Boss der Bosse Promi Geburtstag vom 30. September 2018: Dieter Hundt

Stuttgart/Uhingen · Der Populismus in Deutschland und der Welt bedrückt ihn ebenso wie die deutsche Regulierungswut. Bewunderung hegt der Unternehmer Dieter Hundt für China - und ruft zur engen Zusammenarbeit mit dem Land auf.

 Dieter Hundt wird 80.

Dieter Hundt wird 80.

Foto: Marijan Murat

Er hat wie kaum ein anderer die Tariflandschaft der deutschen Industrie geprägt, den VfB Stuttgart saniert und die Allgaier Werke zum Vorzeigeunternehmen gemacht.

Ihm wurden so viele Auszeichnungen verliehen und er saß und sitzt in so vielen Aufsichtsräten, dass es müßig wäre, auch nur ein Viertel davon aufzuzählen. Nur eines kann der Unternehmer und ehemalige Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt nicht: Verlieren.

"Er hat aus seiner Sicht nie verloren, in seinem ganzen Leben noch nicht - er ist immer optimistisch", sagt der ehemalige Top-Gewerkschafter und Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) anerkennend über seinen früheren Metalltarif-Kontrahenten, der heute seinen 80. Geburtstag feiert. "Er kann gut mit Niederlagen umgehen, er hat sie immer positiv aufgearbeitet."

Wobei Niederlagen bei Tarifverhandlungen ohnehin gar nicht als solche zu bewerten seien, wie Riester betont. Etwa, als er nach dem Mauerfall gegen Hundt als Verhandlungsführer der Industrie die 35-Stunden-Woche durchsetzte. "Auch da hat Dieter Hundt nicht verloren", sagt Riester. Sondern? "Die Rahmenbedingungen waren einfach außerordentlich gut für mich."

Gerne bemühten Journalisten zu jener Zeit den Vergleich vom sprichwörtlich "harten Hundt". Und auch heute noch wird der sonst so ausgeglichen wirkende Unternehmer ein paar Dezibel lauter, wenn es um den Tarifkampf geht: "Ich halte den diesjährigen Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie gemessen an der aktuellen Gesamtsituation der Branche für sehr hoch, aber einigermaßen angemessen", sagt Hundt. Mit einer Einschränkung: "Wenn es zu einer wirtschaftlichen Abschwächung kommt, sind die Kosten zu hoch, weil die Erhöhungen dauerhaft wirken."

Und von einer Abschwächung der Konjunktur geht Hundt aus. "Es ist ein Naturgesetz, dass nach acht, neun Jahren ständigen Wachstums auch mal eine Sättigung und sogar eine Stagnation eintritt", sagt er zur aktuellen Wirtschaftslage. Auch bei seinem Unternehmen, dem Automobilzulieferer Allgaier mit Sitz im schwäbischen Uhingen, merke man das bereits. Wobei Hundt den Grund dort eher bei den zunehmend harten Prüfungsvorschriften für die Automobilbauer ausmacht. "Die Automobilfirmen melden jetzt schon Verzug bei der Freigabe von neuen Modellen, was bereits zu Produktionsrückgängen führt."

Ob man wirklich Mitleid haben muss mit jenen Unternehmen, die Autofahrern den Dieselskandal beschert haben? Hundt zögert - es finden sich viele gute Kunden unter den Autobauern, die bei Allgaier Kotflügel, Türen, Kraftstofftanks und andere Komponenten mehr beziehen. "Es ist schon eine zutiefst bedauerliche erst- und einmalige Situation, die da entstanden ist", sagt er schließlich. Nun müsse konsequent und schnell gehandelt werden. Immerhin, auch die Gerichte hätten sich ja sehr entschieden eingeschaltet. "Allerdings heißt es bereits, das Thema kann sich vor Gericht Jahre hinziehen. Das wäre fürchterlich." Zeitverzug ist eine Sache, die Dieter Hundt so gar nicht leiden kann.

Und auch der aktuelle Trend zum Populismus ist ihm zuwider. Die Abschottung vieler westlicher Länder mache ihm Sorgen, sagt er. "Die Gemengelage ist im Moment wirtschafts- und geopolitisch unübersichtlich und leider nicht als positiv zu beurteilen." Besonders bedrohlich sieht er die Situation mit den USA und deren Präsidenten Donald Trump. "Eine weltpolitisch so kritische Situation gab es seit dem Zweiten Weltkrieg nie - es gab wohl punktuelle Zuspitzungen, Kriege und Krisen, aber diese globale Entwicklung mit Abschottung und dem Aufbau von Handelshemmnissen findet erstmalig statt."

Umso mehr fasziniert Hundt, was derzeit in China passiert - nicht nur, aber auch, weil er Aufsichtsratsvorsitzender der Zhongde Metal Group ist, einem Unternehmen, das auf Initiative der Bundesregierung die Wirtschaftsbeziehungen zu China vertiefen und deutsche Unternehmen bei der Zusammenarbeit mit China unterstützen soll. "Die Chinesen bemühen sich mehr und mehr, der Garant des freien Welthandels zu sein. Wenn mir das jemand vor fünf Jahren gesagt hätte, hätte ich den nicht ernst genommen", sagt Hundt.

Und die Chinesen machen vor, was der Sportsegler Hundt unter Geschwindigkeit versteht: "Die reden bei einem Besuch von einer zusätzlichen Landebahn in der Stadt Huadu, und wenn ich nach sechs Monaten wieder dort bin, ist sie nahezu fertig. Da wäre bei uns noch nicht einmal das Genehmigungsverfahren eingeleitet worden."

Neben seiner neuen Leidenschaft, dem Reich der Mitte, gibt es eine, die ihn von klein auf begleitet - der Fußball und da vor allem der VfB Stuttgart. Hundt, der als Student beim Züricher Erstligisten Grasshoppers als Mittelstürmer spielte und seine Frau vor einem halben Jahrhundert auf dem Fußballplatz kennenlernte, war mehr als ein Jahrzehnt lang Aufsichtsratschef des Clubs. Als der VfB 1992 Deutscher Meister wurde, saß er mit Riester mitten in Tarifverhandlungen - der Gewerkschafter hielt extra eine Champagnerflasche bereit, um mit seinem Kontrahenten auf die Meisterschaft anzustoßen.

Auch der ehemalige Chef von IBM Deutschland, Erwin Staudt, der zu der Zeit VfB-Präsident war, als Hundt dem Aufsichtsrat vorstand, erinnert sich gut an den "Boss der Bosse". Er teilt Riesters Einschätzung, dass Hundt so gut wie alles kann außer zu verlieren. "Mit Niederlagen konnte er nichts anfangen - er hat sich lieber gefreut als geärgert", sagt er. Das sei aber wohl auch die richtige Einstellung, denn: "Sein Erfolg über die letzten 80 Jahre hat ihm ja Recht gegeben."

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