Hunderte Flugzeuge beteiligt Riesige Nato-Übung „Air Defender 23“ startet über Deutschland

Bonn · So viele Kampfjets waren hierzulande noch nie in der Luft: Ab diesem Montag findet die Übung „Air Defender 23“ der Nato-Länder statt. Wir erklären, wie das Manöver aussehen soll und was es für die zivile Luftfahrt bedeutet.

Ein Kampfjet der Luftwaffe startet am Flugplatz Nörvenich.

Ein Kampfjet der Luftwaffe startet am Flugplatz Nörvenich.

Foto: BENJAMIN WESTHOFF

Ab diesem Montag jagen Hunderte Militärflugzeuge über den Himmel der Bundesrepublik. „Air Defender 23“ nennt sich die Übung, bei der die Nato-Partner vom 12. bis 23. Juni den Bündnisfall proben. In manchen Regionen Deutschlands kann es daher ziemlich laut werden, Flugreisende müssen zudem mit Einschränkungen rechnen. Auch in NRW bleiben die Menschen nicht verschont. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Was ist der Bündnisfall? In Artikel 5 des Nato-Vertrages ist festgelegt, dass ein bewaffneter Angriff gegen einen oder mehrere Bündnispartner als ein Angriff gegen alle angesehen wird. In Konsequenz dessen müssen die anderen Mitglieder Beistand leisten. Wie die Hilfe konkret aussieht, ist jedoch nicht festgelegt. Auf ein Szenario nach der Ausrufung eines solchen Bündnisfalls bereitet die Nato sich in der Übung vor. Bislang wurde der Bündnisfall aber nur einmal Mal ausgerufen – als Folge der Anschläge vom 11. September 2001.

Wann findet das Manöver statt und welche Rolle spielt Deutschland dabei? Los geht es nach Angaben der Bundeswehr am 12. Juni, Ende der Übung soll demnach am 23. Juni sein. Deutschland übernehme dabei die Rolle eines Verteidigungsknotenpunktes, teilt die Bundeswehr auf ihrer Webseite mit. Die teilnehmenden Nationen werden hauptsächlich Einsätze von den Standorten Jagel/Hohn in Schleswig-Holstein, Wunstorf in Niedersachsen, Lechfeld in Bayern, Spangdahlem in Rheinland-Pfalz, Volkel in den Niederlanden und Čáslav in der Tschechischen Republik starten. Zudem sind in Nordrhein-Westfalen die Flugplätze Kalkar und Nörvenich angedacht.

An welchen Tagen und zu welcher Zeit findet die Übung statt?

Die Flugzeuge werden von unterschiedlichen Flugplätzen in Deutschland und Europa aus starten, um dann in drei Übungslufträume im deutschen Luftraum, die abwechselnd jeweils für einige Stunden pro Tag für den zivilen Luftverkehr gesperrt sein werden, zu üben. Es handelt sich um ein zeitlich begrenztes Manöver; im zweiwöchigen Übungszeitraum gelten die Sperrungen an neun Nettotagen: von Montag, den 12. Juni 2023, bis Freitag, den 16. Juni 2023 sowie von Montag, den 19. Juni 2023 bis Donnerstag, den 22. Juni 2023, teilt die Bundeswehr mit.

Wer nimmt teil? Insgesamt trainieren bis zu 10.000 Übungsteilnehmer aus 24 Nationen mit 220 Luftfahrzeugen, darunter Kampfjets wie der Tornado oder die F-35, unter der Führung der Luftwaffe im Himmel über Europa. Mit dabei sind laut Bundeswehr Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Italien, Japan, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Norwegen, Polen, Rumänien, Schweden, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Türkei, Ungarn, USA und das Vereinigte Königreich.

Müssen die Menschen in Bonn und der Region mit einer erhöhten Belastung durch Fluglärm rechnen? Rund um die Luftwaffenstandorte werde es lauter als üblich, heißt es von der Luftwaffe. Nato-Generalsekretär Jens-Stoltenberg sagte im Interview mit dem ZDF: Natürlich werde es auch Lärm und manche Schwierigkeiten im Luftverkehr geben: „aber ich weiß, dass die Nato und die deutsche Seite alles tun, um die Folgen für die deutsche Bevölkerung zu minimieren“. Davon betroffen seien laut der Luftwaffe aber hauptsächlich die Standorte Wunstorf bei Hannover und Jagel, da sie Dreh- und Angelpunkte während der Übung im Juni seien. Um den Fluglärm so gering wie möglich zu halten, will die Bundeswehr zudem Luftraumkorridore über dünn besiedelte Gebiete nutzen. Hauptsächlich werde über Nord- und Ostsee geflogen.

Ist mit Einschränkungen bei Flugreisen zu rechnen? Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) rechnet mit Beeinträchtigungen für Passagiere. Die Auswirkungen von „Air Defender“ auf den ohnehin hochbelasteten deutschen Luftraum müssten aber reduziert werden, so von Randow. Die Deutsche Flugsicherung will während der Übung vom 12. bis 23. Juni Personal aufstocken. Die Luftfahrt rechnet mit einigen Verspätungen, die vereinzelt länger sein und sich auch aufbauen könnten. Es müsse sich aber keiner Sorgen machen, dass gar Flüge nicht gingen, machte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands BDL, Matthias von Randow, deutlich.

 Die Grafik zeigt die von der Nato-Übung hauptsächlich betroffenen Gebiete.

Die Grafik zeigt die von der Nato-Übung hauptsächlich betroffenen Gebiete.

Foto: dpa/dpa-infografik GmbH

Auf Anfrage des General-Anzeigers teilte die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) mit: „Bei dem Ereignis werden Teile des Luftraums für militärische Einsatzübungen reserviert. Zivile Verkehrsanteile müssen diese Gebiete meiden und werden entsprechend den Aktivierungszeiträumen dieser Lufträume umgeleitet.“ Dies führe in Teilen zu verlängerten Flugwegen und zu Verkehrsverdichtungen, was letztendlich in Verspätungen resultieren könne. „Da eine militärische Großübung dieses Ausmaßes sehr dynamisch ist und Übungsszenarien zwischen den beteiligten Nato-Partnern weiterhin in Abstimmung sind, können leider keine detaillierteren Aussagen zu möglich entstehenden Verspätungen getroffen werden“, so DFS-Pressesprecher Michael Fuhrmann zum GA.

Lufthansa-Chef Spohr sagte, das Nato-Manöver „Air Defender 2023“ beschränke die zivile Luftfahrt und den ohnehin schon hoch belasteten deutsche Luftraum.

Nachtflugverbote könnten an einigen Flughäfen zum Problem werden

Der Chef der Deutschen Flugsicherung, Arndt Schoenemann, erläuterte, es werde wegen Umleitungen von Flügen um die gesperrten Bereiche zu Verspätungen kommen. Die meisten Flüge dürften aber pünktlich sein. Von Flugstreichungen sei derzeit nicht auszugehen. Das Bundesverkehrsministerium wirbt bei den Ländern dafür, auch Betriebszeiten an Flughäfen zu flexibilisieren, wie Staatssekretär Stefan Schnorr sagte. Bei Nachtflugverboten geht es darum, dass auch etwas spätere Maschinen noch landen können.

(ga​/dpa)
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