Conny Meys letzter Fall Nina Kunzendorf verabschiedet sich vom ARD-Tatort

Thomas Kliemann · Strahlendes, offenes Gesicht, intensiver Blick und dann diese Worte: "Chef, ist alles in Ordnung?". Und: "Das Leben geht weiter. Oder?" Conny Mey hat formell bei ihrem Vorgesetzten ihre Kündigung eingereicht. Der Tatort verabschiedet sich an diesem Sonntag von einer außergewöhnlichen Kommissarin.

Und der hat die mehrfach mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Nina Kunzendorf nicht nur Sexappeal gegeben, was der Kameramann in allen fünf Tatort-Folgen mit ausgedehnten Fahrten ausgiebig zelebrierte. Kunzendorf hat ihrer Figur Conny Mey auch in kürzester Zeit ein starkes, unverwechselbares Profil gegeben und dem HR-Tatort seltene Glanzstunden beschert. Warum sie geht, hat sie explizit nicht gesagt.

Man kann sich an keinen Tatort-Ermittler erinnern - den kontrovers diskutierten Nick Tschiller von Til Schweiger einmal ausgenommen - der so eingeschlagen wäre wie Nina Kunzendorfs Conny Mey: Eine selbstbewusste, dabei äußerst empathische Mitarbeiterin, eine scharfsinnige Ermittlerin, die meist gestiefelt, in engen Jeans, tief dekolletiert und mit baumelnden Kreolen an den Ohren prolligen Charme, Esprit und eine warme Herzlichkeit in die düsteren Frankfurter Tatorte brachte.

"Wenn sie auftritt, verwandeln sich die tristen Flure des Frankfurter Polizeipräsidiums in der Adickesallee in einen leuchtenden Laufsteg", schwärmte die FAZ bei Conny Meys Amtsantritt im Mai 2011. Eine Synthese aus "Pretty Woman" und "Erin Brockovich" im deutschen Fernsehen - kleine Sensation.

Mit einem entwaffnenden Lächeln und starken Eindrücken verabschiedet sie sich nun. Und man ist bei Conny Meys letztem Fall in Frankfurt, bevor sie auf die Polizeischule nach Kiel wechselt, gespannt. Wie wird ihr Partner, der launische Misanthrop Frank Steier, reagieren, dem der großartige Joachim Król ein knorziges Profil gibt?

Er, den Nina Kunzendorf immer wieder geöffnet hat wie eine störrische Auster, hat sich auch im Fall "Wer das Schweigen bricht" nicht im Griff: Er fällt - den Tränen nah - aus der Rolle. Sie zischt darauf ein "Arschloch". Es ist ein äußerst kniffliger Fall, den das Frankfurter Dream-Team aus der Schönen und dem Biest zu lösen hat. In einem Jugendgefängnis ist ein Libanese getötet worden. Alles deutet auf grausige Folter - dem Toten fehlen acht Fußnägel.

Das Ermittlerteam trifft auf sinistres Justizpersonal um den stotternden Anstaltschef (Sylvester Groth) und die zu blauäugige Sozialarbeiterin Katharina Enders (Nele Müller-Stöfen) sowie eine multikulturelle, hermetisch verschlossene Gesellschaft finsterer Knackis. Übel tätowierte, bestens organisierte und in einem Abhängigkeitsgeflecht festhängende Russlanddeutsche - "Jeder Russe gehört einem Russen", sagt einer - gehören ebenso zu diesem eingeschworenen Kartell des Schweigens wie dealende Türken, ein randalierender Nazi und, ganz unten in der Hackordnung, ein jugendlicher Kinderschänder.

Die Ermittlungen sind zäh, Steier brüllt, Mey versucht's auf Türkisch ("Volkshochschule", erklärt sie). Der Fall kommt kaum vom Fleck, lebt von düsteren, tollen Bildern und atmosphärischen Kamerafahrten durch den grauen Jugendknast.

Król und Kunzendorf spielen intensiv, geben dem Ermittlerteam eine geradezu kammerspielartige Dringlichkeit und Präsenz. Persönliches schwingt immer mit, aber nie so lähmend und brütend wie beim Vorgängerteam Schüttauf/Sawatzki.

Sie seien doch ein gutes Team, sagt Steier beschwörend und ziemlich verzweifelt, und er, der Griesgram, versucht sich als Humorist: "Zwei wie Pech und Unglück gehen durch Dick und Doof." Eine starke Szene in einem atmosphärischen, jedoch vielleicht etwas langatmigen und durch mehr unglaubwürdige Zufälle als Ermittlerkunst gelösten Tatort-Fall. Tiefe Melancholie umflort Conny Meys letztlich beiläufigen Abschied im Frankfurter Polizeipräsidium. Völlig unrealistisch: So eine tolle Kollegin lässt man doch nicht so glanzlos ziehen!

Conny Mey geht. Nina Kunzendorf wird mehr Theater spielen und andere Filme machen. Die gute Nachricht: Joachim Król bleibt Frank Steier. An seiner Seite wird künftig Margarita Broich (1960 in Neuwied geboren) ermitteln.

Tatort "Wer das Schweigen bricht", ARD, Sonntag, 14. April, 20.15 Uhr

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