Schuldenberg und Suppenküche Wie Mallorca-Auswanderer durch die Coronakrise kommen

Mallorca · Hoteliers und Gastronomen hoffen, dass es auf Mallorca bald wieder eine halbwegs normale Feriensaison geben könnte. Doch viele, die früher vom Tourismus leben konnten, mussten aufgeben und sind nun auf Hilfe angewiesen.

 Jasmin Nordiek (links) und Heimke Mansfeld stehen mit Hilfspaketen und Wasserflaschen an einem Tisch. Die beiden haben auf Mallorca die private Hilfsorganisaton «Hope Mallorca» gegründet. Die beiden Deutschen leben auf der Insel und organisieren mit Hilfe von Spenden und Freiwilligen eine Essensausgabe für Bedürftige.

Jasmin Nordiek (links) und Heimke Mansfeld stehen mit Hilfspaketen und Wasserflaschen an einem Tisch. Die beiden haben auf Mallorca die private Hilfsorganisaton «Hope Mallorca» gegründet. Die beiden Deutschen leben auf der Insel und organisieren mit Hilfe von Spenden und Freiwilligen eine Essensausgabe für Bedürftige.

Foto: dpa/Mar Granel

So langsam sehe er wieder ein kleines bisschen Licht am Ende des Tunnels. Die Coronazahlen auf Mallorca seien sehr niedrig – die Sieben-Tage Inzidenz liegt bei annähernd 30 Fällen pro 100.000 Einwohner. Das mache Hoffnung, sagt der 62-jährige Deutsche Christophorus Heufken, der im Nordosten Mallorcas ein kleines Hotel und ein Restaurant betreibt. Hoffnung, dass im Sommer wieder die Touristen zurückkehren. Und dass es auf der Urlaubsinsel bald wieder eine halbwegs normale Feriensaison geben könnte.

Mit Grauen denkt der gebürtige Essener an das zurück, was er „eine Katastrophe“ nennt. An den europaweiten Ausbruch der Coronapandemie, welche die Insel im März 2020 in eine abgrundtiefe wirtschaftliche Krise stürzte. Der monatelange Lockdown. Das plötzliche Ausbleiben der Urlauber, was die wichtigste Einnahmequelle der Insel, den Tourismus, über Nacht versiegen ließ. „Monatelang wusste man nicht, ob man überhaupt weitermachen kann“, erzählt Heufken.

 Christophorus Heufken

Christophorus Heufken

Foto: Heufken

Das ganze Lebenswerk, das er sich auf der Insel in über 20 Jahren aufgebaut habe, sei plötzlich vor seinen Augen den Bach heruntergegangen. Sein Lebenswerk, das ist das kleine, aber feine Hotel „Palacio Sant Salvador“ im mittelalterlichen Dorf Artà. Ein historischer Stadtpalast mit originell eingerichteten Gästezimmern am Dorfrand mit idyllischem Garten und Meerwasserpool. Dazu kommt das Restaurant „Sa Taverna Verge Maria“ im benachbarten Küstenferienort Colònia de Sant Pere.

In den Osterferien kamen zehntausende Urlauber nach Mallorca

„Man hat auf einmal Riesenschulden“, beschreibt Heufken die Lage. Und vom spanischen Staat komme wenig Unterstützung. „Die einzige Hilfe war, dass wir die Angestellten in Kurzarbeit schicken konnten.“ Die Ersparnisse waren schnell aufgebraucht. Heufken musste Kredite aufnehmen – eine schwere Bürde für die Zukunft: „Dieses Geld muss man irgendwann zurückzahlen.“ Die finanzielle Not sei das allergrößte Problem: „Knall auf Fall verliert man unglaublich viel Geld.“

Da sei natürlich auch ihm der Gedanke durch den Kopf geschossen, die Brocken hinzuwerfen. Und die Koffer zu packen. Aber mittlerweile habe er alles durchgerechnet und einen Krisenplan für die Zukunft gemacht. „Das macht einen dann etwas ruhiger.“ Und es gebe wieder kleine Lichtblicke, die ihn bestärkt hätten, doch durchzuhalten.

