20 Jahre Eurotunnel Mit 160 unter dem Meer - 20 Millionen nutzen ihn jährlich

LONDON · Knapp 40 Meter unter dem Meer feiert sich Europa in Abteil 3. Touristen zücken ihre Kameras, während der Eurostar durch eine der Röhren unter dem Ärmelkanal fährt.

Millionen Tonnen Wasser lasten auf der Konstruktion. Französische, englische, niederländische und polnische Wortfetzen fliegen über die Sitzreihen, als wäre die Zugfahrt eine Party. Dann kommt der Moment, der bei den Reisenden zu den Höhepunkten der Zugfahrt gehört: Mit maximal 160 Kilometern pro Stunde jagt der Hochgeschwindigkeitszug durch die Dunkelheit, die Passagiere fassen sich an ihre Ohren.

Sie spüren den Druck durch die Tiefe des Tunnels. Der Eurostar verbindet seit 20 Jahren London mit Paris und Brüssel. Am 6. Mai jährt sich die Eröffnung des Eurotunnels unter dem Ärmelkanal zum 20. Mal. Dabei legte bereits im Jahr 1802 der französische Bauingenieur Albert Mathieu einen ersten Entwurf vor, wie England und Frankreich per Tunnel verbunden werden können.

Heute klingt er abenteuerlich: Pferdekutschen sollten die Passagiere transportieren, hölzerne, über der Wasseroberfläche herausragende Lüftungstürme waren für den Luftaustausch geplant, Öllampen sollten für das Licht im Tunnel sorgen. Weil Pferde ihre Pausen brauchen, plante Mathieu sogar eine Pferdewechselstelle auf einer Sandbank.

Zu viele technische Probleme und ein Krieg zwischen den beiden Staaten machten das Konzept zunichte. Einige verworfene Ideen und Verhandlungen später war es dann so weit: 1986 unterzeichneten der französische Präsident François Mitterrand und die britische Premierministerin Margaret Thatcher den Eurotunnel-Vertrag. Auf Thatchers Drängen hin sollte das knapp 13 Milliarden teure Projekt ohne Staatshilfe auskommen.

Von schwarzen Zahlen konnte das Unternehmen Eurotunnel zu Beginn deshalb nur träumen, zwischenzeitlich stiegen die Schulden auf neun Milliarden Euro. Heute nutzen rund 20 Millionen Gäste jährlich die Verbindung zwischen Insel und Festlandeuropa. Der Tunnel ist der weltweit längste Fahrweg unter Wasser und besitzt drei Röhren, die gut 50 Kilometer lang sind und in bis zu 45 Metern Tiefe unter dem Boden des Ärmelkanals verlaufen.

Der Eurostar hat die europäische Idee verinnerlicht. Von London nach Paris dauert es nicht einmal zweieinhalb Stunden, nach Brüssel sogar nur knapp zwei. Bis spätestens 2017 will der Eurostar neben Lyon und Marseille auch Genf und Amsterdam anfahren. Und wo bleibt Deutschland?

Noch 2010 hieß es, dass spätestens Ende 2013 ICE-Verbindungen von Frankfurt, Köln, Brüssel und Amsterdam nach London starten sollten. Doch der Ausbau des internationalen Verkehrs stockt wegen Technikproblemen und Lieferverzögerungen. Noch ist der ICE 3 des Herstellers Siemens lediglich für Deutschland zugelassen. "Eine Zulassung für Großbritannien ist erst sinnvoll, wenn wir eine Genehmigung für Belgien und Frankreich haben und die Wirtschaftlichkeit einer Verbindung nach London gegeben ist", sagt ein Sprecher der DB. Eine "seriöse Aussage" zur Betriebsaufnahme nach London sei derzeit nicht möglich.

Doch Schwierigkeiten lauern auch in den Sicherheitsbestimmungen, die Großbritannien fordert. Während es beispielsweise auf dem Pariser Gare du Nord oder in der Londoner Station St. Pancras große Sicherheitsschleusen sowie Pass- und Gepäckkontrollen in gesonderten Check-In-Bereichen gibt, fehlt in Deutschland eine ähnliche Infrastruktur.

"Umbauten würden an den Bahnhöfen notwendig, an denen die Züge nach London halten sollen, etwa Frankfurt am Main oder Köln", so der Bahnsprecher. Derweil hat Eurostar bereits angekündigt, Köln ebenfalls mit ins Programm aufzunehmen. Während Königin Elizabeth II. bei der Jungfernfahrt noch von der Waterloo Station abreisen musste, können Passagiere seit 2007 im Bahnhof St. Pancras International einsteigen.

Der Eurostar hat unter anderem dafür gesorgt, dass diese Station wiederbelebt wurde. King's Cross neben St. Pancras war heruntergekommen. Heute gehört das Viertel zu einer der Sehenswürdigkeiten Londons. Die Stadt hat Milliarden investiert.

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