Dunkle Fasern auf Masken und Tests Das steckt hinter den sogenannten „Morgellons“

Bonn · Im Netz kursieren derzeit zahlreiche Videos, die angeblich kleine Tierchen – sogenannte „Morgellons“ – in Corona-Antigentests und medizinischen Masken zeigen. Verschwörungsmythos oder Skandal? Das steckt hinter den Behauptungen.

 Eine Gesichtsmaske liegt am Straßennrand im Herbstlaub (Symbolfoto).

Eine Gesichtsmaske liegt am Straßennrand im Herbstlaub (Symbolfoto).

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

„Morgellons“ sollen die kleinen Tierchen heißen, die aktuell im Netz für Furore sorgen. Auf Telegram und Facebook tauchen immer mehr Videos auf, die kleine, fadenartige Objekte auf Schutzmasken und Teststäbchen zeigen. Aufnahmen unter dem Mikroskop sollen beweisen, dass sich die Objekte bewegen. Dabei ist von Würmern oder Nanotechnologien die Rede, die sich wie Parasiten im menschlichen Körper einnisten sollen. Mit einem besonders eindrucksvollen – und offensichtlich gefälschten – Video wandte sich eine GA-Leserin an die Redaktion: Darin ist ist zu sehen, wie eine Person eine FFP2-Maske aufschneidet und darin Würmer vorfindet.

Sind medizinische Produkte, die vor dem Coronavirus schützen oder darauf testen sollen, denn nun tatsächlich verunreinigt oder handelt es sich um einen großen Verschwörungsmythos? Wir haben den Faktencheck gemacht.

Was auf Masken und Teststäbchen tatsächlich zu beobachten ist, sind keine Parasiten. Bei den fadenartigen Objekten handelt es sich um Textilfasern oder Bruchstücke von Pflanzenteilen, erklärt Mark Benecke, Sachverständiger für biologische Spuren und Kriminalbiologe. Die dunklen Fasern finden sich entweder produktionsbedingt auf den Masken und Teststäbchen oder sie sind nach dem Auspacken darauf gelandet. Der Kriminalbiologe hat in seinem Labor Teststäbchen von Corona-Antigentests unter dem Mikroskop untersucht. Auch er hat dabei dunkle Fasern entdeckt, die sich vom einem der Teststäbchen abgelöst haben. Sie seien für den menschlichen Körper aber komplett ungefährlich. Der Deutschen Presse-Agentur sagte er: „Die könnten aus der Fabrik stammen, in dem die Stäbchen hergestellt wurden – zum Beispiel von der Arbeitskleidung der Mitarbeiter.“ Die Stäbchen würden dort nämlich nicht im Reinraum hergestellt, sondern erst nach der Produktion sterilisiert.

„Morgellons“ sind wissenschaftlich weder anerkannt noch nachgewiesen

Der Glaube an sogenannte „Morgellons“ existiert schon lange. Sie bezeichnen eine wissenschaftlich nicht anerkannte, selbstdiagnostizierte Hauterkrankung. Die „Betroffenen“ machen dafür faserartiges Material oder Parasiten auf oder unter der Haut verantwortlich. Seit 2004 forscht Mark Benecke bereits zu diesem Thema. Er kann die Sorge der Menschen nachvollziehen: „Wenn man die Textilfasern vergrößert, kann die verdrillte Faser auch schon mal ähnlich aussehen wie beispielsweise winzige Muskeln“, sagt er. Doch die Biologie ist sich sicher, dass es sich bei den vermeintlichen „Morgellons“ weder um Lebewesen noch um Nanotechnologien handelt, sondern in der Regel um unbedenkliche Stoffe wie beispielsweise Textilfasern. Kleidungsfasern oder Pflanzenteile vermischen sich mit Hautpartikeln, wodurch kleine, wurmartige Gebilde entstehen können. Das kann insbesondere beim Sport oder beim Tragen von Baumwollkleidung passieren. „Lasst euch nicht verrückt machen“, appelliert Benecke in einem Video. „Die ganze Welt ist voller kleiner Fasern und Krümel.“

Elektrostatische Kräfte bewegen Fasern

Dass sich die Objekte scheinbar bewegen, kann verschiedene Gründe haben. Durch Luft, Feuchtigkeit oder elektrostatische Kräfte dehnen sich Fasern aus oder ziehen sich zusammen, erklärt Harald Illges, Professor für Immunologie und Zellbiologie an der Hochschule Bonn Rhein-Sieg. „Durch die Elektrostatik bewegen sie sich und krümmen sich in verschiedene Richtungen, sodass es im ersten Moment aussieht, als könnte das ein Wurm sein“, so Illges. Das könne auch bei einer frisch aus der Packung genommenen Maske passieren.

Der Effekt werde durch bestimmte Materialien noch begünstigt, beispielsweise beim Tragen eines Pullovers aus Polyester. „Die Fasern gibt es überall und wir atmen sie sogar ein“, erklärt er. Sie seien aber völlig unbedenklich. Zudem seien die Schutzmasken und Tests prinzipiell nicht verunreinigt, sondern würden steril hergestellt.

Antigentests und Schutzmasken nach „strengen Vorgaben“ geprüft

„Bei den Behauptungen über verunreinigte Teststäbchen sowie um angeblich vergleichbare Verunreinigungen von Masken, die derzeit vor allem in den Sozialen Medien kursieren, handelt es sich um Falschinformationen“, erklärt ein Sprecher des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf Anfrage. Antigentests und Schutzmasken dürfen demnach nur als Medizinprodukt auf den Markt gebracht werden, wenn sie ein sogenanntes Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen haben. An dessen Ende steht die CE-Kennzeichnung. In diesem Verfahren „muss der Hersteller nachweisen, dass sein Produkt sicher ist und die technischen und medizinischen Leistungen auch so erfüllt, wie sie von ihm beschrieben werden“, so das BfArM. Auch die Sterilisation der Produkte werde dabei nach „strengen Vorgaben“ geprüft.

Diese Prüfung wird nicht vom BfArM, sondern von einer „Benannten Stelle" durchgeführt – darunter fallen Tüv oder Dekra. „Die Hersteller müssen dafür Sorge tragen, dass keine Gesundheitsgefährdung von ihrem Produkt ausgeht“, erklärt Ralf Diekmann, Pressesprecher für Produktsicherheit beim Tüv Rheinland. Sie müssten unter anderem nachweisen, dass ihre Masken keine Schadstoffe oder Weichmacher enthalten. „Das sind seit vielen Jahren bewährte Produkte und bei einer derartig zertifizierten Maske sollte man sich als Verbraucher keine Sorgen machen“, stellt Diekmann klar. 

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(mit Material von dpa)
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