Stadtstaaten liegen vorn Schwangerschaftabbrüche 2017 auf über 100.000 gestiegen

Wiesbaden · Auch im vorigen Jahr ist der sogenannte Abtreibungstourismus für Tausende Frauen eine Realität geblieben. Sieben Prozent der betroffenen Schwangeren fuhren für den Abbruch in ein anderes Bundesland. Vor allem Frauen aus Polen suchen Hilfe in Deutschland.

 Das undatierte Foto zeigt einen sieben Wochen alten Fötus in einer Fruchtblase.

Das undatierte Foto zeigt einen sieben Wochen alten Fötus in einer Fruchtblase.

Foto: Peter Endig/Illustration

Nach jahrelangem Rückgang ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland im vorigen Jahr wieder gestiegen - um 2,5 Prozent auf rund 101.200.

Das Statistische Bundesamt berichtete, die meisten der Frauen, die eine Schwangerschaft abbrechen ließen, seien zwischen 18 und 34 Jahre alt. Mit insgesamt 72 Prozent stellten sie die größte Gruppe. Der Anteil der unter 18-Jährigen lag bei 3 Prozent, rund 8 Prozent waren 40 Jahre und älter. Im Jahr 2016 hatte es gut 98.700 Schwangerschaftsabbrüche gegeben.

Besonders hoch war die Zahl der Abtreibungen im Vergleich zu den Geburten in Mecklenburg-Vorpommern - hier kamen auf 1000 geborene Kinder 207 Schwangerschaftsabbrüche. In den Stadtstaaten Berlin und Bremen lag die Quote nach vorläufigen Berechnungen sogar bei 232 beziehungsweise 226 Abbrüchen pro 1000 Geburten. In Bayern und Baden-Württemberg waren es dagegen nur rund 96.

Für den Schwangerschaftsabbruch fuhren sieben Prozent der Frauen in ein Bundesland außerhalb ihres Wohnortes, hieß es weiter. Mehr als tausend Frauen kamen aus dem Ausland - insbesondere aus Polen, wo das Abtreibungsrecht sehr streng ist und Frauen nur nach einer Vergewaltigung oder bei Gefahr für ihr Leben die Schwangerschaft abbrechen dürfen.

"Den Tourismus gibt es nach wie vor", sagte auch die Gießener Ärztin Kristina Hänel. Sie war im vergangenen Jahr zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt worden, weil sie nach Ansicht des Amtsgerichts der mittelhessischen Stadt auf ihrer Webseite Werbung für Schwangerschaftsabbrüche gemacht hat. Auch sie behandele immer noch Patienten, die aus Bayern oder Baden-Württemberg anreisen, sagte Hänel. Dort sei vor allem in früheren Jahren der Zugang zu wohnortnahen Ärzten, die einen Abbruch vornehmen, schwierig gewesen.

Andere Frauen fahren Hänel zufolge in eine andere Stadt, weil sie fürchten, an ihrem Wohnort oder im Bekanntenkreis könne bekannt werden, dass sie eine Schwangerschaft abbrechen ließen. "Und die Frauen, die einen späten Abbruch vornehmen lassen, fahren immer noch nach Holland", sagte die Ärztin. In Deutschland kann ein Schwangerschaftsabbruch nur bis zur zwölften Woche straffrei vorgenommen werden.

Medizinische Gründe oder eine Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung waren nach Angaben des Statistischen Bundesamts in vier Prozent der Fälle die Begründung des Schwangerschaftsabbruchs. Dieser ist auch dann möglich, wenn die Frau sich in einer anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle von einem Arzt oder einer Ärztin beraten lassen hat - das war in 96 Prozent der Fälle der Fall.

Fast alle Frauen ließen den Eingriff ambulant vornehmen. In rund 79 Prozent der Fälle gingen die Frauen dazu in eine gynäkologische Praxis, in 18 Prozent in ein Krankenhaus.

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