Einer dieser Lichtblicke waren zum Beispiel die Osterferien, in denen auf Mallorca wieder der Tourismus anlief und zehntausende ausländische Urlauber, darunter auch viele Deutsche, Schweizer und Österreicher, auf die Insel kamen. „Da hatten wir gut zutun“, freut sich Heufken. Auch in seinem Restaurant „Sa Taverna“ läuft es seitdem wieder einigermaßen. Denn die Inselregierung erlaubt inzwischen die Bewirtschaftung der gastronomischen Außenterrassen. Heufkens Taverne hat viele Außentische. Das hilft also.

Andere Hoteliers und Gastronomen auf Mallorca, die eine ähnliche Durststrecke erlebten, hatten weniger Durchhaltekraft. „Einige verdauen das gut, andere können ihre Familie nicht mehr ernähren“, erzählt Heufken. Nicht wenige, die früher vom Tourismus leben konnten, müssten sich jetzt bei den Suppenküchen der Kirchen und privaten Initiativen anstellen. „Das geht schon an die Nieren.“

Organisation „Hope“ hilft Menschen, die in die Armut gerutscht sind

Viele in die Armut gerutschte Menschen klopfen nun bei der Deutschen Heimke Mansfeld und ihrer Hilfsorganisation „Hope“ (Hoffnung) an die Tür. „Die Not wird größer“, berichtet die 54 Jahre alte Hope-Vorsitzende Mansfeld, die ihren Verein der Hoffnung im Mai 2020 zusammen mit den beiden Mallorca-Deutschen Jasmin Nordiek und Sonja Willner gründete. Viele vom Tourismus abhängige Inselbewohner, die sich bisher noch irgendwie über Wasser gehalten hätten, seien nun am Ende. „Jetzt wird es kritisch.“

Sieben „Essens-Stationen“, in denen Lebensmittel ausgegeben werden, hat der deutsche Hilfsverein inzwischen auf der ganzen Insel aufgebaut. Jeden Monat werden insgesamt 39 Tonnen Lebensmittel verteilt – Spenden von Supermärkten, Bauern und Privatpersonen. Nahezu 4000 Bedürftige werden durch mittlerweile 200 ehrenamtliche Helfer versorgt. Mehr als die Hälfte der Ehrenamtlichen sind ausländische Mallorca-Residenten, darunter selbst durch Not Betroffene. Auch viele Deutsche, Schweizer und Österreicher helfen mit.

Vereinschefin Mansfeld ist dankbar, dass sie selbst bisher ohne größere Probleme durch die Coronakrise kam. „Deswegen habe ich mir gesagt, jetzt muss ich den anderen helfen.“ Die gebürtige Norddeutsche betreibt im südlichen Inselort Santanyí den Friseur- und Schönheitssalon „DeMa“. Sie hat sich auf Mallorca einen Ruf als Haarstylistin erarbeitet. Aber auf diesem Erfolg wollte sie sich nicht ausruhen. „Es war mir wichtig, dieser Insel, die mir so viel gegeben hat, etwas zurückzugeben.“

Und wie wird es auf Mallorca weitergehen? Die Lage gleiche bisher einem Wechselbad der Gefühle, sagt Andreas Falow, Pfarrer der deutschsprachigen katholischen Gemeinde in Palma. Als Folge des wellenmäßigen Infektionsgeschehens gebe es mal Zuversicht, mal Bangen. „Es geht rauf und runter“, sagt Falow. Nicht wenige ausländische Inselaussteiger, die im Tourismusgeschäft gearbeitet hatten und diese Corona-Achterbahnfahrt nicht mehr aushielten, hätten nach dem Aufzehren ihrer Ersparnisse in die Heimat zurückkehren müssen.

 Pfarrer Andreas Falow

Pfarrer Andreas Falow

Foto: Falow

Auf Mallorca macht sich vorsichtiger Optimismus breit

Immerhin: Jetzt, wo Corona auf der Insel wieder einmal weitgehend unter Kontrolle scheint, mache sich vorsichtiger Optimismus breit. Falow betet zum Himmel, dass die Entwicklung weiter positiv bleibt. Denn alles hänge nun davon ab, dass es auf der Insel keinen erneuten Coronarückfall gebe und die Touristen wieder in größerer Zahl kommen könnten.

„Es muss jetzt eine gute Sommersaison geben“, sagt der 58-jährige Mallorca-Geistliche, der gebürtig aus dem Stuttgarter Raum stammt und vor seinem Umzug nach Mallorca viele Jahre in der Schweiz als Pfarrer tätig war. „Denn wenn es jetzt nicht auf der Insel aufwärts geht, dann stehen hier viele vor dem absoluten Nichts.“

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