Minderwertige Brust-Prothesen Prozessauftakt: Buhrufe im Gerichtssaal für den Angeklagten

MARSEILLE · Nun sitzt er also auf der Anklagebank, der 73-jährige Jean-Claude Mas. Er ist nicht mehr so schmal wie im Herbst, als er gegen Zahlung einer Kaution aus der achtmonatigen Untersuchungshaft entlassen wurde und erschöpft in die Kameras sagte, er sei ruiniert. Überzeugt von seiner Unschuld scheint er aber nach wie vor.

Im Skandal um minderwertige Brust-Prothesen begann am Mittwoch der Strafprozess wegen schweren Betrugs und Täuschung gegen ihn und vier ehemalige Mitarbeiter seiner früheren Firma Poly Implant Prothèse (PIP). Mit betont unbeteiligter Mine ließ Mas zunächst das minutenlange Blitzlichtgewitter über sich ergehen.

Während des Prozesses vermied er es, denen ins Gesicht zu sehen, die ihm vorwerfen, ihr Leben zerstört zu haben: den Trägerinnen der PIP-Brust-Implantate. Aus Kostengründen ließ Mas über zehn Jahre hinweg drei Viertel aller Prothesen mit medizinisch nicht zugelassenem Industrie-Silikon füllen. Diese rissen schnell, führten zu Entzündungen und Schwellungen. Zu ihrer vorsorglichen Entfernung riefen Ende 2010 sogar die Gesundheitsbehörden einiger Länder auf, darunter auch Deutschland und Frankreich.

Mas hat den Betrug zugegeben, bestreitet aber Qualitätsmängel seiner Prothesen. Die 5127 Klägerinnen bezeichnete er als "fragile Personen", denen es "bloß um die Kohle" gehe. Mehr als 300 von ihnen kamen gestern ins südfranzösische Marseille, um den Prozessauftakt zu verfolgen.

Ein Teil der Klägerinnen plädierte für eine Neuorganisation des Verfahrens. Sie vermissen auf der Anklagebank Schönheitschirurgen und Verantwortliche der Prüf-Behörde ANSM, die jahrelang Warnungen übergingen. Außerdem kritisieren viele, dass der TÜV Rheinland als Nebenkläger auftritt, dem selbst Schlamperei vorgeworfen wird. Der deutsche Prüfdienstleister hatte PIP regelmäßige, aber stets angekündigte Kontrollbesuche abgestattet.

Den meisten Geschädigten geht es aber in erster Linie um die Anerkennung, erklärte Angela Mauro, die aus Metz angereist war: "Ich erwarte, dass man uns wie Opfer ansieht und nicht nur wie Frauen, die Prothesen tragen wollten."

Die große Aufmerksamkeit erklärt sich auch durch den Hass, den Mas provoziert. Bei seiner Antwort der Gerichtspräsidentin auf die Frage nach der Höhe seiner monatlichen Rente, "1700 bis 1800 Euro", wurden Buhrufe im Saal lautet. Durch die Verwendung von zehnmal billigerem Silikon, erwirtschaftete er laut Staatsanwaltschaft einen jährlichen Gewinn von einer Million Euro. Dennoch erklärt er heute, mittellos zu sein.

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