Gefährliche Bleirückstände Notre-Dame droht noch immer einzustürzen

Paris · Fast ein halbes Jahr nach dem Brand befindet sich Notre-Dame bautechnisch noch immer auf der Intensivstation. Aus dem durch das Feuer beschädigte Gewölbe fallen Steine ins Kirchenschiff. Zudem gibt es Gesundheitsbedenken.

Notre-Dame ist noch nicht gerettet. Fast ein halbes Jahr nach dem verheerenden Brand befindet sich die Kathedrale bautechnisch noch immer auf der Intensivstation. In den vergangenen Tagen sind aus dem Gewölbe mehrere Steine gebrochen und ins Kirchenschiff gefallen, heißt es aus dem französischen Kulturministerium. Grund dafür seien die extrem hohen Temperaturen Ende Juli gewesen. Durch die Hitze sei der Mörtel ausgetrocknet, der die Gewölbesteine festgehalten habe. Der Schaden sei zwar „nicht ernst“, hieß es. Das Risiko sei dennoch hoch, dass das Kirchenbauwerk aus dem 12. Jahrhundert einstürzen könnte. Das Ministerium forderte aus diesem Grund neue Arbeiten zur Stabilisierung des Gebäudes, um weiteren Schaden abzuwenden.

Von außen macht die Kathedrale einen äußerst zerbrechlichen Eindruck. Der ausgebrannte Dachstuhl ist mit einer riesigen Plastikfolie abgedeckt, ein beim Feuer geschmolzenes Gerüst ragt bizarr in den Himmel, mit abenteuerlichen Holzkonstruktionen werden Pfeiler und Rundbögen abgestützt, die Fenster sind mit großen Klebefolien geschützt.

Rund um die Kathedrale zieht sich inzwischen ein großer Bauzaun. Grund dafür sind nicht nur die Bauarbeiten, sondern auch Reinigungsarbeiten, die im Umkreis Kirche begonnen haben. Untersuchungen haben eine erhöhte Belastung der unmittelbaren Umgebung durch Blei ergeben. Bei dem Brand der Kathedrale am 15. April waren das Dach und der Spitzturm des gotischen Bauwerkes zerstört worden. Hunderte Tonnen hochgiftiges Blei, die dort verbaut worden waren, waren in der Hitze geschmolzen. Der Wind blies die Partikel weit über das Kirchengelände hinaus.

Feuer in Pariser Kathedrale Notre-Dame
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Anwohner sorgen sich wegen möglicher Bleivergiftung

Nun soll in den kommenden Tagen ein Gebiet von rund 10.000 Quadratmetern mittels verschiedener Säuberungstechniken gereinigt werden. Dazu wird das Pflaster mit speziellen Geräten abgesaugt, danach geschrubbt und schließlich mit einem Hochdruckschlauch abgespült. Für einige Bereiche wird ein spezielles Gel eingesetzt, das drei Tage härten muss, bevor es samt schädlicher Teilchen entfernt wird.

Die Anwohner rund um die Kathedrale werfen den Verantwortlichen vor, die Gefahr einer möglichen Bleivergiftung über Monate heruntergespielt zu haben. Die Stadt Paris betont aber immer wieder, sich strikt an die Empfehlungen der Gesundheitsbehörden zu halten. Es heißt, dass im Umkreis von 500 Meter die Bleiwerte nicht höher als zulässig seien.

Allerdings wurden zwei Schulen nahe der Kathedrale geschlossen, nachdem dort ein erhöhtes Kontaminationsniveau gemessen worden war. Danach wurden bei fast 200 Schulkindern Blutproben genommen, um nach eventuelle Belastungen durch Blei zu suchen. Bei zwei der Kinder sei ein Bleiwert oberhalb der Meldepflicht festgestellt worden, heißt es, bei 16 Kindern liegt der Messwert im Blut der Behörde zufolge über der Wachsamkeitsschwelle. Die zuständigen Ärzte warnen allerdings vor vorschnellen Rückschlüssen. So hatte es im Wohnhaus von einem der betroffenen Kinder eine Bleiverunreinigung gegeben, die nichts mit dem Feuer in Notre-Dame zu tun hatte. Experten weisen darauf hin, dass auch alte Wasserrohre oder Farben in der Wohnung Giftstoffe abgeben können.

Aufgrund der Gesundheitsbedenken sind auch die Arbeiten an Notre-Dame vorübergehend eingestellt worden. Sie sollen am 19. August wiederaufgenommen werden. Neue Sicherheitsvorschriften und zusätzliche Ausstattung zur Dekontaminierung der Kleidung soll die Arbeiter auf der Baustelle dann schützen. Zudem sind inzwischen alle Arbeiter einem Bluttest unterzogen worden, bei dem offensichtlich keine auffälligen Ergebnisse festgestellt worden sind.

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