Perfide sexuelle Gewalt Schwimmlehrer wegen Missbrauchs vor Gericht

Baden-Baden · Statt in ihrem Kurs beschützt zu sein und unbeschwert schwimmen zu lernen, erleben kleine Mädchen sexuelle Gewalt. Ein Schwimmlehrer soll ihr Vertrauen ausgenutzt und die Kinder missbraucht haben. Jetzt hat der Prozess begonnen.

 Weil er sich im Schwimmunterricht an 37 kleinen Mädchen vergangen haben soll, steht ein Schwimmlehrer in Baden-Baden vor Gericht.

Weil er sich im Schwimmunterricht an 37 kleinen Mädchen vergangen haben soll, steht ein Schwimmlehrer in Baden-Baden vor Gericht.

Foto: Winfried Rothermel

Es geschah vor aller Augen: Arglose Kinder sollen während Schwimmkursen Opfer sexueller Übergriffe durch einen Schwimmlehrer geworden sein. Der 34-jährige Mann steht seit heute wegen teils schweren Kindesmissbrauchs in insgesamt rund 200 Fällen vor dem Landgericht Baden-Baden.

Er soll fast 40 kleine Mädchen missbraucht, verletzt und zwei sogar mit dem Tod bedroht haben, damit sie ihren Eltern nichts erzählen. Vor der Jugendschutzkammer kündigte der aus der Ukraine stammende, nicht vorbestrafte Deutsche über seinen Anwalt überraschend eine Aussage an - aber erst für diesen Donnerstag.

In weinrotem Pullover und hängender Jeanshose kam der etwas dickliche und älter wirkende Mann in den Verhandlungssaal des Landgerichts, sein Gesicht hinter einem Aktenordner verborgen. Dann folgte er der Verlesung der Anklage aufmerksam, machte sich gelegentlich Notizen, reichte kleine Zettel an seinen Verteidiger weiter. Mit hörbarem Akzent berichtete er kurz von seiner Kindheit, dem Umzug nach Deutschland in den ersten Lebensjahren, von abgebrochenen Ausbildungen. Verheiratet sei er, habe keine Kinder.

"Schwein" murmelte eine Zuschauerin, als Staatsanwältin Stephanie Bauer zuvor die Anklageschrift verlas. Die betroffenen Kinder waren demnach Opfer besonders perfider Übergriffe: Unter dem Vorwand, Hilfestellung zu leisten, habe er den Mädchen zwischen die Beine gefasst, unter den Badeanzug gegriffen und sie im Intimbereich berührt - zum Teil so grob, dass die Kinder Schmerzen erlitten hätten. Manche der kleinen Mädchen habe er zur Toilette begleitet, sie dort befingert, ihnen sein Geschlechtsteil gezeigt und mindestens zweimal gedroht, sie "totzumachen", sollten sie darüber nicht schweigen.

Ein Mädchen brach den Kurs nach einer Stunde ab. Andere machten den Kurs zu Ende. Von ihrer Scham, all ihrer Verstörung und dem erlittenen Trauma ist vorerst nicht die Rede. Die drei Anwälte, die 20 der 37 betroffenen Kinder vertreten, wollten sich aus Opferschutzgründen nicht zur Verfassung der Mädchen äußern.

Zahlreiche Eltern sollen im Verlauf der neun bisher geplanten Verhandlungstage gehört werden. Das jüngste Opfer war erst vier. "Die Eltern sind tief erschüttert", sagte Gerhard Bräuer, einer der Nebenklägervertreter. Die meisten Taten soll der Mann unter Wasser verübt haben - mitunter dreist in Gegenwart der Eltern, die ihre Mädchen sicher glaubten.

Filmaufnahmen wurden bei Durchsuchungen seiner Wohnung im vergangenen Jahr sichergestellt, angefertigt mit einer Unterwasserkamera: Demnach zog er den Mädchen unter Wasser den Badeanzug am Intimbereich weg und filmte. Wie das in den öffentlichen Bädern, in denen die Kurse abgehalten wurden, möglich war? Unklar. Die Rede ist von "Einzelstunden", die manche Mädchen bei ihm absolvierten.

"Die Vorwürfe gehen definitiv nicht spurlos an ihm vorüber", sagte der Verteidiger Christian Süß. Im Gefängnis, in dem sein Mandant derzeit einsitze, werde er bedroht. Süß deutete die Möglichkeit von "Verständigungsgesprächen" mit Gericht und Verfahrensbeteiligten an. Was daraus wird, ist nach Worten von Staatsanwältin Bauer völlig offen. Die Aussage des Mannes müsse abgewartet werden.

Am Schluss der Anklageverlesung verlangte sie bereits die Sicherungsverwahrung, womit der Mann nach Verbüßung seiner Strafe bis auf Weiteres im Gefängnis bliebe. Der 34-Jährige habe einen Hang zu erheblichen Straftaten und sei gefährlich für die Allgemeinheit. Ein Sachverständiger soll im Laufe des Prozesses gehört werden.

Der Bundesmissbrauchsbeauftragte Johannes-Wilhelm Rörig hatte nach Bekanntwerden des Falles Schwimmschulen dringend Risikoanalysen ans Herz gelegt.

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