Playdoyers erwartet Prozess um Horror-Haus in Höxter geht zu Ende

Paderborn · Die Verbrechen im sogenannten Horrorhaus von Höxter haben Abscheu und Ratlosigkeit ausgelöst. Der Prozess am Landgericht Paderborn geht jetzt zu Ende. Viele Fragen wurden beantwortet. Das Entsetzen bleibt.

Nach einer Autopanne im Frühjahr 2016 war das Paar aufgeflogen. In dem Fahrzeug saß hinten die schwer verletzte Susanne F. Auf der Fahrt von Höxter zu ihrer Wohnung nach Niedersachsen bleibt das Auto liegen. Ein Rettungswagen kommt und bringt die unterkühlte Frau ins Krankenhaus, wo sie an den Folgen eines Schädelhirntraumas stirbt. Tage später geht die Bielefelder Polizei mit einer schockierenden Geschichte an die Öffentlichkeit.

In einem Haus in Höxter-Bosseborn waren über Jahre zahlreiche Frauen finanziell ausgenutzt und zum Teil seelisch und körperlich schwer misshandelt worden. Dringend tatverdächtig waren zwei Deutsche: Wilfried W. und seine Ex-Frau Angelika. Unter den Gequälten war Susanne F., die Frau aus dem Auto. Aber auch Anika W., ebenfalls aus Niedersachsen. Ihre Geschichte gab dem „Horrorhaus“-Prozess seinen Namen. Denn ihre Leiche wurde auf dem Gelände erst eingefroren, dann zerstückelt und später verbrannt.

Nach 55 Verhandlungstagen geht der Prozess jetzt in den Schlussspurt. Die Anklage lautete unter anderem auf Mord durch Unterlassen. Ende Oktober vor zwei Jahren begann, was jetzt mit den Plädoyers, den Schlussworten und einem Urteil enden wird. Am Mittwoch macht Oberstaatsanwalt Ralf Meyer den Anfang. Dann folgen die Nebenkläger. Am Donnerstag tragen die Anwälte des Angeklagten Wilfried W. ihre Plädoyers vor. In der nächsten Woche folgen dann die Rechtsbeistände von Angelika W.

Der Vorsitzende Richter musste für den Prozess seinen Ruhestand verschieben

Derzeit ist noch offen, wann das Landgericht Paderborn ein Urteil sprechen wird. Fällt das letzte Wort von Angelika W. kurz aus, wäre ein Prozessende am 14. September möglich. Sollte sie, wie sie dem Gericht schriftlich angekündigt hat, von dieser Möglichkeit ausführlich über Stunden Gebrauch machen, würde ein Urteil erst am 5. Oktober fallen.

Der Vorsitzende Richter Bernd Emminghaus musste für den Prozess seinen für Ende Mai geplanten Ruhestand verschieben. Dennoch führte er mit viel Geduld durch das Verfahren. „Es liegt nicht in meiner Hand, wie lange die Angeklagte reden wird“, sagte Emminghaus vor dem Start der Plädoyers auf die Frage, wann es ein Urteil geben wird.

Ein Anwalt der Nebenkläger kündigte bereits Protest an. „Sollte die Angeklagte Angelika W. ihr das rechtlich zustehende letzte Wort vor dem Urteil für einen stundenlangen Monolog missbrauchen, werde ich mit meiner Klientin den Saal aus Protest verlassen“, sagte Roland Weber der Deutschen Presse-Agentur. Er vertritt die Mutter der getöteten Anika W. „Letztes Wort heißt letztes Wort und nicht letzte Rede“, sagt Weber. Er befürchtet, dass Angelika W. sich über Stunden nochmals äußern wird. „Sie will die große Bühne nutzen, wie sie das ja auch bereits am Anfang des Prozesses getan hat“, sagt Weber.

Der Angeklagten wird überdurchschnittliche Intelligenz bescheinigt

Später verzögert ein fehlerhaftes Gutachten den Prozessverlauf. Ein Professor der Universität Regensburg für forensische Psychiatrie hatte im November 2017 widersprüchliche Angaben zu seinen Gesprächen mit Wilfried W. gemacht. Das Gericht entband ihn daraufhin von seiner Aufgabe und die ehemalige Leiterin der Gerichtspsychiatrie in Lippstadt-Eickelborn übernahm.

Die Gutachterin übernahm dann den Job, neben der Angeklagten auch deren Ex-Mann als Psychiaterin zu untersuchen. Ihr im Juli vorgestelltes Gutachten löste viele offene Fragen auf. So auch das Rätsel, wer von beiden die treibende Kraft bei den vorgeworfenen Verbrechen war. Nach Ansicht der Expertin bildete das Duo eine über Jahre gewachsene Einheit. Beide ergänzten sich demnach perfekt, um die Opfer einzuschüchtern und zu manipulieren. Ohne den jeweils anderen hätte das Horrorhaus nicht funktioniert.

Für Wilfried W. empfahl die Expertin die Einweisung in die Psychiatrie. Der 48-Jährige sei vermindert schuldfähig und habe eine erhebliche Intelligenzminderung. Angelika W. ist laut Gutachten nicht in der Lage, Mitleid mit den Opfern und Angehörigen zu empfinden, da sie Züge von Autismus zeige. Die Psychiaterin hält die Angeklagte für überdurchschnittlich intelligent - und damit für schuldfähig.

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