Terror-Pläne am Telefon Prozess gegen „Oldschool Society“ begonnen

München · So einfach machen es Terroristen den Ermittlern selten: Chats über Messaging-Dienste, Facebook und ein lockeres Gespräch über einen Anschlag am Telefon. Nun steht die Führungsriege der rechtsextremistischen „Oldschool Society“ in München vor Gericht.

Piercings, Ohrringe. Karohemd. Krawatte. So sieht also die rechte Terrorzelle „Oldschool Society“ aus. Seit Mittwoch muss sich die Führungsriege der Gruppe - drei Männer und eine Frau - vor dem Oberlandesgericht München verantworten, wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung. Die Gruppe soll einen Anschlag auf ein Flüchtlingsheim in Sachsen geplant haben.

Verabredet hatten sie sich per Chat und Telefon. Ein Nachrichtendienst wurde aufmerksam. Es folgten Razzia und Festnahme. Anders als bei der rechtsextremen Terrorgruppe NSU, über deren Verbrechen seit drei Jahren im selben Gebäude verhandelt wird, kam es nicht zu einer Bluttat.

Andreas H., selbst ernannter Anführer und „Präsident“ der „Oldschool Society“, schaut gelassen in die Kameras. Olaf O. hält sich ein Heft vors Gesicht. Er wird an diesem ersten Verhandlungstag 48 Jahre alt. Markus W. (40), der einzige mit kahlgeschorenem Kopf, dreht sich weg. Er soll neben dem 57-jährigen Andreas H. Rädelsführer der OSS gewesen sein und die Radikalisierung vorangetrieben haben. Seine Freundin ist Denise G., geboren im sächsischen Freital. Was sie gelernt habe, fragt der Vorsitzende Richter Reinhold Baier die 23-Jährige. „Nüscht.“ Arbeitslos.

Später erzählt Markus W. recht freimütig. Etwa über den Job als Ordner in einem Asylbewerberheim, den er nicht mochte, über den verlorenen Kontakt zu seinen drei mit unterschiedlichen Frauen gezeugten Kindern und das erste Zusammentreffen mit dem neuen Partner seiner Mutter nach dem Tod seines Vaters. „Dem Herrn hab ich das Auto zerlegt.“

Die vier bildeten laut Bundesanwaltschaft die „oberste Führung“, den „Geheimrat“ der Gruppe. Die Mitglieder hatten sich über soziale Netzwerke und Messaging-Dienste zusammengefunden. Bei einem ersten Treffen in der Kleingartenanlage „Sommerfreude“ in Frohburg wurde laut Anklage der „bewaffnete Kampf gegen Salafisten“ und ein „gewaltsames Vorgehen gegen Asylanten“ erörtert - und gefragt, „wer bereit wäre, auch in den Knast zu gehen für irgendwelche Taten“.

Das Treffen soll mit viel Alkohol geendet haben. Für ein zweites Treffen vom 8. bis 10. Mai 2015 im sächsischen Borna rief Olaf O. die Teilnehmer auf, bei „einer eventuell stattfindenden Aktion“ sollten die Teilnehmer „neutrale schwarze Kleidung“ tragen. Und nüchtern kommen.

Hier begannen laut Bundesanwaltschaft die konkreten Vorbereitungen für einen Anschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft. Vor dem Treffen sollen Markus W. und seine Freundin in Tschechien illegale Feuerwerkskörper namens „La Bomba“, „Dum Bum“, „Cobra 11“ und „Viper 12“ besorgt haben. Andreas H. und sein „Vize“ Markus W. erörterten am Telefon, wie sie diese verändern könnten, um die zerstörerische Wirkung zu steigern.

W. sagte laut Anklage am Telefon: „Deswegen habe ich schon gedacht, hier, so ein Cobra 11, hier, weißt du, hier Dachpappenstifte mit Sekundenkleber ringsrum, drauf kleben und dann so ein Ding im Asyl... so ein Ding im Asylcenter, im Asylheim so, weißt du, Fenster eingeschmissen und dann das Ding hinterhergejagt.“ Und Andreas H. stimmte zu: „Tät mir schon gefallen, wär schon so nach meinem Geschmack.“ Die Nägel werden bei der Festnahme zusammen mit den Feuerwerkskörpern gefunden.

Markus W. und Denise G. lebten in Sachsen, Andreas H. in Augsburg. Der vierte Angeklagte, Olaf G., stammte aus Bochum. Am 6. Mai 2015, kurz vor dem geplanten zweiten Treffen, wurden die vier bei einer bundesweiten Razzia festgenommen. Eine weitere Anklage ist nicht ausgeschlossen. Oberstaatsanwalt Jörn Hauschild geht davon aus, „dass mindestens 10 bis 15 Personen“ zur OSS zählten. Gegen wie viele Personen derzeit noch ermittelt wird, lässt er offen.

Pannen bei ihren Ermittlungen zu rechter Gewalt können sich die Behörden nach der jahrelang unentdeckten Mordserie des NSU nicht leisten. Auf die Frage, ob man die „Oldschool Society“ als NSU-ähnliche Gruppe sehen könne, sagt Hauschild in einer Prozesspause lediglich: „Ich denke, dass man die beiden Fälle nicht miteinander vergleichen kann.“

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