Warnung vor Betrügern Polizei: Fall der angeblich entführten „Julie“ ist ein Fake

Koblenz · Bei Facebook sorgt ein vermeintlicher Vermisstenfall für Aufsehen. Ein fünfjähriges Mädchen sei verschwunden, heißt es. Auch in Bonn gab es eine ähnliche Meldung. Offenbar sind hier Betrüger am Werk.

Immer häufiger versuchen Betrüger, über Falschmeldungen angeblicher Kindesentführungen an persönliche Sicherheitsdaten zu kommen (Symbolbild).

Immer häufiger versuchen Betrüger, über Falschmeldungen angeblicher Kindesentführungen an persönliche Sicherheitsdaten zu kommen (Symbolbild).

Foto: dpa-tmn/Silas Stein

Ein angeblicher Fall von Kindesentführung macht bei Facebook die Runde: „Das ist wahrscheinlich unsere letzte Chance, unsere kleine Julie zu finden. Ich bitte euch Leute, diesen Beitrag zu teilen.“ Dazu wird ein Link verbreitet. In der Vorschau sieht es so aus, als würde es sich um eine Nachrichtenmeldung handeln. Die Überschrift lautet: „Ein 5-jähriges Mädchen ist in Hemsbach entführt worden“. Zudem ist eine Fotomontage von einem Polizeiauto, einem Phantombild und dem Foto eines Mädchens zu sehen, bei der es sich offenbar um „Julie“ handeln soll.

Die Masche, mithilfe von Falschmeldungen von Kindesentführungen an private Daten zu kommen oder Schadsoftware zu verbreiten, ist nicht neu. Bereits im März vergangenen Jahres kursierte in den sozialen Medien eine Falschmeldung zu einer angeblichen Kindesentführung in Bonn, die mutmaßlich auf Phishingwebseiten weiterleitete.

Bewertung

Der Fall ist erfunden und kursiert im Netz mit unterschiedlichen Ortsangaben. Die Polizei warnt in mehreren Bundesländern vor der Falschnachricht und damit verbundenem Datendiebstahl. Der Link führt zu einer unseriösen Webseite.

Fakten

Bei Facebook lassen sich mehrere Beiträge finden, die auf den vermeintlichen Fall der 5-jährigen "Julie" aufmerksam machen wollen. Die Fotomontage in der Linkvorschau ist immer gleich. Wenn man sich die Beiträge genau anschaut, fällt jedoch eine Ungereimtheit auf: Je nach Beitrag ist von einem unterschiedlichen Tatort die Rede. Mal soll das Mädchen in Hemsbach (Baden-Württemberg) entführt worden sein, in anderen Posts ist unter anderem von Dortmund oder Mannheim die Rede.

Mehrere Polizeistationen in Deutschland warnen: Es handelt sich um eine Fälschung. Bei Facebook erklärt die Polizei Mannheim, die auch für Hemsbach zuständig ist, dass ein solcher Fall nicht bekannt sei. "Der geschilderte Sachverhalt, das Mädchen sei entführt worden, wurde zwischenzeitlich von mehreren Polizeidienststellen geprüft und ist frei erfunden! Auch die angebliche Vermisste existiert nicht", schreibt zudem das Polizeipräsidium Koblenz (Rheinland-Pfalz), nachdem in Posts der Ort Diez als Tatort angegeben wurde.

Auch die Polizei Viersen in Nordrhein-Westfalen weist bei Facebook auf die Fälschung hin und betont: "Hier sind Kriminelle am Werk!" Laut den Beamten könnten die User Opfer eines möglichen Datendiebstahls durch Betrüger werden, die sich Zugang zum Facebook-Konto verschaffen wollen.

Phishing-Webseite: Betrüger wollen offenbar Daten abgreifen

Denn: Der Link aus dem Facebook-Post leitet auf eine Webseite weiter, die einer Facebook-Seite zwar stark ähnelt. Dass diese Seite aber nicht seriös ist und nicht von Facebook stammt, zeigt ein Blick in die URL, welche nicht mit „www.facebook.com“ beginnt, wie es echte Facebook-Seiten tun.

Unter der verlinkten Internetadresse wird ein vermeintlicher Post des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ eingeblendet. Doch dieser ist erfunden. Eine Suche auf der echten Facebook-Seite des Nachrichtenmagazins nach Worten aus dem angeblichen Beitrag liefert kein Ergebnis. Die offiziellen Facebook-Seiten von Unternehmen erkennt man oft an einem kleinen weißen Haken auf blauem Hintergrund - das sogenannte Verifikationsabzeichen.

Um den gefälschten Post vollständig sehen zu können, sollen Nutzer ihre Facebook-Zugangsdaten eingeben - angeblich zur Bestätigung des Alters. Doch Vorsicht: „Damit bekommen die Täter Zugriff auf Ihr Facebook-Konto - und im schlimmsten Fall auf alles, was Sie damit verknüpft haben - auch auf Bankdaten. Außerdem können die Täter dann Ihr Profil nutzen, um weitere Falschmeldungen zu verbreiten“, erklärt die Polizei Viersen.

Die Polizei und Verbraucherschützer warnen immer wieder vor solchen Phishing-Versuchen über gefälschte Webseiten, die versuchen, die Nutzer zu täuschen. Besonders vorsichtig sollten Nutzer sein, wenn ungewöhnliche Aufforderungen zur Eingabe von persönlichen Daten/Sicherheitsdaten auftauchen. Unter www.polizei-praevention.de gibt beispielsweise das Landeskriminalamt Niedersachsen Tipps, wie man sich vor Phishingwebseiten schützen kann.

Wenn der Fall nicht echt ist, was zeigen dann die Bilder?

Die Urheber der gefälschten Seite haben sich bei den Bildern für die Fotomontage im Netz bedient, wie Bilderrückwärtssuchen zeigen. Das Phantombild, das den angeblichen Entführer zeigen soll, wurde ursprünglich im März 2022 von der kanadischen Polizei veröffentlicht. Es soll demnach einen verdächtigen Mann zeigen, der sich in der Stadt Surrey vor einer Schule entblößt haben soll.

Das Bild des Mädchens lässt sich derweil in mehreren Medienberichten finden. Das Bild zeigt demnach ein kleines Mädchen, das 2019 im Alter von vier Jahren verschwunden war. Im Februar 2022 hatte die Polizei das Mädchen versteckt unter einer Treppe in einem New Yorker Haus gesund und lebend gefunden. Laut dem Bericht sollen die Eltern ohne Sorgerecht das Kind entführt haben. (Stand: 14. Februar 2023)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort