Wegen Scheidungsrate von 50 Prozent Niederländische Stadt will Ehe-Kurse zur Pflicht machen

Den Haag · In manchen Stadtteilen der niederländischen Stadt Amersfoort geht jede zweite Ehe in die Brüche. Jetzt will der Stadtrat einschreiten, um die hohe Scheidungsrate zu senken: Zukünftig sollen junge Familien zu einem Ehe-Kurs verpflichtet werden.

 In manchen Stadtteilen der niederländischen Stadt Amersfoort geht jede zweite Ehe in die Brüche.

In manchen Stadtteilen der niederländischen Stadt Amersfoort geht jede zweite Ehe in die Brüche.

Foto: dpa (Symbolbild)

Vathorst liegt am äußersten Nordrand, wo die Stadt in die weite Landschaft übergeht. Es gibt viele Grünflächen, Kanäle und moderne Wohnungen. Der Stadtteil ist beliebt bei jungen Familien.

Doch Vathorst, das zur Stadt Amersfoort gehört, ist auch das Viertel mit einer der höchsten Scheidungsraten in den Niederlanden. Statistisch geht hier jede zweite Ehe innerhalb von fünf Jahren in die Brüche. Nun beschäftigt sich die Politik mit dem Problem: Der Stadtrat will junge Familien zu einem Ehe-Kurs verpflichten.

„Der Staat ist nicht verantwortlich fürs individuelle Ehe-Glück“, sagt Ron van der Spoel von der christlichen Partei „Christen Unie“. Er sei jedoch sehr wohl verantwortlich für das Wohl von Kindern. „Eine Scheidung ist für Kinder eine traumatische Erfahrung“, sagt van der Spoel, der lange Pfarrer einer evangelischen Kirchengemeinde war und jetzt im Stadtrat sitzt. Er hat den Vorschlag eingebracht und treibt ihn nun voran. Zudem seien Scheidungen ein hoher Kostenfaktor für die Gesamtgesellschaft - zum Beispiel, weil sich von Justiz über Kinderhilfswerke bis zu Arbeitsämtern viele staatliche Einrichtungen damit beschäftigen müssen.

35.000 Ehen wurden laut niederländischem Statistik-Amt CBS im vergangenen Jahr in den Niederlanden geschieden. Weit oben steht der Stadtteil von Amersfoort. Vathorst ist ein Neubau-Viertel mit vielen jungen Paaren. Hier würden viele Frauen zum ersten Mal schwanger, erklärt van der Spoel. „Das bedeutet schlaflose Nächte, weniger Privatsphäre - eine große Belastung für eine Beziehung.“

Die Scheidungsrate sei in Vathorst deshalb so hoch, weil dort die meisten ersten Kinder geboren werden, bestätigt auch CBS-Statistiker Jan Latten in der Fernsehsendung „EenVandaag“. Das erste Kind sei ein großes Risiko für Partnerschaften.

Die Lösung: Paare, die ein Kind erwarten, sollen eine Art Beziehungs-Kurs besuchen. Ein Schwangerschaftsvorbereitungskurs ist bereits verpflichtend. Dabei klärt eine Hebamme über medizinische und körperliche Vorbereitungen auf die Geburt auf. In Zukunft soll der Kurs verlängert werden und ein Beziehungstherapeut eingeschaltet werden.

Bisher helfe der Staat erst, wenn es zu spät sei, kritisiert van der Spoel. Alleinstehende bekommen zum Beispiel Unterstützung beim Abbau von Schulden. „Wir müssen früher eingreifen.“

Im Sommer beginnt das Projekt zunächst in zwei Stadtteilen von Amersfoort. Die „Christen Unie“ arbeitet aber bereits daran, die Paar-Workshops im ganzen Land einzuführen. Van der Spoel hofft, damit auch eine langfristige Veränderung zu erreichen. „Bisher ist es vor allem unter jungen Paaren ein Tabu, über Beziehungsprobleme zu sprechen“, berichtet er. Es könne helfen, wenn man politisch und gesellschaftlich das Thema offener anspreche.

In Zukunft will van der Spoel auch die Kirchen einbeziehen. Bei den Gesprächen, die Paare vor der Taufe eines Kindes mit ihrem Pfarrer führen, könnten auch Eheprobleme angesprochen werden. Geistliche sollen dafür sensibilisiert werden. Auch eine kleine finanzielle Unterstützung vom Staat für einen Besuch beim Beziehungstherapeuten wäre denkbar, erklärt van der Spoel.

Statistiker Latten dagegen meint, ein solches Programm löse möglicherweise das Problem gar nicht und sei deshalb verfehlt. In Untersuchungen hätten junge Paare angegeben, sich auch deshalb zu trennen, weil sie das Interesse am anderen verloren oder unterschiedliche Zukunftspläne hätten. „Bei Paaren, die sich in einer solch fortgeschrittenen, zerrütteten Phase der Beziehung befinden, hilft möglicherweise ein Präventiv-Programm nicht mehr“, sagt Latten.

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