Warum nicht? Aber das Ganze muss organisiert sein – und darf eben nicht auf der Straße eskalieren, so wie es jetzt gerade passiert.

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